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Sind Klimaclubs mit dem Welthandelsrecht vereinbar?

Dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (CBAM) und geplanten Klimaclubs wird oft vorgeworfen, sie seien Zölle, die sich als Umweltpolitik tarnen. Es stellt sich in der Tat die Frage, wie sie im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation ausgestaltet werden können.
Die Staatschefs der G-7-Staaten und der EU haben 2022 am G-7-Gipfeltreffen in Deutschland die Gründung eines Klimaclubs beschlossen. Auch die Schweiz möchte mitmachen. (Bild: Keystone)

Die Bekämpfung des Klimawandels ist vordringlich. Dass das Ziel, bis 2050 CO2-neutral zu sein, erreicht werden kann, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn die derzeitigen Verpflichtungen, welchen die Staaten im Rahmen des Pariser Klimaübereinkommens zugestimmt haben, sind zu wenig ambitioniert.

Die Lücke zwischen den aktuellen Zusagen und dem Netto-null-Ziel muss deshalb geschlossen werden. Dazu wollen Politiker wie auch Klimaschützer sicherstellen, dass die einheimische Industrie den CO2-Ausstoss nur dann stärker drosselt, wenn die Wettbewerbsbedingungen für einheimische und ausländische Produzenten gleich sind und die Verlagerung von CO2-Emissionen dadurch verhindert wird.

Klimaclubs auf dem Vormarsch

So will etwa die Europäische Union (EU) mit dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) gleich lange Spiesse für ihre Industrie schaffen (siehe Artikel in diesem Schwerpunkt). Andere Länder planen ihre eigenen Grenzausgleichsmechanismen und/oder erwägen den Beitritt zu Initiativen innerhalb sogenannter Klimaclubs, die bereit sind, eine ehrgeizigere Klimapolitik zu verfolgen. Wie intensiv die Zusammenarbeit innerhalb solcher Clubs ist, variiert sowohl hinsichtlich der Vorteile für die Mitglieder als auch hinsichtlich der Sanktionen für Nichtmitglieder. Der im Jahr 2022 von den G-7-Staaten angekündigte Klimaclub ist offen (zumindest für alle Länder mit ehrgeizigen Klimaschutzzielen), kooperativ und inklusiv konzipiert, und es sind derzeit keine Sanktionen gegen Nichtmitglieder vorgesehen. Auch die Schweiz möchte dem Club beitreten.

Der G-7-Klimaclub zielt in erster Linie nicht darauf ab, die Wettbewerbsbedingungen für ein bestimmtes Gut auszugleichen, sondern soll stattdessen ehrgeizige politische Ziele durch Zusammenarbeit und gegenseitige Vorteile fördern. Gemeint sind damit nicht unbedingt wirtschaftliche, sondern politische Vorteile, wie gesteigerte Reputation, bilaterale technologische Zusammenarbeit sowie die Möglichkeit, sich an der Entwicklung gemeinsamer Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungssysteme und Emissionsstandards zu beteiligen, die schliesslich zu international anerkannten Standards ausserhalb des Klimaclubs werden könnten (siehe Artikel in diesem Schwerpunkt). In dieser Hinsicht stehen die Hauptmerkmale des Clubs im Widerspruch zu den Elementen der von James Buchanan 1965 entwickelten Theorie[1]: Gemäss dieser brauchen Clubs, um erfolgreich zu sein, eine Begrenzung der Mitgliedschaft, klare Beitrittskriterien, die Eingrenzung des Marktzugangs auf Clubmitglieder und die Sanktionierung von Nichtmitgliedern (durch Gebühren oder Zölle).

Die globale Vereinbarung für eine nachhaltige Stahl- und Aluminiumproduktion, welche die USA der EU im Jahre 2021 vorgeschlagen haben, könnte hingegen de facto als Klimaclub gelten. Denn nach aktuellen Informationen zielen die Verhandlungen darauf ab, eine Vereinbarung unter Ländern mit relativ sauberer Stahl- und Aluminiumproduktion zu bilden und Handelshemmnisse (Zölle) für Importe von Stahl und Aluminium aus Ländern zu errichten, die dieser Vereinbarung nicht angehören. Das soll diese Länder dazu veranlassen, ihre eigene Produktion im Stahl- und Aluminiumbereich zu dekarbonisieren und Subventionen abzubauen, um diese Güter weiterhin in die Mitgliedsländer der Vereinbarung exportieren zu können.

Auch der EU-CBAM kann als De-facto-Klimaclub betrachtet werden. Denn er befreit Länder mit gleichen CO2-Preisen von den CBAM-Gebühren (so etwa die Schweiz) und rechnet die bereits bezahlten CO2-Preise in den Herkunftsländern an, indem sie von der CBAM-Gebühr abgezogen werden.

Was sagt das Welthandelsrecht?

Sind solche Klimaclubs mit dem Welthandelsrecht vereinbar? Unbestreitbar verbietet die Meistbegünstigungsklausel der Welthandelsorganisation (WTO) eine Diskriminierung gleichartiger ausländischer Produkte, wie sie ja in der Theorie des Klimaclubs durch die Eingrenzung des Marktzugangs auf Clubmitglieder vorgesehen ist.

Der G-7-Klimaclub ist als offene Kooperationsvereinbarung konzipiert, bei der keine Sanktionen gegen Nichtmitglieder verhängt werden sollen. Sollte der G-7-Klimaclub jedoch wie die EU einen CO2-Grenzausgleich auf Produkte von Nichtmitgliedern erheben wollen, würde dies gegen das WTO-Prinzip der Meistbegünstigung verstossen, wie es im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) festgeschrieben ist.

