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Starker Franken hemmt Investitionen und Innovation

Schweizer Exportunternehmen haben wegen der Aufhebung des Mindestkurses 2015 die Investitionen und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Inland gedrosselt. Während kleinere Unternehmen ihre Investitionsprojekte zurückfuhren, lagerten grosse Industrieunternehmen ihre Investitionen teils auch ins Ausland aus.
Die Forschungsausgaben wären ohne Frankenschock stärker gewachsen. Holzbauforschung in Zürich. (Bild: Keystone)

Währungsschwankungen beeinflussen Umsätze und Gewinne von international ausgerichteten Firmen. In Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen im Ausland wertet sich der Franken teilweise deutlich auf, da er von den Finanzmärkten als «sicherer Hafen» wahrgenommen wird. Besonders heftig gewann er Anfang 2015 an Wert, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Kursuntergrenze zum Euro überraschend aufhob: Der reale Wechselkurs stieg um rund 15 Prozent.

Wie wirken sich solche Wechselkursschwankungen auf die Innovations- und Investitionstätigkeiten von Schweizer Unternehmen aus? Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben wir mögliche Zusammenhänge untersucht.[1] Dabei betrachteten wir auch die Auswirkungen auf die Produktivität – langfristig ist womöglich das Wirtschaftswachstum der Schweiz betroffen.

Wer mehr exportiert als importiert, gehört zu den Verlierern


Wechselkursaufwertungen treffen die Unternehmen äusserst unterschiedlich. Besonders belastend ist eine Frankenaufwertung für jene Firmen, die einen grossen Anteil der Erträge im Ausland erzielen. Eine Aufwertung beeinflusst aber auch Firmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen nur im Inland absetzen. Denn einerseits drängen ausländische Konkurrenten vermehrt auf den inländischen Markt, und andererseits kaufen Konsumenten häufiger im Ausland ein. Diese Zunahme an Importkonkurrenz spüren vor allem der grenznahe Detailhandel und Zulieferbetriebe.

Es gibt aber auch einen dritten, gegenläufigen Effekt: Wenn sich der Franken aufwertet, vergünstigen sich die Kosten von importierten Gütern und Dienstleistungen. Dies senkt die Produktionskosten von Firmen, die einen Grossteil ihrer Vorleistungen aus dem Ausland beziehen.[2]

Wie stark eine Aufwertung die Gewinne einer Firma – und damit möglicherweise ihre Innovations- und Investitionstätigkeit – beeinträchtigt, hängt somit entscheidend von der sogenannten Nettoexponiertheit gegenüber dem Ausland ab: dem Unterschied zwischen Exportanteil und Importanteil am Umsatz. Mit anderen Worten: Wer mehr exportiert als importiert, gehört zu den wahrscheinlichen Verlierern einer Aufwertung.

Exponierte Firmen fahren Investitionen herunter


Für unsere Analyse zu den Auswirkungen des Frankenschocks haben wir Firmen, bei denen die Exportanteile überwiegen, mit allen anderen verglichen. Anschliessend schätzten wir mithilfe der sogenannten Difference-in-Differences-Methode, wie sich die Investitionen dieser exportabhängigen Firmen entwickelt hätten, wenn der Frankenschock nicht stattgefunden hätte. Die Annahme dabei ist, dass sich die Investitionen in den beiden Gruppen ohne Frankenschock gleich verändert hätten (siehe Abbildung). Als Datengrundlage dienten die KOF-Investitionserhebungen zwischen Herbst 2011 und Frühling 2017 – eine repräsentative Stichprobe von rund 5000 Unternehmen des sekundären und des tertiären Sektors.[3]

Durchschnittliche Investitionen nach Unternehmenstyp (2012–2016)




Anmerkung: Dargestellt ist die durchschnittliche Entwicklung der realisierten logarithmierten Bau- und Ausrüstungsinvestitionen in Abhängigkeit der Nettoexponiertheit einer Firma. Zur besseren Vergleichbarkeit der Reihen wurden die Daten normalisiert. Dazu wurde zunächst für jede Firma die Höhe der durchschnittlichen Investitionen über die betrachtete Zeitperiode berechnet und dieser Durchschnitt dann von jeder Beobachtung abgezogen.

Quelle: KOF-Investitionserhebungen / Die Volkswirtschaft


Die Analyse zeigt: Zwischen 2012 und 2014, als die meisten realen Wechselkurse wegen der Untergrenze praktisch konstant waren, entwickelten sich die durchschnittlichen Investitionen bei beiden Unternehmenstypen zunächst ähnlich. Im Jahr des Frankenschocks hingegen nahmen die Investitionen von Firmen mit positiver Nettoexponiertheit sprunghaft ab – eine Entwicklung, die in den restlichen Firmen nicht beobachtet wird. Auf Basis dieser Beobachtungen schätzen wir, dass der Frankenschock die Investitionen von Firmen mit positiver Nettoexponiertheit 2015 und 2016 im Durchschnitt um rund 12 bis 15 Prozent senkte.

Exponierte Firmen fuhren sowohl die Investitionen in Bau und Ausrüstung wie auch in Forschung und Entwicklung (F&E) zurück. Stark betroffen waren insbesondere mittlere und grosse Investitionsprojekte kleiner und mittelgrosser Firmen. Der Hauptgrund dafür scheint der Mangel an finanziellen Mitteln für Investitionen zu sein. Bei grossen und international tätigen Industrieunternehmen bewirkte der Frankenschock zudem eine verstärkte Verlagerung der Investitionstätigkeit ins Ausland.

