Suche

Abo

Die Banken in der Eurokrise

Sowohl für die Entstehung als auch für die Ausbreitung der Schuldenkrise im Euroraum sind Banken von entscheidender Bedeutung. Ohne die unzureichende Kapitalisierung vieler systemisch relevanter Institute und die weitverzweigten, finanziellen Verflechtungen von Banken und Staaten sowie von Banken untereinander sind die Dimensionen der Eurokrise nicht zu erklären. Reformen des Bankenwesens stellen daher einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg aus der Krise dar.

Gut zwei Jahre nach den ersten Meldungen eines überraschenden, ja untragbaren Defizits in Griechenland bleibt das europäische Finanzsystem schwer angeschlagen: Die Stabilität des Bankensektors wird hinterfragt. Zahlreiche Banken sind faktisch vom Interbankenmarkt ausgeschlossen und müssen sich über das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) refinanzieren. Sogar einst als unumstösslich geltende Kernländer der Eurozone geraten unter Druck. Ausgehend von erheblichen Schieflagen in den Staatshaushalten von Ländern an der Peripherie der Eurozone – zuerst in Griechenland, danach in Irland und in Portugal – hat sich eine Schuldenkrise für die gesamte Eurozone entwickelt. Die Krise hat dabei zu tiefgreifenden Veränderungen in den Institutionen und der Gouvernanz in der Eurozone geführt. Die Einführung von Rettungsschirmen zur Stabilisierung der Währungsunion, die Anpassungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt oder die Hinwendung zur verstärkten Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik sind nur einige Beispiele von den unter dem Druck der Finanzmärkte vorangebrachten Reformen.

Wie konnte es dazu kommen?


Die peripheren Eurostaaten werden in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als Ursache der Krise ausgemacht. Dabei stehen Ausmass und Auswirkungen der Krise im scharfen Gegensatz zur wirtschaftlichen Grösse dieser Staaten: Sowohl Griechenland als auch Irland und Portugal sind – gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung – eher Zwerge in der Eurozone (siehe Tabelle 1). Das Bruttoinlandprodukt (BIP) Portugals machte 2010 lediglich 1,9% des BIP der gesamten Eurozone aus, im Fall Irlands gar nur 1,7%. Auch das am stärksten unter Druck geratene Griechenland ist mit einem Anteil von 2,5% am BIP der gesamten Eurozone eine kleine Volkswirtschaft. Es drängt sich daher die Frage auf, wie es möglich ist, dass das Schicksal dieser kleinen Volkswirtschaften den gesamten europäischen Wirtschaftsraum, ja gar die globale Wirtschaft in Atem halten können. Der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage liegt in vielfältigen und weitverzweigten finanziellen Verflechtungen, in denen Banken eine zentrale Rolle spielen.

