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Fachhochschulen punkten mit Praxisnähe

Mit ihren anwendungsnahen Forschungsprojekten tragen die Fachhochschulen zum Wissenstransfer in die Wirtschaft und in die Gesellschaft bei. Im Vergleich zu den Universitäten gelangen sie jedoch weniger leicht an öffentliche Fördergelder.
Absolventen von Fachhochschulen sind gefragt: Ingenieur im Neat-Tunnel. (Bild: Keystone)

Das Bundesgesetz über die Fachhochschulen bedeutete 1995 den Startschuss für die Fachhochschulen (FH), wie wir sie heute kennen.[1] Zunächst wurden dadurch die bereits bestehenden Institutionen wie Techniker- und Handelsschulen aufgewertet.[2] Anschliessend wurden «neue Fachbereiche» wie Soziale Arbeit, Gesundheit und Künste eingegliedert. Inzwischen haben sich alle sieben öffentlich-rechtlichen Fachhochschulen zu multisektoriellen, regional verankerten Anbietern entwickelt (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Fachhochschulen nach Regionen


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Anmerkung: In der Schweiz gibt es sieben öffentlich-rechtliche Fachhochschulen: Berner Fachhochschule (BFH), Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Fachhochschule Ostschweiz (FHO), Haute Ecole Spécialisée de Suisse Occidentale (HES-SO), Hochschule Luzern (HSLU), Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), Zürcher Fachhochschule (ZFH). Zusätzlich gibt es in Zürich die private Fachhochschule Kalaidos (FH KAL).


Quelle: Darstellung Lepori und Müller / Die Volkswirtschaft

In ihrem vierfachen Leistungsauftrag – Grundausbildung, Forschung, Weiterbildung und Dienstleistungen – sollen sich die Fachhochschulen klar von den Universitäten[3] unterscheiden. Verglichen mit anderen Ländern hat die Schweiz die spezifischen Profile der beiden Hochschultypen in den vergangenen 20 Jahren erfolgreich bewahrt – insbesondere hinsichtlich der Forschung.

Mit der Einführung des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes im Jahr 2015 änderte sich der gesetzliche und institutionelle Rahmen. Die Fachhochschulen gehören nun formal zu demselben Bildungssystem wie die Universitäten. Sie erhalten mehr Autonomie und müssen ihre Profile schärfen. Leitgedanke ist der Anspruch, ein austariertes Gleichgewicht zwischen gemeinsamen Regeln und unterschiedlichen Profilen zu etablieren. Zurzeit lässt sich noch nicht sagen, wie sich dieses neue Gesetz auf die Arbeitsteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen auswirkt. Wo stehen die Fachhochschulen heute, und welche Perspektiven lassen sich erkennen?

Ingenieur-Fachbereiche als Paradebeispiele


Ein erstes Ziel der Reform von 1995 war die Bereitstellung von adäquat ausgebildeten Fachkräften, namentlich auch für Forschung und Entwicklung (F&E). Die Aus- und Weiterbildung an den Fachhochschulen soll auf allen Stufen praxisorientiert, berufsqualifizierend und auf die Nachfrage auf den Arbeitsmärkten ausgerichtet sein. Die enge Bindung an die Berufspraxis wird bereits über die Zulassungs­bedingungen angestrebt: Für den Zugang zu einer Fachhochschule wird eine Berufsmatura oder – bei einer gymnasialen Matura – ein Praxisjahr in einem fachspezifischen Bereich verlangt.

Die Anzahl der Studenten ist bis 2014 auf über 60’000 stark gestiegen – darunter finden sich auch viele Spät- und Zweitstudierende. Studienabbrüche sind selten, der Regelabschluss ist ein Bachelor-Diplom.[4] Gemäss den Absolventenbefragungen des Bundesamts für Statistik (BFS) führt dieses Diplom in den meisten Fachbereichen zu einer dauerhaften Anstellung mit einem passenden Lohn. Die meisten Fachhochschuldiplome sind gut etabliert und werden vom Markt anerkannt. Namentlich in den Ingenieur-Fachbereichen kann die hohe Absorption durch den Arbeitsmarkt als Hinweis dafür gelten, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt: Es herrscht ein Fachkräftemangel.

Allerdings üben beinahe ein Drittel aller Bachelor-Absolventen fünf Jahre nach ihrem Abschluss eine Tätigkeit aus, die keinen formalen FH-Abschluss erfordern würde. Dies gilt besonders ausgeprägt für den Bereich Design und verweist zum einen auf unterschiedlich strukturierte Arbeitsmärkte. Zum anderen besteht bisweilen eine Konkurrenz durch Personen mit anderen Bildungsabschlüssen (beispielsweise Abschlüsse von höheren Fachschulen oder Weiterbildungsdiplome). Fachhochschulen sind überdies wichtige Anbieter von Weiterbildungen – namentlich die Nachdiplomstudiengänge Master of Advanced Studies (MAS) und Executive Master of Business Administration (EMBA) im Fachbereich Wirtschaft.

Praxisnahe Forschung als Erfolgsmodell


Ein zweites Ziel der Schaffung von Fachhochschulen waren die Förderung von anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung sowie der Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft und in die Gesellschaft. In den letzten zehn Jahren nahm die F&E markant zu und wurde auf alle Fachbereiche ausgeweitet. Allerdings bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede. So wurden 2013 über drei Viertel aller F&E-Ausgaben in Architektur, Technik, Chemie und Wirtschaft getätigt, während F&E in Fachbereichen wie Soziale Arbeit, Gesundheit oder Künste weiterhin im Aufbau ist (siehe Abbildungen 2 und 3).

