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Befragung von Schweizer Baugesuchstellern

Die Baugesetzgebung in der Schweiz ist wegen der föderativen Kompetenzaufteilung heterogen. Hinzu kommt die Vielfalt der öffentlichen Interessen, die – etwa aus Gründen des Umweltoder des Natur- und Heimatschutzes – bei Um- und Neubauten berücksichtigt werden müssen. Diese Umstände führen dazu, dass die Realisierung eines Bauvorhabens in der Schweiz zu einer zeitaufwändigen und mit hohen Realisierungs- und Kostenrisiken behafteten Angelegenheit werden kann. Nachfolgend werden die Hauptergebnisse einer statistisch repräsentativen Befragung von Bauträgern, die in jüngster Zeit gewerblich-industrielle oder kommerzielle Bauvorhaben realisiert haben, dargestellt. Die meisten gestellten Fragen bezogen sich auf die von den Bauträgern realisierten, namentlich genannten Bauprojekte

Auswertung der Angaben im Baublatt


Im Vorfeld der Befragung wurde eine exploratorische Untersuchung aller Baubewilligungsgesuche der Jahre 2004-2005 auf Grundlage der Publikationen im Baublatt durchgeführt. 80% der Baugesuche, die den Weg ins Baublatt finden, betreffen den Wohnungsbau. Die Gesamtzahl der Gesuche, über die bis Ende 2005 entschieden worden war, belief sich auf 54812 (Wohnbau und andere Kategorien). Im schweizerischen Mittel wurde die Bewilligung 3,3 Monate nach der Publikation des Gesuches erteilt (siehe Grafik 1). Am speditivsten geht es in den Kantonen Glarus (2,2 Monate im Mittel), Thurgau (2,5), Uri (2,8) sowie Ob- und Nidwalden (2,7). Am andern Ende finden sich als langsamste Kantone Genf (5,8), Schwyz (4,6), Neuenburg (4,5) und Freiburg (4,3). Besonders lange Behandlungszeiten weist Genf auf, wo es fast bei einem auf zehn Gesuche mehr als 12 Monate geht, bis ein Entscheid gefällt ist. Anhand der Daten aus der Bauträgerbefragung wird sichtbar, dass diese grossen Unterschiede in erster Linie durch die Wohnbauten entstehen. Bei industriell-gewerblichen Bauten sind die Differenzen weniger ausgeprägt.

Realisierungsdauer gemäss Bauträgerbefragung


Die Dauer des Bewilligungsverfahrens gemäss Datenbank des Baublattes bezieht sich auf den Zeitraum zwischen der Publikation des Baugesuchs und der Erteilung der Baubewilligung. Allfällige Schwierigkeiten oder Probleme, die in der informellen Phase vor der Publikation des Baugesuchs auftraten, werden somit aus den Daten nicht ersichtlich. Diesem Umstand wurde bei der Befragung der Bauträger Rechnung getragen, indem die ganze Zeitspanne vom Zeitpunkt der Mandatserteilung an den Architekten bis zur Bauabnahme erfragt wurde.  Die Grafik 2 zeigt den Zeitbedarf zwischen der Eingabe des Baugesuchs und der Bewilligungserteilung. Er schwankt um die sechs Monate (mit relativ kleiner Streubreite) in den grossen Kantonen Aargau, Bern, Waadt und Zürich. Die Gesamtrealisierungszeit – von der Mandatserteilung an den Architekten bis zur Bauabnahme – liegt knapp unter 20 Monaten. Da in dieser Zeitspanne im Durchschnitt gegen sechs Monate vergehen, dürfte sich die Baurealisierungszeit je zu einem Drittel auf den Architekten, die Behörden und die Bauausführenden aufteilen. Allerdings ist bei diesen Zahlen grosse Vorsicht geboten, da in rund der Hälfte der Fälle keine Angaben zum Bauabschluss vorliegen. Es dürfte sich mithin um eine Realisierungszeit für Vorhaben handeln, deren Bausumme nicht zu weit über dem Schwellenwert von 100000 Franken liegt, der für die Aufnahme des Vorhabens in die Stichprobe festgelegt wurde. Beachtlich ist, dass industrielle und kommerzielle Bauten kaum je in weniger als einem Jahr ab Mandatserteilung an den Architekten realisiert werden können (siehe Grafik 3).