Banken und Staaten sind eng verwoben

Die nationale Dimension


Viele Staaten der Eurozone sind mit den jeweils in ihnen domizilierten Banken finanziell eng verbunden. Zum einen halten viele dieser Banken grosse Bestände an Staatsanleihen ihres Domizilstaats. So betrugen gemäss den Stresstests der European Banking Authority (EBA) Ende 2010 die Forderungen der grössten griechischen Geschäftsbanken gegenüber dem griechischen Staat rund 54 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Auch in Italien besitzen inländische Banken substanzielle Forderungen gegenüber dem eigenen Staat. Ende 2010 betrugen diese gemäss EBA ca. 165 Mrd. Euro. Gleichzeitig bestehen für viele dieser Finanzinstitute – insbesondere für die grossen, international tätigen Banken – explizite oder implizite Garantien der jeweiligen Heimatstaaten. Diese Verzahnung von Staat und inländischen Banken ist problematisch, weil sie das Risiko einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale birgt.Folgendes Beispiel illustriert den möglichen Teufelskreis: Finanzielle Schwierigkeiten bei einer Bank veranlassen den Staat zu kostspieligen Interventionen, wodurch sich dessen finanzielle Situation verschlechtert. Als Folge davon können Zweifel ob der Bonität des Staates – womöglich bestärkt durch eine Herabstufung des Kreditratings – aufkommen, so dass die Risikoprämien auf Anleihen dieses Staates ansteigen, was deren Wert vermindert. Dadurch verschlechtert sich wiederum die Finanzlage der Bank, weil sie Verluste auf die von ihr gehaltenen Staatsanleihen hinnehmen muss.
Rein buchhalterisch würde sich ein solcher Verlust v.a. dann auswirken, wenn die Staatsanleihen von der Bank zu Handelszwecken gehalten wird. Hält die Bank hingegen die Anleihe bis zur Fälligkeit, ist sie nach gängigen Buchhaltungsregeln nur bei bereits feststehenden Verlusten gezwungen, Wertberichtigungen vorzunehmen. Aus ökonomischer Betrachtungsweise findet jedoch in jedem Fall ein Wertverlust statt, da die Anleihe einen tieferen Wiederverkaufs-/Marktwert aufweist. Dies führt zur erneuten staatlichen Stützung – das «Spiel» beginnt von vorn. Dieser Teufelskreis lässt sich bis zum Bankrott von Staat und Banken fortschreiben. Auslöser können dabei sowohl die Banken (z.B. übermässige Risikonahme) als auch der Staat (z.B. übermässige Defizite) oder beide Seiten gleichzeitig sein.Über Jahre hatte die oben beschriebene riskante Konstellation zwischen inländischen Banken und Staat in vielen Euroländern Bestand, ohne dass grössere Probleme auftraten. Die Banken galten – nicht zuletzt wegen der Annahme staatlicher Garantien – als sicher, und die Staatsfinanzen waren entweder tatsächlich gesund oder wurden aus verschiedenen Gründen – sei es wegen Fehlinformationen, Fehleinschätzungen oder in Antizipation einer letztlichen Rettung durch die anderen Euroländer – als unproblematisch erachtet. Im Zuge der Finanzkrise änderte sich dies drastisch. Banken mussten mit staatlichen Mitteln vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden, und die Finanzen vieler Staaten verschlechterten sich wegen ebendieser Bankenrettungen sowie der jäh einsetzenden Rezession.Ein besonders frappierendes Beispiel für diese Entwicklung liefert Irland: 2007 wies der irische Staat gemäss Eurostat eine Verschuldung von lediglich rund 25% des BIP auf (Schweiz 2007: 43% gemäss Maastricht-Kriterien), und die Banken waren profitabel. Aufgrund der Finanzkrise und dem dadurch ausgelösten Platzen einer gewaltigen Immobilienblase in Irland gerieten die Banken jedoch in unmittelbare Insolvenzgefahr, worauf der Staat umfangreiche Garantien zu deren Gunsten aussprach. In der Folge explodierte die Staatsverschuldung: 2010 betrug diese gemäss Eurostat bereits 96% des BIP. Die Bonität des irischen Staates wurde massiv herabgestuft, und die Banken konnten die von ihnen gehaltenen Staatsanleihen kaum mehr als Sicherheiten bei der Finanzierung am Markt einsetzen. Internationale Rettungspakete sowie die Unterstützung für Banken bei der Refinanzierung durch das ESZB waren erforderlich, um einen sofortigen Zusammenbruch des Bankensektors und des Staates zu verhindern.Schlüsselelemente des beschriebenen Teufelskreises sind die hohe Verschuldung der Banken und das sogenannte Too-big-to-fail-Problem (TBTF). Der hohe Grad an Fremdfinanzierung erlaubt den Banken, auch mit wenig Eigenkapitalunterlegung erhebliche Aktiven zu erwerben. Treten dann bei vermeintlich sicheren Aktiven wie Staatsanleihen bedeutende Verluste auf, ist die Eigenkapitalbasis der Banken schnell verbraucht. Gleichzeitig übernehmen einige Banken jedoch derart wichtige Funktionen für eine Volkswirtschaft bzw. für das Finanzsystem, dass ihr Ausfall nicht verkraftbar wäre. Diese Banken gelten als TBTF, da die von ihnen erbrachten systemrelevanten Funktionen nicht innerhalb einer vertretbaren Frist substituiert werden können. Bestehen keine Mechanismen, die den Erhalt dieser Funktionen gewährleisten könnten, ist der Staat faktisch zur Rettung dieser Banken gezwungen, selbst wenn die Rettung den Staat finanziell zu überfordern droht.