F&E-Ausgaben reagieren empfindlich


In einem weiteren Schritt haben wir Daten der KOF-Innovationsumfrage der Jahre 1995­ bis 2015 analysiert, wobei die Stichproben je nach Analyse zwischen 600 und 1500 Industrieunternehmen umfassten.[4] Hier zeigte sich, dass ein Grossteil der F&E-treibenden Firmen in der Schweiz eine positive Nettoexponiertheit aufweist. Da die Frankenaufwertung deren Erträge drückte, zeigen unsere Schätzungen, dass diese Firmen die F&E-Ausgaben erheblich reduzierten (siehe Tabelle). Unternehmen mit einer durchschnittlichen Nettoexponiertheit senken ihre F&E-Ausgaben beispielsweise um 17 Prozent, wenn sich der Franken um 10 Prozent aufwertet. Das heisst: Das Wachstum der F&E-Ausgaben in der Schweiz wäre in den letzten Jahren höher ausgefallen, wenn der Frankenschock nicht stattgefunden hätte.

Wechselkurselastizitäten für durchschnittlich exponierte Firmen





F&E-Ausgaben Kostenreduktion (ja/nein) Produktivität (TFP)
Realer effektiver Wechselkurs –1,725a (0,823) 0,013b (0,003) –0,228a (0,088)


aSignifikanzniveau  p<0,05

bSignifikanzniveau  p<0,01

Anmerkung: Die Tabelle zeigt die Elastizitäten zwischen dem real effektiven Wechselkurs und den drei firmenspezifischen abhängigen Variablen F&E-Ausgaben, Kostenreduktionen und Multifaktorproduktivität (TFP). Die gezeigten Elastizitäten gelten für Firmen mit einer durchschnittlichen Nettoexponiertheit. Robuste Standardfehler sind in Klammern angegeben.

Lesehilfe: Eine Aufwertung von 1 Prozent führt im Durchschnitt zu einer Reduktion der F&E-Ausgaben von 1,7 Prozent, zu einer um 1,3 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit von Kostenreduktionen und zu einer Abnahme der Multifaktorproduktivität um –0,23 Prozent.

Quelle: Kaiser et al. (2017), KOF-Innovationsumfragen.

Während der negative Aufwertungseffekt bei international exponierten, F&E-intensiven Firmen besonders stark auftrat, gab es auch gewisse Firmensegmente, die ihre F&E-Ausgaben sogar leicht erhöhten. Dazu gehören einerseits Unternehmen mit beträchtlichen finanziellen Ressourcen und hohen Gewinnmargen und andererseits kleinere, F&E-intensive «Nischenfirmen», die weniger stark international exponiert sind und relativ geringem Preiswettbewerb ausgesetzt sind. Haben diese Nischenfirmen freie Kapazitäten, scheint eine Aufwertung aufgrund des gestiegenen Wettbewerbsdrucks zusätzliche F&E-Ausgaben auszulösen.

Die Produktivität sinkt – kurzfristig


In weiteren Analysen stellten wir einen positiven Effekt von Aufwertungen auf das «Kostenbewusstsein» der Firmen fest. Bei einer Aufwertung um 10 Prozent steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Firmen durch die Einführung von innovativen Produktionstechnologien Kosteneinsparungen vornehmen (siehe Tabelle).

Wie sich Aufwertungen langfristig auf die Produktivität auswirken, bleibt unklar. Der Grund: Während niedrigere F&E-Ausgaben die Produktivität mittelfristig verringern, erhöhen Kosteneinsparungen die Produktivität tendenziell. Empirisch zeigt sich aber zumindest in der kurzen Frist ein negativer Einfluss: Eine Aufwertung um 10 Prozent verringert die Arbeitsproduktivität (Wertschöpfung pro Vollzeitäquivalent) der Unternehmen im Schnitt um 1,3 Prozent und die Multifaktorproduktivität um 2,3 Prozent.

Standortattraktivität leidet


Insgesamt zeigen unsere Untersuchungen, dass Frankenaufwertungen sowohl Investitionen wie auch F&E-Ausgaben in exponierten Firmen kurzfristig stark belasten. Mittelfristig dürfte die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Firmen darunter leiden.

Der negative Effekt von Aufwertungen auf F&E-Ausgaben zeigt sich vor allem bei grossen, international exponierten Firmen. Da dieses Firmensegment von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, könnten längere Aufwertungsphasen somit die Attraktivität des Standorts Schweiz beeinträchtigen. Da insbesondere das verarbeitende Gewerbe überdurchschnittlich exponiert ist, dürften längere Aufwertungsphasen zudem die Deindustrialisierung beschleunigen.

  1. Kaiser et al. (2017). []
  2. Vgl. Beitrag von Egger, Shinghal und Schwarzer in dieser Ausgabe. []
  3. Abrufbar unter Kof.ethz.ch []
  4. Abrufbar unter Kof.ethz.ch []

Literaturverzeichnis

Kaiser, B., M. Siegenthaler, A. Spescha und M. Wörter (2017). The Impact of Real Exchange Rates on Swiss Firms: Innovation, Investment, Productivity and Business Demography, im Auftrag des Seco, B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung und KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH.


Bibliographie

Kaiser, B., M. Siegenthaler, A. Spescha und M. Wörter (2017). The Impact of Real Exchange Rates on Swiss Firms: Innovation, Investment, Productivity and Business Demography, im Auftrag des Seco, B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung und KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH.

Zitiervorschlag: Boris Kaiser, Michael Siegenthaler, Andrin Spescha, Martin Wörter, (2017). Starker Franken hemmt Investitionen und Innovation. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.