Abb. 2: F&E-Ausgaben der Fachhochschulen nach Bereich (2004–2014)




Anmerkung: «Andere» beinhaltet Angewandte Psychologie, Angewandte Linguistik, Musik, Theater und andere Künste, Design, Land- und Forstwirtschaft sowie Architektur, Bau und Planungswesen.

Quelle: BFS, Darstellung Lepori und Müller / Die Volkswirtschaft

Abb. 3: Tätigkeit des Lehrpersonals nach Fachbereich (Anteil an gesamter Arbeitszeit; 2014)




Quelle: BFS, Darstellung Lepori und Müller / Die Volkswirtschaft

In den Ingenieur-Fachbereichen ist Forschung somit gut etabliert, und es bestehen viele Kooperationen mit Praxispartnern aus der Privatwirtschaft. Die Forschung ist hier grösstenteils auf konkrete Anwendungen ausgerichtet und wird zu einem grossen Teil durch Beiträge der Förderagentur für Innovation des Bundes (KTI) und mit privaten Drittmitteln finanziert. In dieser Hinsicht tragen die Fachhochschulen unmittelbar zur Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz bei. Bei den weiteren Fachbereichen ist die Zusammenarbeit mit Praxispartnern weniger gut dokumentiert.

Nebst anwendungsorientierter Forschung betreiben manche Fachhochschulen auch Grundlagenforschung. Dies gilt insbesondere für Fachbereiche, die an den Schweizer Universitäten kaum oder gar nicht vertreten sind – etwa Soziale Arbeit und Künste. Hier ist ein allfälliger ökonomischer Beitrag von Innovationen nur indirekt und mit zeitlicher Verzögerung erkennbar.

Die politische Anforderung, dass die Forschung an den Fachhochschulen grundsätzlich praxisnah ausgerichtet sein soll und im Wesentlichen aus Drittmitteln finanziert werden muss, bringt Finanzierungsprobleme mit sich: Erstens erhalten die Fachhochschulen aufgrund der definierten «Andersartigkeit» deutlich weniger Trägerbeiträge für Forschung und Entwicklung als die Universitäten, und zweitens ist der Zugang zu Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) erschwert.

Universitäten: Konkurrenten oder Partner?


Bei der (Bachelor-)Grundausbildung und bei der Weiterbildung stehen sich Fachhochschulen und Universitäten heute eher als Konkurrenten gegenüber, während sich bei der Ausbildung auf Masterstufe hinsichtlich des Promotionsstudiums und bei Forschungsprojekten neue Kooperationen abzeichnen.

Die Heterogenität der Fachbereiche zeigt sich auch in unterschiedlichen Beziehungen zwischen Fachhochschulen und Universitäten: In den Ingenieurabteilungen ist diese Beziehung vorwiegend komplementär, im Fachbereich Wirtschaft hingegen in mancher Hinsicht kompetitiv. Diejenigen Bereiche wiederum, die Grundlagenforschung betreiben, streben zur Förderung des Nachwuchses und der Reputation eigene «dritte Zyklen» bzw. Doktorate an.

Wertvoller Wissenstransfer


Praxisnahe Forschungsprojekte tragen zum Transfer von Wissen in Wirtschaft und Gesellschaft bei. Darüber hinaus erfolgt die Vernetzung über institutionelle Netzwerke wie Alumni-Organisationen und Weiterbildungen sowie in hohem Ausmass über persönliche Netzwerke.

Aufgrund der verlangten Praxisnähe verlaufen die Berufslaufbahnen der FH-Dozenten meist in einem Wechsel zwischen Fachhochschule, Universität und Praxis. Die meisten haben nur ein Teilpensum an den Fachhochschulen und arbeiten parallel dazu an anderen Schulen und in der Praxis.

Hervorzuheben ist die Bedeutung der Fachhochschulen für die Regionen: Vor allem bei den zwei grössten Fachbereichen Technik und Wirtschaft bestehen mehrere dezentrale Standorte und vielfältige Vernetzungen mit regionalen Unternehmen und Institutionen. Dazu gehören unter anderem die Fokussierung von Lehr- und Weiterbildungsangeboten auf die Nachfrage aus der Region, Praktikumsplätze für die Studierenden und gemeinsame Forschungsprojekte. Demgegenüber sind kleinere und spezialisierte Fachbereiche (namentlich Musik, Theater und Künste) und Vertiefungen (z. B. auch Ergotherapie oder Holztechnik) stärker national und international ausgerichtet.

Für die Diskussion der künftigen Entwicklung lassen sich folgende Fragen ableiten: Wie wird Forschung und Innovation in den verschiedenen Fachbereichen der Fachhochschulen definiert? Wie entwickeln und schärfen sich die Profile von Universitäten und Fachhochschulen in einem zunehmend dynamischen Spannungsfeld? Sollen und können sich die Bildungsangebote der Fachhochschulen stärker am Markt orientieren? Und: Wie gewährleistet man den Zugang zu den Ressourcen der Forschungsförderung?

  1. Bundesgesetz über die Fachhochschulen (FHSG) vom 6. Oktober 1995. []
  2. Dieser Artikel beruht auf einem Beitrag der Autoren zum Bericht «Forschung und Innovation in der Schweiz 2016», herausgegeben vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). []
  3. Das Schweizer Hochschulsystem unterscheidet zwischen drei Hochschultypen: Universitäre Hochschulen (inkl. der beiden ETH; in diesem Beitrag vereinfacht als «Universitäten» bezeichnet), Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen. []
  4. 180 ECTS-Punkte; Regelstudienzeit drei Jahre. []

Zitiervorschlag: Christoph Müller, Benedetto Lepori, (2016). Fachhochschulen punkten mit Praxisnähe. Die Volkswirtschaft, 27. April.