Beim EU-CBAM und bei der von den USA vorgeschlagenen globalen Stahl- und Aluminiumvereinbarung ist das Potenzial eines Konflikts mit dem WTO-Recht grösser. Denn es werden Importe aus bestimmten (klimaambitionierten) Ländern von der CBAM-Gebühr ausgenommen. Allerdings ist bislang die Frage unbeantwortet geblieben, ob herkunftsneutrale Marktzugangsbedingungen, die etwa auf der Herstellungs- und der Verarbeitungsart basieren (sogenannte Process and Production Methods oder kurz PPMs), mit dem Meistbegünstigungsprinzip vereinbar sind. Beim EU-CBAM und bei der vorgeschlagenen Stahl- und Aluminiumvereinbarung werden die Importausschlüsse nun aber gerade mit solchen PPMs begründet. Damit betrifft der Ausschluss vom Import nicht per se die Herkunftsländer, sondern die herkunftsneutralen Produktionsbedingungen. Trotzdem: Die Möglichkeit, dass es in beiden Fällen zu einer De-facto-Verletzung der Meistbegünstigungsklausel kommt, ist nicht auszuschliessen.

Strenge Gatt-Ausnahmen

Die WTO-Mitglieder können sich bei Verstössen gegen die Gatt-Regeln auf die allgemeinen Ausnahmen des Artikels XX Gatt berufen.[2] Allerdings ist es gemäss dieser Bestimmung verboten, eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Ländern vorzunehmen, in welchen die gleichen Bedingungen herrschen. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann zulässig, wenn ein «vernünftiger Zusammenhang» mit dem politischen Ziel einer Umweltmassnahme besteht. Im Fall von «Brazil – Retreaded Tyres» war dieser Zusammenhang beispielsweise nicht gegeben. Denn das von Brasilien mit der Ausnahme vom generellen Importverbot von runderneuerten Reifen aus Mercosur-Staaten angeblich verfolgte politische Ziel, Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu schützen, konnte mit dieser Massnahme vernünftigerweise nicht erreicht werden.[3]

Deshalb dürfte die Achillesferse des EU-CBAM unter den in Artikel XX Gatt genannten Voraussetzungen wohl der Ausschluss der impliziten CO2-Kosten aus dem vorgesehenen Anrechnungsmechanismus sein: Die EU gewährt nur dann einen Rabatt auf die CBAM-Gebühr, wenn ausländische Produzenten in den Herkunftsländern CO2-Preise im Rahmen von CO2-Preismechanismen (wie etwa Emissionshandel und CO2-Steuern) zahlen. Kosten, die aus nicht preislichen Massnahmen zur Emissionsminderung resultieren (wie z. B. Energiesteuern und Standards), kommen für die Gewährung eines Rabatts nicht infrage. Solche nicht preislichen Massnahmen können aber je nach Ausgestaltung zum Erreichen der mit dem CBAM verfolgten umweltpolitischen Ziele beitragen, weshalb deren grundsätzliche Nichtberücksichtigung durch die EU als ungerechtfertigte Diskriminierung zu sehen ist. Aus unserer Sicht wäre die EU deshalb gut beraten, den Beitrag nicht preislicher Massnahmen von Herkunftsländern im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls für die verursachten Kosten der Massnahmen in den Herkunftsländern einen Rabatt von der CBAM-Gebühr zu gewähren.

Die von den USA vorgeschlagene Stahl- und Aluminiumvereinbarung ihrerseits will den Zugang zum US- und zum EU-Markt von der Anwendung emissionsarmer Produktionsmethoden abhängig machen, die nicht auf «unfairen» Handelspraktiken basieren. Damit will sie Überkapazitäten und Preisunterbietung verhindern. Doch: Auch ein solches Fair-Trade-Kriterium dürfte sich nicht als Umweltmassnahme unter Artikel XX Gatt rechtfertigen lassen. Denn auch als unfair empfundene Handelspraktiken vermögen ihren Beitrag zur Dekarbonisierung von Industrieprozessen zu leisten. Zu denken ist etwa an den Export von CO2-armem Stahl durch ein hoch subventioniertes staatliches Unternehmen, welches klimafreundliche Technologie zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 zur Anwendung bringt.

G-7-Club hat zurzeit die besten Chancen

Der G-7-Klimaclub wird aus WTO-rechtlicher Sicht so lange kein Problem darstellen, wie er, was die Mitgliedschaft betrifft, offen ausgestaltet ist und für Nichtmitglieder keine Sanktionen vorsieht. Was den EU-CBAM betrifft, liesse sich dieser mit gewissen Nachbesserungen durchaus WTO-rechtskonform ausgestalten. Demgegenüber scheint uns die von den USA vorgeschlagene Stahl- und Aluminiumvereinbarung in ihrer heutigen Ausgestaltung einer Rechtfertigung unter Artikel XX Gatt nur schwer zugänglich zu sein. Für ein endgültiges Urteil ist es allerdings noch zu früh. Sicher ist: Der Teufel wird bei allen drei Mechanismen eindeutig im Detail liegen.

  1. Siehe Buchanan, James (1965). An Economic Theory of Clubs, Economica. New Series, 32 (125): 1–14. []
  2. Die in unserem Zusammenhang relevanten Ausnahmeklauseln sind Artikel XX (b) und Artikel XX (g) (Ausnahmen für Gesundheits- und Umweltmassnahmen). []
  3. Brazil – Measures Affecting Imports of Retreaded Tyres, DS332, Appellate Body Report, paras. 227–228. []

Zitiervorschlag: Ilaria Espa, Kateryna Holzer (2023). Sind Klimaclubs mit dem Welthandelsrecht vereinbar. Die Volkswirtschaft, 10. Oktober.