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US-Zölle bremsen Schweizer Konjunktur

Nach einem starken Jahresbeginn hat sich das Wachstum in der Schweiz im zweiten Quartal 2025 deutlich verlangsamt. Vor allem die Industrie spürt die Folgen der internationalen Handelspolitik.
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Der private Konsum stützt die Schweizer Konjunktur. (Bild: Keystone)

Seit Anfang 2025 erheben die USA zusätzliche Zölle auf Importe – verschiedene höhere Zölle wurden angekündigt.[1] Viele Unternehmen, unter anderem in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, reagierten schnell: Sie exportierten mehr Waren in die USA, um einer möglichen Verschlechterung der Bedingungen zuvorzukommen. Dieser Vorzieheffekt prägte das erste Quartal 2025: Die Schweizer Wirtschaft legte kräftig zu. Das Bruttoinlandprodukt (BIP), bereinigt um Sportevents, wuchs um 0,8 Prozent – deutlich über dem Durchschnitt. Im zweiten Quartal folgte die erwartete Gegenbewegung: Das BIP stieg nur noch um 0,2 Prozent (siehe Abbildung). Nicht nur die Wertschöpfung der chemisch-pharmazeutischen Industrie verzeichnete einen Wachstumsrückgang, sondern auch die übrige industrielle Wertschöpfung

Die inländische Endnachfrage – also die Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staats sowie die Investitionen – entwickelte sich im zweiten Quartal insgesamt leicht positiv. Damit stabilisierte sie die wirtschaftliche Entwicklung im Inland. Das zeigte sich insbesondere im Dienstleistungssektor: Nicht nur einzelne, sondern mehrere Branchen legten zu. Schaut man genauer hin, zeigt sich ein gemischtes Bild: Private Haushalte und der Staat konsumierten mehr, jedoch wurde weniger investiert. Am stärksten gingen die Investitionen in Bereichen wie Flugzeuge sowie Forschung und Entwicklung zurück. Investitionen in diese Bereiche schwanken jedoch häufig sehr stark und werden tendenziell nicht unmittelbar von der aktuellen Wirtschaftslage beeinflusst.

Das Schweizer BIP-Wachstum ging im zweiten Quartal 2025 stark zurück

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: Real, saison- und Sportevent-bereinigtes BIP.
Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) / Die Volkswirtschaft

US-Zölle beeinflussen auch BIP in anderen Ländern

Die US-Zollpolitik sorgte im ersten Halbjahr auch international für starke Schwankungen. Im Euroraum schwächte sich das Wachstum im zweiten Quartal deutlich ab, nachdem es im ersten Quartal ähnlich wie in der Schweiz durch Vorzieheffekte gestützt worden war. In China verlangsamte sich das Wachstum im zweiten Quartal nur leicht. Auch hier dürfte die Erwartung möglicher höherer Zölle auf chinesische Waren eine grosse Rolle gespielt haben.

Spiegelbildlich dazu entwickelte sich das BIP der USA. Dort stiegen die Importe im ersten Quartal stark an, weil ausländische Unternehmen ihre Lagerbestände vorsorglich aufstockten. Das liess das BIP zunächst sinken. Als die Importe im zweiten Quartal wieder zurückgingen, legte das BIP überdurchschnittlich zu. Insgesamt entwickelte sich die weltweite Nachfrage aus Sicht der Schweiz im ersten Halbjahr etwas besser als erwartet. Die internationale Zollpolitik wird die Konjunktur im weiteren Verlauf aber bremsen.

Höhere Zölle belasten die Schweizer Konjunktur

Seit dem 7. August gelten für die Schweiz in den USA Zusatzzölle von 39 Prozent. Allerdings gibt es Ausnahmen für gewisse Produkte, insbesondere Medikamente und bestimmte Goldexporte. Der US-Markt macht rund 18 Prozent der Schweizer Warenexporte aus, davon sind derzeit gut 40 Prozent von den Zusatzzöllen betroffen. Für die direkt betroffenen Branchen und Exportunternehmen ist das eine schwere Belastung. Weil die USA für andere Handelspartner tiefere Zölle verlangen, verlieren sie an Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kommt, dass sich der Schweizer Franken in den vergangenen Monaten aufgewertet hat – dazu trägt die anhaltende Unsicherheit bei, die auch die Konjunktur bremst.

Die ersten Aussenhandelsdaten nach der Zollerhöhung von Anfang August zeigen: Die Warenexporte in die USA sind im August deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig haben sich die gängigen Konjunkturindikatoren mit Bezug zur Industrie eingetrübt. Beispielsweise wird die Auftragslage in Unternehmensumfragen schlechter beurteilt. Umgekehrt zeigt die Umfrage zur Konsumentenstimmung, dass der private Konsum die Konjunktur weiter stützen dürfte. Die einzelnen Bereiche der Schweizer Wirtschaft sind aktuell sehr unterschiedlich von der internationalen Zollpolitik betroffen.

Insgesamt ist aus heutiger Sicht damit zu rechnen, dass das Wirtschaftswachstum der Schweiz 2025 und 2026 deutlich unterdurchschnittlich ausfällt. In ihrer Oktober-Prognose erwartet die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes für 2026 ein BIP-Wachstum von 0,9 Prozent. Zum Vergleich: Im Durchschnitt seit 1980 ist die Schweizer Wirtschaft jährlich um 1,8 Prozent gewachsen.

  1. Dieser Artikel basiert auf dem Abschnitt «Wirtschaftslage Schweiz: Überblick» in den «Konjunkturtendenzen» Herbst 2025 (siehe Kasten). []

Zitiervorschlag: Kemeny, Felicitas (2025). US-Zölle bremsen Schweizer Konjunktur. Die Volkswirtschaft, 16. Oktober.

«Konjunkturtendenzen» Herbst 2025

Wirtschaftslage Schweiz – Im zweiten Quartal 2025 ist die Schweizer Wirtschaft mit 0,2 Prozent nur noch schwach gewachsen. Auf das starke Wachstum des Vorquartals folgte erwartungsgemäss eine Gegenbewegung.

Konjunkturprognose – Für die Schweiz stellt sich das handelspolitische Umfeld besonders herausfordernd dar. Es ist mit einer sehr schwachen Wirtschaftsentwicklung im zweiten Halbjahr zu rechnen. Für das Gesamtjahr bestätigt die Expertengruppe ihre bisherige Prognose von 1,3 Prozent. Für 2026 senkte sie ihre Prognose deutlich. Sie erwartet neu nur noch ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum der Schweizer Wirtschaft von 0,9 Prozent.

Weltwirtschaft – Im zweiten Quartal 2025 wuchs die Weltwirtschaft stärker als erwartet. Für die weitere Entwicklung zeichnen die gängigen Indikatoren ein durchwachsenes Bild. Die US-Handelspolitik und die damit verbundene Unsicherheit wirken sich negativ auf Investitionsentscheidungen aus und belasten die Konjunktur. Vielerorts tendierte die Inflation zuletzt wieder aufwärts. Die Unterschiede in der Ausrichtung der internationalen Geldpolitik werden langsam reduziert. Im Euroraum und in der Schweiz dürfte der Zinssenkungszyklus vorerst beendet sein. Seit der Bekanntgabe der neu geltenden Zollsätze für die Schweiz hat sich der Aufwertungsdruck auf den Franken etwas reduziert.

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