Strassenbaubetriebe unterstehen dem allgemein verbindlichen Berufsbildungsfonds des Baumeisterverbands. Dieser zählt zu den Fonds mit den meisten unterstellten Mitarbeitenden. (Bild: Keystone)
Bei der Steuerung der schweizerischen Berufsbildung spielen Organisationen der Arbeitswelt (OdA) eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um Arbeitnehmerverbände, Berufsverbände und Branchenorganisationen. Die Aufgabe der OdA ist es, die Interessen ihrer jeweiligen Branchen und Berufsgruppen gegenüber anderen Akteuren in der Berufsbildung wie Bund, Kantonen und Bildungsanbietern zu vertreten. Die OdA übernehmen zusammen mit den anderen Akteuren beispielsweise Aufgaben bei der Organisation der beruflichen Grundbildung, bei der Durchführung überbetrieblicher Kurse und beim Angebot der höheren Berufsbildung. Ausserdem beteiligen sie sich an systemischen Aufgaben wie der Definition von Inhalten im Bildungsplan.
Was sind systemische Aufgaben der Berufsbildung?
Systemische Aufgaben der Berufsbildung zeichnen sich dadurch aus, dass die Ausgaben pro Betrieb deutlich geringer ausfallen, wenn sie auf Branchenebene organisiert werden, als wenn jeder Betrieb sie selbst übernehmen müsste. Dazu zählen etwa die Weiterentwicklung des Systems (z. B. Lehrpläne überarbeiten oder neue Berufe entwickeln), Kampagnen und Massnahmen zur Gewinnung von Lernenden lancieren, das Herstellen von Unterrichtsmaterialien oder die Durchführung von Qualifikationsverfahren (z. B. praktische Prüfungen).
Ein Teil der systemischen Aufgaben wird durch Bund und Kantone finanziert. Daneben tragen aber auch branchenbezogene Berufsbildungsfonds zur Finanzierung dieser Aufgaben bei. Die Berufsbildungsfonds werden von den OdA getragen. Die Fonds erheben Gelder bei den Betrieben einer Branche und setzen diese zur Förderung der Berufsbildung ein.
Allgemein verbindliche Berufsbildungsfonds
Seit 2004 können branchenbezogene Berufsbildungsfonds für allgemein verbindlich erklärt werden (verbindliche Berufsbildungsfonds). Für eine Allgemeinverbindlicherklärung müssen mindestens 30 Prozent der Betriebe in einer Branche in den Fonds einzahlen. Zudem müssen diese Betriebe zusammen mindestens 30 Prozent der Beschäftigten ausmachen, und der Bundesrat muss den entsprechenden Antrag gutheissen. In diesem Fall müssen alle Betriebe der Branche Beiträge zur Finanzierung des verbindlichen Berufsbildungsfonds leisten. 2024 gab es 35 solche verbindlichen Berufsbildungsfonds. Diejenigen Fonds mit den meisten unterstellten Mitarbeitenden gehören zur OdA der Landwirtschaftsbranche (Agrialiform) und zum Baumeisterverband.
Trotz der grossen Relevanz der Berufsbildungsfonds wurde ihr Beitrag zu den systemischen Aufgaben bisher kaum untersucht. Unsere Studie[1] nutzt Informationen zu den Einnahmen und Ausgaben von verbindlichen Berufsbildungsfonds, um den finanziellen Beitrag von Betrieben zu den systemischen Aufgaben von OdA zu untersuchen. Wohlgemerkt: Dabei handelt es sich nur um einen Teil des finanziellen Beitrags von Betrieben an die systemischen Aufgaben der Berufsbildung. Denn einige Betriebe zahlen auch noch in freiwillige Berufsbildungsfonds, GAV-Fonds und branchenübergreifende kantonale Berufsbildungsfonds ein. Daten sind jedoch nur für verbindliche Berufsbildungsfonds verfügbar. Deshalb beschränken wir unsere Analysen auf die verbindlichen Berufsbildungsfonds.
Wie wichtig sind verbindliche Berufsbildungsfonds?
Berufsbildungsfonds sind für viele, jedoch nicht für alle Ausbildungsberufe verbindlich. 2017 wurden 90 Berufe der beruflichen Grundbildung durch verbindliche Berufsbildungsfonds geregelt. Das entspricht 37 Prozent der insgesamt 245 Berufe. In der höheren Berufsbildung decken sie mit 82 Berufen 22 Prozent der 366 Berufe ab (siehe Abbildung 1). Wie wichtig die verbindlichen Berufsbildungsfonds sind, zeigt sich auch am Anteil der durch sie geregelten Abschlüsse – also der Anzahl Personen, die eine Berufsbildung abschliessen. In der beruflichen Grundbildung sind dies 29 Prozent aller Abschlüsse, in der höheren Berufsbildung 24 Prozent.
