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Hoch verschuldete Staaten: Welche Folgen hat das?

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Das Gebäude des Nationalarchivs in Washington war während des US-Shutdowns wochenlang geschlossen. Der diesjährige Shutdown war der längste überhaupt. (Bild: Keystone)
Warum verschulden sich Staaten überhaupt?

Es gibt einen guten und einen schlechten Grund für Staatsschulden. Der gute Grund ist, dass sich Staatsausgaben durch Schulden über die Jahre verteilen lassen. Der schlechte Grund ist, dass Politiker Ausgaben in Staatsschulden verstecken, anstatt sie transparent über Steuern zu finanzieren. In entwickelten Ländern beruhen die heutigen Staatsschulden vor allem auf dem schlechten Grund.

Frankreich braucht Reformen, um den hoch verschuldeten Staatshaushalt in den Griff zu bekommen. Wie geht es weiter, wenn das nicht gelingt?

Risikoprämien würden steigen, die Zinslast würde sich verschärfen. Da eine französische Schuldenkrise zugleich eine Eurokrise wäre, würde die Europäische Zentralbank wohl erneut massiv an den Finanzmärkten eingreifen. Die disziplinierende Wirkung der Märkte würde weiter geschwächt und damit mittelfristig auch der Euro.

Wie aussagekräftig ist die Schuldenquote, also das Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandprodukt? Denn eine hohe Quote bedeutet nicht automatisch Zahlungsunfähigkeit, wie der Fall Japan mit über 200 Prozent zeigt.

Die Schuldenquote allein sagt wenig darüber aus, ob ein Staat seine Schulden auch tragen, also dauerhaft finanzieren und bedienen kann. Entscheidend sind unter anderem Reformfähigkeit, Wachstumsaussichten und Zinsentwicklung. Die Schuldenquote zeigt jedoch, wie anfällig ein Land ist: Je höher sie ist, desto sensibler reagiert die Tragfähigkeit auf Veränderungen bei den genannten Faktoren.

Das Entlastungsprogramm bremst lediglich das Ausgabenwachstum.

Eine rekordhohe Staatsverschuldung weisen die USA aus. Ende 2024 lag sie bei 120 Prozent des BIP. Welche Folgen hat der längste Shutdown in der US-Geschichte?

Der Shutdown ist wirtschaftlich weniger entscheidend. Wichtiger ist, dass er die politische Handlungsunfähigkeit offenlegt. Hält sie zu lange an, kann dies das Vertrauen in die Institutionen und den Dollar untergraben. Aber vergessen wir nicht: Die USA haben ihre hohe Resilienz immer wieder bewiesen.

Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für 2029 eine globale Staatsverschuldung von über 100 Prozent des BIP. Wie Frankreich zeigt, untergraben die Schulden auch die politische Stabilität. Wie ordnen Sie die weltweite Schuldenkrise aus politischer Sicht ein?

Dass Politiker Anreize haben, möglichst viel fremdes Geld auszugeben, liegt auf der Hand. Ökonomisch lässt sich das nicht rechtfertigen. Letztlich liegt die Verantwortung bei den Wählerinnen und Wählern: Sie müssen mehr fiskalische Disziplin und Transparenz einfordern. Das gilt auch für die Schweiz. Viele vergessen, dass in unseren Sozialsystemen ein grosses implizites Schuldenloch schlummert, das kommende Generationen stark belasten wird. Anders als in anderen Ländern muss in der Schweiz das Volk notwendigen Gesetzesänderungen zustimmen.

Das Schuldenniveau der Schweiz ist im internationalen Vergleich tief. Sind wir mit dem Entlastungsprogramm 27 zu streng mit uns?

Das Entlastungsprogramm bremst lediglich das Ausgabenwachstum. Das reicht meiner Meinung nach nicht. Die Schweiz sollte sich auf die Kernaufgaben des Staates besinnen: den Schutz von Unabhängigkeit, Freiheit und Eigentum. Das würde zu tieferen, vor allem aber anders verteilten Staatsausgaben führen.

Interview: Die Volkswirtschaft

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Dr. oec. Alexandra Janssen, Ecofin (2025). Hoch verschuldete Staaten: Welche Folgen hat das? Die Volkswirtschaft, 27. November.

Interviewpartnerin

Alexandra Janssen ist Leiterin Vermögensverwaltung bei Ecofin