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Verstärkung der Aufsicht in der Zweiten Säule

Verstärkung der Aufsicht in der Zweiten Säule

Als Folge der schwierigen Finanzmarktlage hat der Bundesrat am 29. Januar 2003 eine Agenda zur Sicherung und Weiterentwicklung der beruflichen Vorsorge (BV) verabschiedet, nachdem er zuvor bereits eine Senkung des Mindestzinssatzes in der BV beschlossen hatte. Das Projekt hatte zum Ziel, den Inhalt und die Aufsichtsstruktur der Zweiten Säule zu optimieren. Es wurde unter Mitarbeit von zwei aufeinander folgenden Expertenkommissionen erarbeitet und sieht unter anderem vor, den Vorsorgeinstitutionen mehr Autonomie, aber auch mehr Verantwortung zu übertragen. Zudem soll die direkte Aufsicht auf Kantonsoder Regionsebene dezentralisiert und von der Oberaufsicht getrennt werden, welche ihrerseits nicht mehr vom Bundesrat abhängen soll.

Im August 2003 hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Expertenkommission «Optimierung» eingesetzt. Ihr Auftrag war es, die Aufsicht in der BV inhaltlich und strukturell zu optimieren. Die Kommissionsarbeiten wurden im April 2004 mit Empfehlungen an den Bundesrat abgeschlossen. Aus diesen Empfehlungen geht hervor, dass Verbesserungen der Aufsicht in der BV insbesondere im Hinblick auf künftige Systemrisiken angezeigt sind. Daraufhin erteilte der Bundesrat im August 2004 einer neuen Expertenkommission «Strukturreform» (sog. Kommission Schmutz) den Auftrag, auf der Basis der Empfehlungen der Vorgängerkommission bis Ende 2005 eine Vernehmlassungsvorlage für eine inhaltlich und strukturell optimierte Aufsicht in der beruflichen Vorsorge zu erarbeiten. Die Kommission hat Lösungsansätze zur Verstärkung und Verbesserung der Strukturen in der beruflichen Vorsorge vorgelegt, die sich insbesondere auf die direkte Aufsicht über die Pensionskassen und die Oberaufsicht durch den Bundesrat bezogen.

Bericht der Expertenkommission


Dreh- und Angelpunkt für die Kommission Schmutz bildet die «Entpolitisierung». Es ging darum, das Aufsichtskonzept nach dem Grundsatz der «überwachten Selbstregulierung» zu gestalten. Damit die verschiedenen Akteure – Stiftungsräte, Experten, Kontrollorgane – in der Gesamtführung der Vorsorgeeinrichtungen autonomer sind und mehr Verantwortung tragen können, müssen deren Rechte und Pflichten klar definiert sein. Auch müssen die diesbezüglichen Regeln und Anforderungen verstärkt werden – nicht zuletzt, um deren Professionalität zu garantieren. Ergänzend schlägt die Kommission ein System der direkten Aufsicht auf Kantonsoder Regionsebene vor, deren Aufsichtsregionen auf Konkordatsbasis mehrere Kantone umfassen und klar formulierte Qualitätsanforderungen erfüllen. Gleichzeitig sollen die Aufsichtsinstrumente verstärkt und soll die Haftung der Aufsichtsbehörden im Falle von Schäden im Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) verankert werden. Mit der im Bericht vorgeschlagenen Revision sollen Direkt- und Oberaufsicht entflochten werden  Die direkte Aufsicht der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen durch den Bund – ausgeübt vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) – entfällt; diese Einrichtungen werden den jeweiligen Kantonsbehörden unterstellt. Eine Ausnahme bilden die Auffangeinrichtung und der Sicherheitsfonds, die als Sondereinrichtungen unter die Oberaufsicht fallen.  Die Oberaufsicht soll nicht mehr durch den Bund, sondern durch eine unabhängige Oberaufsichtskommission wahrgenommen werden. Dieser sollen unabhängige Sachverständige angehören, die anhand ihrer Fachkompetenzen ausgewählt werden. Der Kommission unterstellt ist ein unabhängiges, nur administrativ dem BSV zugeordnetes Sekretariat. Die Oberaufsichtsbehörde soll eine aktivere und stärker regulierende Rolle als bisher spielen, indem sie den Revisionsstellen und BV-Experten Weisungen allgemeiner Art erteilen kann. Die Kommission ist gegenüber dem Bundesrat nicht weisungsgebunden und daher in fachlicher und inhaltlicher Hinsicht unabhängig. Die finanzielle Unabhängigkeit wird durch die Finanzierung mittels Gebühren erreicht, die bei den kantonalen Aufsichtsbehörden erhoben werden, welche sie auf die Vorsorgeeinrichtungen überwälzen. Der Bundesrat übt hingegen die Dienstaufsicht über die Oberaufsichtskommission aus, und diese ist dem Bundesrat gegenüber rechenschaftspflichtig.