Zudem unterstand 2017 fast jeder vierte Betrieb (23%) und jeder neunte Beschäftigte (11%) einem verbindlichen Berufsbildungsfonds (siehe Abbildung 1). Daraus lässt sich schliessen, dass es sich bei den unterstellten Betrieben um vergleichsweise kleine Betriebe handelt.
Abb. 1: Die Bedeutung der verbindlichen Berufsbildungsfonds für die Berufsbildung
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Wie viel finanzieren Berufsbildungsfonds insgesamt?
Wie hoch ist also der Betrag, den die Betriebe über die von den OdA getragenen Berufsbildungsfonds in die Berufsbildung investieren? Weil es nur Daten gibt für die verbindlichen Berufsbildungsfonds, nicht aber für die übrigen Fonds, schätzen wir dies anhand der aktuellsten verfügbaren Einnahmen und Ausgaben der verbindlichen Berufsbildungsfonds aus dem Jahr 2017.[2] Die Einnahmen der verbindlichen Berufsbildungsfonds betrugen damals rund 40 Millionen Franken.
Mittels Hochrechnung kommen wir zum Schluss, dass alle Berufsbildungsfonds gemeinsam rund 141 Millionen Franken pro Jahr in die Systemsteuerung investieren: 103 Millionen Franken (über 70%) davon in die berufliche Grundbildung und 38 Millionen Franken in die höhere Berufsbildung.
Der grösste Posten sind die Ausgaben für Entwicklung, Unterhalt und Aktualisierung des Systems (56 Mio. Franken), gefolgt von Nachwuchswerbung und -förderung (31 Mio. Franken) sowie Unterrichtsmaterialien (16 Mio. Franken). Unter «Weiteres» (39 Mio. Franken) fallen unter anderem gesetzliche Grundlagen, Qualifikationsverfahren, Koordination, Qualitätssicherung, Aufsicht und Berufswettbewerbe.
Abb. 2: Gesamtausgaben aller Berufsbildungsfonds nach Bereich und Ausgabenart
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Berufsbildungsfonds leisten substanziellen Beitrag
Die Berufsbildungsfonds wenden also rund 1450 Franken pro Abschluss für die systemischen Aufgaben auf. Umgerechnet auf die einzelnen Betriebe, sind das rund 230 Franken pro Betrieb und Jahr.
Unsere Analyse zeigt, dass die Berufsbildungsfonds substanzielle Mittel in die systemische Steuerung der Berufsbildung einbringen. Gemäss unseren Rechnungen sind das jährlich rund 141 Millionen Franken für Aufgaben wie Systementwicklung, Nachwuchsförderung, Unterrichtsmaterialien, Qualitätssicherung und gesetzliche Grundlagen.
Die öffentliche Hand hat 2023 insgesamt rund 3,8 Milliarden Franken für die Berufsbildung ausgegeben, insbesondere für deren Durchführung.[3] Folglich entsprechen die Ausgaben der Berufsbildungsfonds für die systemischen Aufgaben rund 4 Prozent der Ausgaben der öffentlichen Hand. Bei diesem Vergleich ist jedoch zu beachten, dass sich Betriebe auch an der Durchführung der Berufsbildung beteiligen. Im Jahr 2016 haben Betriebe so 5,0 Milliarden Franken in die Ausbildung von Lernenden investiert.
Literaturverzeichnis
- B,S,S. (2019). Allgemeinverbindlich erklärte Berufsbildungsfonds: Schlussbericht zuhanden des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI): B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG; Miriam Frey, Andrea Oswald.
- Pusterla F., T. Bolli und U. Renold (2025). Finanzieller Beitrag des Beschäftigungssystems zur Systemsteuerung der Berufsbildung in der Schweiz, CES Studie, 58.
- SBFI (2025). Kostenerhebung der kantonalen Berufsbildung, Rechnungsjahr 2023.
Bibliographie
- B,S,S. (2019). Allgemeinverbindlich erklärte Berufsbildungsfonds: Schlussbericht zuhanden des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI): B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG; Miriam Frey, Andrea Oswald.
- Pusterla F., T. Bolli und U. Renold (2025). Finanzieller Beitrag des Beschäftigungssystems zur Systemsteuerung der Berufsbildung in der Schweiz, CES Studie, 58.
- SBFI (2025). Kostenerhebung der kantonalen Berufsbildung, Rechnungsjahr 2023.
Zitiervorschlag: Pusterla, Filippo; Bolli, Thomas (2025). Komplexe Strukturen bei Finanzierung der Berufsbildung. Die Volkswirtschaft, 07. Oktober.