Quervergleich Baublatt/Bauträgerbefragung


Hält man sich nicht ans Baublatt mit der weiten Grundgesamtheit, sondern an die Befragung der Bauträger, die nur industrielle und kommerzielle Projekte umfasst, liegt die Frist zwischen Publikation und Bewilligung im Mittel (Median) bei rund 3,5 Monaten, im Durchschnitt bei 3,8 Monaten (keine Antwort: 18%). Diese Werte stimmen mit den Zahlen aus dem Baublatt quasi überein. Tendenziell zeigen sich längere Fristen bei Grossprojekten (6,6 Monate), bei Projekten in Bauzonen mit zusätzlichen Vorschriften, wenn das Projekt nicht den Vorschriften der entsprechenden Zone entsprach (je 6,2 Monate) oder bei Auftreten von Opposition (5,9 Monate).

Einschätzung der Schwierigkeiten bei Bauvorhaben


Gemäss Befragung war der Standort für das Vorhaben in den meisten Fällen (94%) vorgegeben und konnte nur selten frei gewählt werden (6%). Auch die Lage der Parzelle spielt für die zu erwartenden Schwierigkeiten eine Rolle: Bei gut der Hälfte der Bauvorhaben handelt es sich um ein Projekt in einem bereits dicht überbauten Gebiet. Eher auf der grünen Wiese wurde ein Fünftel der Vorhaben geplant. In 16% der Fälle war schon früher ein Vorgängerprojekt eingereicht worden. Am häufigsten wurden diese Projekte hinfällig, da sich die Bauabsichten änderten. Verweigerte Bewilligungen scheinen kaum je gänzlich neue Vorhaben auszulösen.  Die Schwierigkeiten, die sich aus Vorschriften und Verfahren der Baugesetzgebung ergaben, werden von Befragten als insgesamt wenig wichtig beurteilt: Alle Mittelwerte (MW) liegen auf einer Skala zwischen 1 und 6 unter 3,5. Am ehesten fällt noch die Dauer der Abläufe ins Gewicht. Die raumplanerische Situation war in den meisten Fällen unproblematisch. In drei Vierteln der Fälle entsprach das Vorhaben den Zonenvorschriften. Dabei bestanden nur in 9% der Fälle Unsicherheiten über die Zonenkonformität. Nur in 1% der Fälle ging es darum, dem Erlass einer Planungszone vorzubeugen. Grossprojekte wurden tendenziell häufiger in Bauzonen mit zusätzlichen Vorschriften realisiert; andererseits wurden sie aber auch nicht als hinderlich beurteilt (MW 2,2).  Die Abstimmung zwischen raumplanerischen Vorgaben und umweltrechtlichen Bestimmungen bezeichneten 65% der Befragten als eher gut bis sehr gut (MW 4,4). Nur in Ausnahmefällen (5%) musste eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder ein Umweltbericht (3%) erstellt werden. In 2% waren vertiefte Abklärungen erforderlich; tendenziell war dies bei Grossprojekten nötig oder in Fällen, bei denen Opposition auftrat.  Die interne Abstimmung zwischen den Behörden, die zum Baugesuch Stellung zu nehmen hatten, wurde von 71% als eher gut bis sehr gut beurteilt (MW 4,4). Schwierigkeiten aufgrund des Vorhandenseins politischer Ziele der Behörden wirkten sich in Fällen aus, wo auch Opposition auftrat. In immerhin 87% der Fälle gab es vor der Eingabe des Gesuchs bereits Kontakte mit Verwaltung/Behörden in Bezug auf das Objekt. In gut zwei Dritteln der Fälle (69%) wurde das Bauvorhaben vor der Gesuchseingabe einer Baukommission oder einem ähnlichen Gremium vorgelegt. Ob hier unbotmässig Druck in der einen oder andern Richtung ausgeübt wurde, wäre noch genauer zu erfragen. Nach Meinung der Befragten hat sich die Kontaktnahme auf die Realisierung des Bauvorhabens zudem positiv ausgewirkt (MW 4,6): 82% beurteilen die Auswirkung als eher günstig bis sehr günstig. Das eingereichte Gesuch war nach Meinung der Baubehörden in 89% der Fälle vollständig; 9% wurden als unvollständig beurteilt. Allerdings verlangten die Behörden für das ausgewählte Objekt häufig zusätzliche wichtige Unterlagen oder Studien. Wünsche nach Präzisierungen oder Forderungen, denen mit einer kleinen Projektveränderung Rechnung getragen werden konnte, sind dabei nicht berücksichtigt.  Von den 455 ausgewählten Objekten waren ein Drittel (33%) mit Opposition konfrontiert, die zumeist von privater Seite erhoben wurde. Mehrheitlich erledigte sich die Opposition von selbst (30%) oder der Konflikt konnte gütlich geregelt werden (41%). Zu Einsprachen oder Beschwerden kam es in rund einem Viertel der Fälle (26%). Der aktuelle Stand der Baugesuche zum Zeitpunkt der Befragung im Sommer 2006 wurde ebenfalls erhoben. Knapp zwei Drittel der untersuchten Bauvorhaben waren bewilligt bzw. in Arbeit (64%). Nur drei Projekte (1%) wurden abgelehnt; 7 Objekte (2%) waren noch pendent.