Die grenzüberschreitende Dimension


Der beschriebene Teufelskreis erklärt, weshalb sich nationale Bankensysteme und ihre Heimatstaaten gegenseitig in finanzielle Bedrängnis bringen können. Wieso aber stellt eine Bankenkrise in Irland eine Gefahr für andere Staaten dar? Die Gefahr einer internationalen Ansteckung rührt zum einen daher, dass Anleihen eines Staates zumeist auch von ausländischen Banken gehalten werden. Folglich schlagen sich direkte Verluste durch Wertänderungen dieser Anleihen nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen Banken nieder. Diese Verflechtung zwischen Staaten und ausländischen Banken ist in Europa stark ausgeprägt. So hielten gemäss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) französische und deutsche Banken Ende des 2. Quartals 2011 Bruttobilanzforderungen gegenüber dem griechischen Staat von rund 10,5 Mrd. US-Dollar resp. 12,5 Mrd. US-Dollar. Dabei sind einzelne Institute – wie etwa die belgisch-französisch-luxemburgische Dexia
Am 10.10.2011 haben die an Dexia beteiligten Regierungen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs entschieden, dass der Konzern entlang der nationalen Grenzen aufgespalten und teilweise verstaatlicht wird. Einige Aktivitäten der Bank werden verkauft. Die Risikopapiere im Umfang von 90 Mrd. Euro werden in eine sogenannte «Bad Bank» ausgelagert und mit staatlichen Garantien über zehn Jahre abgesichert. – mit Ausständen von ca. 3,5 Mrd. Euro bei einem Tier-1-Eigenkapital von rund 14,5 Mrd. Euro (Juni 2011) massiv exponiert.Zum anderen bestehen – neben den Verbindungen zwischen Banken und Staaten – auch Verbindungen zwischen den Bankensektoren verschiedener Länder. So besassen beispielsweise Banken aus Deutschland und aus dem Vereinigten Königreich gemäss BIZ im 2. Quartal 2011 Bilanzforderungen gegenüber irischen Banken von brutto rund 21 Mrd. resp. 17 Mrd. US-Dollar. Grafik 1 vermittelt ein partielles Bild der internationalen Finanzverflechtungen.Über diese Bilanzforderungen hinaus bestehen auch finanzielle Verknüpfungen zwischen den Bankensektoren aufgrund von Beteiligungen. Die schwer angeschlagene Emporiki, die fünftgrösste Bank Griechenlands mit Ausleihungen von ca. 22 Mrd. Euro, ist fast zu 100% im Besitz der französischen Crédit Agricole (CA). Daher ist die CA, welche Tier-1-Eigenkapital in Höhe von ca. 60 Mrd. Euro (Juni 2011) besitzt, gegenüber Griechenland stark exponiert, auch wenn sie nur rund 650 Mio. Euro an griechischen Staatsanleihen hält.Der Ausfall eines Staates birgt somit die Gefahr einer unkalkulierbaren Kettenreaktion: Zuerst trifft es den nationalen Bankensektor und einzelne ausländische Banken. Die Schieflage dieser Banken destabilisiert wiederum weitere Bankensektoren in anderen Ländern usw. Verstärkt wird dieser Prozess dadurch, dass sich angeschlagene Banken zumeist nicht mehr oder nur noch prohibitiv teuer am Interbankenmarkt refinanzieren können, da deren Rückzahlungsfähigkeit angezweifelt wird – so geschehen in Griechenland, Irland und Portugal, wo Banken auf Liquiditätshilfe durch das ESZB existenziell angewiesen sind, sowie zunehmend auch in Spanien und Italien. Letztlich sehen sich die Staaten mit einem Flächenbrand konfrontiert, dessen Ausmass die finanzielle Kapazität selbst grosser Staaten übersteigen könnte. Die bestehenden Verlustrisiken und die finanziellen Verflechtungen werden zudem durch das Halten von derivativen Finanzinstrumenten – wie etwa Absicherungen gegen Kreditausfälle (Credit Default Swaps, CDS) von Staaten und Banken – noch akzentuiert (siehe Kasten 2