Aufgaben der Oberaufsichtskommission


Die Kommission hat die Aufgabe, die Systemstabilität sicherzustellen, die Aufsicht zu koordinieren und für Rechtssicherheit zu sorgen. Im Sinne der Qualitätssicherung und der optimalen Führung von Vorsorgeeinrichtungen sollen die BV-Experten und Revisionsstellen für die Tätigkeit in der beruflichen Vorsorge künftig zugelassen werden. Die Zulassung erfolgt durch die Oberaufsichtskommission anhand objektiver, von den Kandidaten zu erfüllender Kriterien. Die Oberaufsichtskommission soll auch für eine einheitliche Praxis der kantonalen Aufsichtsbehörden sorgen und damit mehr Rechtssicherheit schaffen sowie die «Unité de doctrine» verstärken. Zu diesem Zweck erhält sie die Befugnis, für die Ausfichtsbehörden Weisungen allgemeiner Art und Standards zu erlassen.  Die Kommission war der Meinung, dass gewisse Vorsorgekomponenten dem Einflussbereich des Bundesrates oder des Parlaments entzogen werden müssen, um eine objektive Geschäftsführung sicherzustellen. Dazu schlägt sie vor, die Vorsorgeparameter – d.h. den technischen Zinssatz und den Zinssatz auf den Altersguthaben – zu entpolitisieren und deren Festsetzung den obersten Organen der Vorsorgeeinrichtung zu überlassen, die ausschliesslich nach wirtschaftlichen Kriterien entscheiden. Gleiches gilt für die Anlagenormen, deren Beschränkungen wegfallen sollen. Die Festsetzung des Umwandlungssatzes gehört nach Ansicht der Kommission in den Kompetenzbereich des Bundesrates und nicht des Parlaments, wobei alle fünf Jahre zwingend eine Prüfung vorzunehmen sei.

Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates


Hinsichtlich der Parameter und der Struktur der Oberaufsicht ist der Bundesrat den Empfehlungen der Expertenkommission nicht voll und ganz gefolgt.  Der Bundesrat hat eine Lösung gewählt, bei der Massnahmen im Vordergrund stehen, die auf eine Verstärkung der direkten Aufsicht und ein effizientes Oberaufsichtssystem zielen. In Bezug auf die Parameter erachtete er es weder als sinnvoll noch notwendig, diese ins gleiche Paket aufzunehmen. Dagegen spricht auch, dass sie Gegenstand laufender Prüfungen oder Verfahren bilden. So findet derzeit eine Vernehmlassung zum Umwandlungssatz statt. Ziel ist es, den Umwandlungssatz rascher und stärker kürzen zu können, als dies im Rahmen der 1. BVG-Revision möglich ist, um der tatsächlichen Situation der Vorsorgeeinrichtungen Rechnung zu tragen. Dies impliziert eine spezifische Prüfung der Komponenten des Umwandlungssatzes, zu denen der technische Zinssatz gehört. Eine zusätzliche Vernehmlassung würde für weitere Verwirrung sorgen und die laufenden Arbeiten nur verzögern. Der Bundesrat ist aber offen für eine Übertragung der Kompetenz zur Bestimmung des Umwandlungssatzes zu seinen Gunsten.  Das Parlament hat am 29. November 2005 die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NT) Vgl. 05.3467, «Feste Formel für BVG-Mindestzinssatz». abgelehnt, die vom Bundesrat verlangte, eine feste Formel für die Bestimmung des Mindestzinssatzes zu erarbeiten (im Sinne der von der Expertenkommission vorgeschlagenen Alternative). Der Bundesrat erachtet es derzeit nicht als angezeigt, diesen Punkt weiter zu behandeln. Die Anlagebegrenzungen werden im Rahmen der BVG-Kommission von einem Expertenausschuss periodisch überprüft. Denkbar wären hier gewisse Alternativen zu einer gänzlichen Aufhebung. Der Bundesrat unterstützt dagegen das von der Expertenkommission vorgeschlagene Modell einer Kantonalisierung oder Regionalisierung der direkten Aufsicht – wie sie bereits in der Zentralschweiz existiert und in der Ostschweiz in Vorbereitung ist – sowie einer Verschärfung der einschlägigen Standards. Dazu braucht es aber eine solide Oberaufsicht, die in der Lage ist, die Koordination und Vereinheitlichung der kantonalen und regionalen Aufsichtsprinzipien durch die Erarbeitung von Standards und Weisungen sicherzustellen. Hier geht der Bundesrat mit den Schlussfolgerungen der Expertenkommission einig – allerdings mit einem Vorbehalt: Das Sekretariat der Kommission muss administrativ dem BSV angegliedert bleiben. Nur so ist die Koordination zwischen Gesetzgebung und Oberaufsicht sichergestellt, während gleichzeitig Kompetenzkonflikte zwischen den beiden Ebenen vermieden werden können. Ebenso bleibt die unverzichtbare Kohäsion der drei Säulen der Altersvorsorge gewährleistet.

Kommende Entwicklungen


Der Bundesrat will die Vernehmlassung dazu nutzen, strengere Normen bezüglich Transparenz einzusetzen, um die Interessen der Versicherten besser zu schützen und Interessenskonflikte zu verhindern. Eigengeschäfte von Pensionskassenverwalter sollen begrenzt oder gar verboten werden können, auch wenn diese nicht ausdrücklich durch die Vorsorgeeinrichtung untersagt oder missbräuchlich sind. Konkret sollen die Normen für Insidergeschäfte, «Front Running» oder «Parallel Running» verschärft werden. Neben der im Gesetz vorgesehenen schriftlichen Erklärung über die Entgegennahme von Vorteilen im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Tätigkeit als Kassenverwalter, müssten auch Sanktionen – ausserhalb des Strafgesetzes – eingeführt werden, falls Vermögensvorteile entgegengenommen werden, die sich aus der Anlagetätigkeit ergeben. Der Regelungsbedarf bezieht sich folglich auf die Geschäftstätigkeiten der Pensionskassenverwalter, insbesondere in Bezug auf deren guten Ruf, Eigengeschäfte, Interessenkonflikte und die einwandfreie Ausübung der Geschäftsführung der Kasse. Es muss für Pensionskassenverwalter verbindliche Einschränkungen und Verpflichtungen geben. Ausserdem muss es möglich sein, gegen Verwalter Massnahmen auf der Ebene des obersten Kassenorgans und der Aufsichtbehörden einzuleiten. Mit dieser Reglementierung sollen Vorfälle, wie sie erst kürzlich in der Presse die Runde gemacht haben, verhindert werden.

Zitiervorschlag: Erika Schnyder (2006). Verstärkung der Aufsicht in der Zweiten Säule. Die Volkswirtschaft, 01. November.