Konkrete und allgemeine Wahrnehmung der Schwierigkeiten


Die Fragen nach den Schwierigkeiten mit Baugesuchen wurden im Fragebogen zuerst spezifisch für das ausgewählte, namentlich benannte Objekt gestellt. Anschliessend wurde gefragt, wie die gleichen Hemmnisse allgemein – losgelöst vom spezifischen Objekt – eingeschätzt werden. Es zeigt sich, dass die Realisierung eines Bauvorhabens in der allgemeinen Einschätzung als viel schwieriger eingestuft wird als im konkreten Fall (siehe Gra-fik 4). Mehrere Hypothesen können diese Differenz erklären:  – Eine starke Vorstellung, dass alles kompliziert ist. Bei der Befassung mit dem konkreten Objekt lösen sich diese Vorurteile zu einem guten Teil auf.  – Die Architekten verwirklichen nur, was zu keinen Problemen führt. – Einzelne Grossvorhaben – wie der Stadionneubau Zürich, das Einkaufszentrum Spreitenbach oder das Ansiedlungsvorhaben Amgen in Galmiz – sind zwar nicht die Spitze des Eisbergs, prägen jedoch das Bild.

Weiterer Klärungsbedarf


Die Auswertung der Befragung lieferte keine Hinweise auf ausgeprägte Problemzonen, die bei der Realisierung von Bauvorhaben auftreten und von der öffentlichen Hand ausgehen. Dies schliesst ein Verbesserungspotenzial nicht aus. Nützliche Hinweise dürften sich aus einer vertieften Untersuchung der Zusammenhänge unter den Antworten auf die Einzelfragen sowie der interkantonalen Unterschiede ergeben. Heikler ist die Frage zu klären, warum die Schwierigkeiten bei der Eingabe von Baugesuchen im konkreten Fall als wesentlich weniger gravierend taxiert werden als in der allgemeinen Einschätzung. Aufschlussreich dürfte hier eine stärkere Differenzierung der Auswertung nach der Grösse und Art des Objektes sein.

Grafik 1 «Dauer des Baubewilligungsverfahrens»

Grafik 2 «Zeit zwischen Eingabe und Baubewilligung in Monaten»

Grafik 3 «Totale Bauzeit in Monaten 95%-Vertrauensintervall»

Grafik 4 «Wahrnehmung der Hemmnisse: Vergleich konkreter Fall – allgemeine Einschätzung»

Kasten 1: Methode Der Fragebogen, der an die Architekten oder die Bauträger gesandt wurde, interessierte sich nur für jene 1750 Gesuche aus der Periode 2004-2005, die im Zusammenhang mit einem industriellen oder kommerziellen Bauvorhaben ausserhalb des Wohnungsbaus standen (Volerhebung). Jeder der versandten Fragebogen bezog sich auf ein namentlich benanntes Bauobjekt. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 21.Juli 2006 bis zum 26.September 2006. Trotz schriftlicher und telefonischer Mahnaktion erreichte der Rücklauf nur 26%, was 455 auswertbaren Fragebogen entspricht. Betrachtet man die Herkunft der Gesuche nach Kantonen, so übertrafen nur vier Kantone (Zürich, Waadt, Bern, Aargau) den Schwellenwert von 30 Antworten, die es für statistisch erhärtete Aussagen braucht.

Zitiervorschlag: Matthias Peters, Bettina Wapf, (2007). Befragung von Schweizer Baugesuchstellern. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.