Credit Default Swaps


Credit Default Swaps (CDS) sind Kreditderivate, mit welchen Verlustrisiken aus einem Zahlungsausfall – etwa eines Staates oder einer Bank – abgesichert werden können. Die Funktionsweise von CDS ähnelt derjenigen eines Versicherungsvertrages: Der Sicherungsnehmer erkauft sich mit periodischen Prämienzahlung sowie oftmals einer anfänglichen Gebühr (Upfront) das Recht auf eine Ausgleichszahlung im Fall eines im Voraus festgelegten Kreditereignisses wie beispielsweise einer nicht fristgerechten Bedienung einer Anleihe. Umgekehrt empfängt der Sicherungsgeber die Prämienzahlungen sowie den Upfront und leistet bei einem Kreditereignis die Ausgleichszahlung.Für den aktuellen Fall der Schuldenkrise im Euroraum sind diese prinzipiell sinnvollen Sicherungsinstrumente aus zweierlei Gründen von Belang:− Einerseits erhöhen CDS potenziell die Verluste, welche beispielsweise bei einem Staatsbankrott entstehen. Im Unterschied zu klassischen Versicherungsverträgen besteht keine Begrenzung der insgesamt durch CDS zu versichernden Summe in Höhe des zugrundeliegenden Vermögenswerts. Salopp ausgedrückt erlauben CDS eine Überversicherung. Als Folge davon können etwa bei einem Staatsbankrott die insgesamt fälligen Zahlungen deutlich höher ausfallen als die Schulden eines insolventen Staates. Diese CDS-Ausgleichzahlungen kompensieren dabei nicht automatisch die Verluste der Anleihengläubiger, sondern führen unter Umständen zu Einkünften an dritter Stelle. Grund dafür ist, dass bei einem CDS dem Sicherungsnehmer – ebenfalls im Unterschied zu einer klassischen Versicherung – kein Schaden entstanden sein muss, um einen Anspruch geltend machen zu können. Somit können auch Akteure als CDSSicherungsnehmer eines Staates auftreten, welche gegenüber diesem Staat gar keine Ausstände aufweisen.− Andererseits führen CDS zu einer noch weiter verzweigten Verflechtung auf den Finanzmärkten, da verschiedenste Finanzinstitute – Banken, Versicherungen etc. – als Sicherungsgeber am Markt aktiv sind. Daher entstehen z.B. bei einem Staatsbankrott nicht nur den unmittelbaren Anleihengläubigern des zahlungsunfähigen Staates, sondern auch weiteren als Sicherungsgeber auftretenden Instituten Verluste.

). Wie gross die durch CDS entstehenden Risiken für einzelne Banken bei einem Zahlungsausfall eines bestimmten Staates oder einer anderen Bank sind, kann allerdings kaum beziffert werden, da keine Zusammenführung der Daten für den CDS-Handel erfolgt. Dies liegt unter anderem daran, dass viele CDS bilateral und ausserbörslich – sogenannt Over the Counter (OTC) – gehandelt werden. Für die Marktteilnehmer, aber auch für die Aufsichtsbehörden sind die Folgen eines Ausfalls somit kaum abzuschätzen. Diese Unsicherheit über die Risikopositionen von Banken kann zu Bedenken hinsichtlich Rückzahlungsfähigkeit einzelner Institute führen und damit zur obenerwähnten Kreditverknappung am Interbankenmarkt beitragen.

Wege aus der Krise


Summarisch lässt sich festhalten, dass eine Kombination aus unterkapitalisierten Banken, dem TBTF-Problem sowie starken nationalen und internationalen Finanzverflechtungen für die Entstehung und Ausbreitung der Schuldenkrise essenziell war und ist. Auf der Suche nach Auswegen aus der gegenwärtigen Krise sowie nach Prophylaxen für künftige Krisen setzen daher aktuelle Reformen – abgesehen von der unerlässlichen, nachhaltigen Sanierung der Staatshaushalte, auf welche in diesem Artikel nicht eingegangen wird – unter anderem an folgenden Punkten an: − Durch verschärfte Kapital- und Liquiditätsvorschriften – etwa im Rahmen von Initiativen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel III) oder des Financial Stability Boards (FSB) – werden insbesondere die Bankbilanzen von systemisch relevanten Instituten mittelfristig gestärkt, um damit die Schockresistenz des Finanzsystems zu erhöhen.− Mit den vielerorts durchgeführten Stresstests und den daraus abgeleiteten Massnahmen werden ebenfalls Schwächen bei den Kapitalpolstern aufgedeckt und eliminiert. Darüber hinaus führen diese Stresstests durch die Erhebung umfassender Daten zu mehr Transparenz bezüglich der finanziellen Verpflichtungen von Banken, was Unsicherheit abbaut. Im Fall der Finanzverflechtungen ist dies das primäre Ziel, da Verbote schwierig umzusetzen wären und auch zum Verlust von Diversifizierungsvorteilen führen könnten.− Zur Lösung des TBTF-Problems sehen viele Reformvorhaben – nebst den erwähnten höheren Kapital- und Liquiditätserfordernissen – auch organisatorische Vorkehrungen vor. Dank diesen soll es im Notfall möglich sein, systemrelevante Teile von Banken herauszulösen und weiter zu betreiben, während die übrigen Teile in ein geordnetes Konkursverfahren überführt werden. Passend dazu werden vielerorts auch Änderungen am Bankeninsolvenzrecht angestrebt.Grundsätzlich sind die Stossrichtungen der genannten Reformen zielführend und sinnvoll. Damit die Reformbemühungen in der Praxis ihre gewünschte Wirkung entfalten können, ist es nun notwendig, durchdachte, konkrete Massnahmen zu formulieren und diese vor allem rasch und konsequent umzusetzen. Denn wie sagte schon Erich Kästner: «Es gibt nichts Gutes ausser: Man tut es.»

Grafik 1: «Forderungen von Banken gegenüber anderen Ländern (Staaten und Banken), 2011»

Tabelle 1: «Statistischer Überblick: Periphere Euroländer und gesamte Eurozone, 2010»

Kasten 1: Wo stehen die Schweizer Banken?

Wo stehen die Schweizer Banken?


Die Banken in der Schweiz halten gegenüber den angeschlagenen Eurostaaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien, den sogenannten GIPS-Staaten) und den dort ansässigen Banken Bruttoforderungen in Höhe von rund 35 Mrd. US-Dollar (BIZ, 2. Quartal 2011). Ein Grossteil dieser Forderungen wird durch die Grossbanken und Auslandsbanken in der Schweiz gehalten. Kleinere und mittlere Schweizer Banken sind gegenüber GIPS-Ländern kaum direkt exponiert. Mit gut 15 Mrd. US-Dollar resp. 12,5 Mrd. US-Dollar machen die Ausstände gegenüber Italien und Spanien den Löwenanteil aus. Die Forderungen gegenüber den peripheren Ländern Irland (4,5 Mrd. US-Dollar), Portugal (1,5 Mrd. US-Dollar) und Griechenland (1,5 Mrd. US-Dollar) sind hingegen vergleichsweise gering. Nebst diesen Bilanzforderungen bestehen für Schweizer Banken gegenüber den GIPS-Ländern weitere potenzielle Forderungen aus Derivaten, Garantien und Kreditzusagen im Umfang von rund 31 Mrd. US-Dollar). Italien ist erneut Spitzenreiter in dieser Gruppe (16 Mrd. US-Dollar), gefolgt von Spanien (7 Mrd. US-Dollar), Irland (5 Mrd. US-Dollar), Griechenland (1,5 Mrd. US-Dollar) und Portugal (1 Mrd. US-Dollar). Diese potenziellen Guthaben bestehen allerdings nicht nur gegenüber Staaten und Banken, sondern gegenüber allen Sektoren in den jeweiligen Volkswirtschaften. Eine Aufschlüsselung nach einzelnen Sektoren nimmt die BIZ für diese Forderungskategorie nicht vor.An den gesamten Bilanzforderungen der Schweizer Banken gegenüber den Staaten und Bankensektoren anderer BIZ-Mitgliedsländer machen die entsprechenden Ausstände gegenüber den GIPS nur rund 4,1% aus. In ähnlicher Grössenordnung befindet sich auch der entsprechende Anteil der potenziellen bzw. nicht bilanzierten Forderungen (3,7%). Die BIZ-Zahlen entspringen einer buchhalterischen Optik und vernachlässigen gewisse Verrechnungsmöglichkeiten für Forderungen der Banken. Werden solche Saldierungen einbezogen, verringern sich die Ausstände der Schweizer Banken. Bei Berücksichtigung der Risikoabsicherungsinstrumente der Banken reduzieren sich diese potenziell gefährdeten Guthaben weiter. Insgesamt ist die direkte Exposure der Schweizer Banken gegenüber den GIPS-Ländern daher als moderat einzustufen.Das geringe Gewicht dieser Risikopositionen im Verhältnis zu den gesamten Auslandsforderungen darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Exposure im Verhältnis zu den Eigenmitteln der Institute erheblich ist. Die Tier-1 Eigenmittel etwa der Credit Suisse und der UBS betragen rund 37 Mrd. (Juni 2011) resp. 38 Mrd. Franken (September 2011). Zudem berücksichtigen die erwähnten Risikopositionen nur mögliche direkte, jedoch keine indirekten Verluste eines Zahlungsausfalls, welche sich aus der Verbreitung der Krise auf andere Staaten ergeben könnten. Solche Ansteckungseffekte stellen aufgrund der beschriebenen Verflechtung im Bankensektor ein ernstzunehmendes Risiko dar. Zudem können sich weitere Risiken (z.B. Wechselkursrisiken im Zuge einer starken Abwertung des Euro) auf schwer abzuschätzende Weise in den Bilanzen der Banken niederschlagen. Schliesslich ist auch ungewiss, ob Risikominderungsinstrumente im Falle einer Systemkrise vollumfänglich greifen würden.

Kasten 2: Credit Default Swaps

Credit Default Swaps


Credit Default Swaps (CDS) sind Kreditderivate, mit welchen Verlustrisiken aus einem Zahlungsausfall – etwa eines Staates oder einer Bank – abgesichert werden können. Die Funktionsweise von CDS ähnelt derjenigen eines Versicherungsvertrages: Der Sicherungsnehmer erkauft sich mit periodischen Prämienzahlung sowie oftmals einer anfänglichen Gebühr (Upfront) das Recht auf eine Ausgleichszahlung im Fall eines im Voraus festgelegten Kreditereignisses wie beispielsweise einer nicht fristgerechten Bedienung einer Anleihe. Umgekehrt empfängt der Sicherungsgeber die Prämienzahlungen sowie den Upfront und leistet bei einem Kreditereignis die Ausgleichszahlung.Für den aktuellen Fall der Schuldenkrise im Euroraum sind diese prinzipiell sinnvollen Sicherungsinstrumente aus zweierlei Gründen von Belang:− Einerseits erhöhen CDS potenziell die Verluste, welche beispielsweise bei einem Staatsbankrott entstehen. Im Unterschied zu klassischen Versicherungsverträgen besteht keine Begrenzung der insgesamt durch CDS zu versichernden Summe in Höhe des zugrundeliegenden Vermögenswerts. Salopp ausgedrückt erlauben CDS eine Überversicherung. Als Folge davon können etwa bei einem Staatsbankrott die insgesamt fälligen Zahlungen deutlich höher ausfallen als die Schulden eines insolventen Staates. Diese CDS-Ausgleichzahlungen kompensieren dabei nicht automatisch die Verluste der Anleihengläubiger, sondern führen unter Umständen zu Einkünften an dritter Stelle. Grund dafür ist, dass bei einem CDS dem Sicherungsnehmer – ebenfalls im Unterschied zu einer klassischen Versicherung – kein Schaden entstanden sein muss, um einen Anspruch geltend machen zu können. Somit können auch Akteure als CDSSicherungsnehmer eines Staates auftreten, welche gegenüber diesem Staat gar keine Ausstände aufweisen.− Andererseits führen CDS zu einer noch weiter verzweigten Verflechtung auf den Finanzmärkten, da verschiedenste Finanzinstitute – Banken, Versicherungen etc. – als Sicherungsgeber am Markt aktiv sind. Daher entstehen z.B. bei einem Staatsbankrott nicht nur den unmittelbaren Anleihengläubigern des zahlungsunfähigen Staates, sondern auch weiteren als Sicherungsgeber auftretenden Instituten Verluste.

Zitiervorschlag: Juerg Adamek, Ulf Lewrick, (2011). Die Banken in der Eurokrise. Die Volkswirtschaft, 01. November.