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Wie effiziente Regulierung gelingen kann

Regulierungen zum Schutz der Umwelt sollen wirksam und effizient sein. Zudem sollen sie Umgehungsmöglichkeiten verhindern und Innovation nicht behindern. Was bei der Wahl und Ausgestaltung von Regulierungsinstrumenten beachtet werden muss, zeigt ein neuer Regulierungsleitfaden.
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Der Verlust von Biodiversität kann verhindert werden: Mit wirksamer und effizienter Regulierung. (Bild: Keystone)

Klimawandel, Luftverschmutzung und der Verlust von Biodiversität – das sind aktuell heiss diskutierte Probleme im Umweltbereich. Um solche und andere auf Marktversagen zurückzuführende Umweltprobleme zu lösen, greift der Staat auf unterschiedlichste Regulierungsinstrumente zurück. Dabei wird der Wirksamkeit und der Effizienz solcher Massnahmen oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Ökonomen plädieren deshalb grundsätzlich für Lösungen, die Umweltprobleme über den Preismechanismus angehen. Beispiele dafür sind Steuern oder die Vergabe von handelbaren Nutzungsrechten. Denn zumindest in der Theorie führen diese marktwirtschaftlichen Instrumente dazu, dass die Verursachenden die Kosten ihrer Schäden tragen.

Marktwirtschaftliche Instrumente schwierig umzusetzen

In der Praxis sind marktwirtschaftliche Instrumente aber oft schwierig umzusetzen, beispielsweise weil manche dafür benötigten Informationen fehlen. Deswegen lassen sich die ökonomisch effizienten Preise und Mengen von Umweltgütern in der Regel nicht genau bestimmen. Eine weitere Herausforderung sind grenzüberschreitende und globale Umweltprobleme. Diese gehen per Definition über den Geltungsbereich von nationalen Regulierungen hinaus. Auch kann die Umsetzung marktwirtschaftlicher Instrumente am Widerstand der nationalen Politik scheitern.

Die in der Schweiz am häufigsten eingesetzten Massnahmen sind denn auch nicht marktwirtschaftlicher Art, sondern Subventionen, die per Definition nicht dazu führen, dass Verursachende für ihre Schäden aufkommen (siehe Abbildung 1). Stattdessen wird der Umstieg auf umweltfreundlichere Alternativen durch den Staat finanziell gefördert. Ein Beispiel dafür sind etwa Fördergelder für nachhaltige Heizungssanierungen, die von manchen Kantonen ausgerichtet werden.

Seltener kommen freiwillige Ansätze zur Anwendung, worunter die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Verpflichtungen von Unternehmen oder Industrien versteht, mit ihren Umweltbemühungen über die gesetzlichen Vorgaben hinauszugehen. Auch handelbare Genehmigungen, die unter anderem zur Zuteilung von Emissionen und knappen Ressourcen oder Ausbeutungsrechten verwendet werden, kommen in der Schweiz kaum zu Einsatz.

Abb. 1: Subventionen waren gemäss der OECD im Jahr 2024 in der Schweiz die am häufigsten eingesetzten Regulierungsinstrumente im Umweltbereich

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: Die «Policy Instruments for the Environment (PINE)»-Datenbank der OECD enthält keine Vorschriften (z. B. Grenzwerte, Verbote und technische Standards). Für die Schweiz sind aktuell 87 Instrumente auf Bundesebene erfasst, wobei 18 als inaktiv bezeichnet werden. Die Einträge werden weder regelmässig aktualisiert, noch sind sie vollständig.
Quelle: Swiss Economics auf Basis OECD-PINE-Daten / Die Volkswirtschaft

Der Best-Practice-Leitfaden

Da die Wahl und die Ausgestaltung von Regulierungsinstrumenten weitreichende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben, ist der Grundsatz einer wirksamen und effizienten Ausgestaltung unter anderem in der Bundesverfassung verankert.[1] Diesen Grundsatz einzuhalten, lohnt sich auch bei der Entwicklung von Lösungsansätzen für dringliche Umweltprobleme.

Zu diesem Zweck hat Swiss Economics im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) einen Best-Practice-Leitfaden erarbeitet, der bestehende Konzepte zur Ausarbeitung von Regulierungsprojekten ergänzt. Ziel ist es, die Anwendenden dabei zu unterstützen, Regulierungen auszuarbeiten oder zu überprüfen. Darüber hinaus enthält der Leitfaden auch konkrete Anregungen, wie mögliche Schwachstellen eines Regulierungsvorhabens adressiert werden können. Insbesondere legt der Leitfaden einen Fokus auf die Wirksamkeit und die Effizienz möglicher Regulierungsmassnahmen.

Wirksamkeit bedeutet, dass ein Instrument geeignet ist, ein vordefiniertes Ziel zu erreichen. Ob etwa eine Steuer wirksam ist, hängt unter anderem davon ab, wie zielgerichtet sie auf das Umweltproblem zugeschnitten ist. Eine Motorfahrzeugsteuer, die sich am Hubraum oder am Gewicht des Fahrzeugs bemisst, ist beispielsweise beschränkt zielgerichtet, um CO2-Emissionen zu reduzieren, da sie das effektive Fahrverhalten nicht mitberücksichtigt. So verursacht ein kaum gefahrener Geländewagen offensichtlich weniger Emissionen als ein viel bewegter Kleinwagen. Eine Subvention ist hingegen dann wirksam, wenn sie tatsächlich zu einem Verzicht auf umweltschädliches Verhalten führt. Und Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Verbots ist, dass es wenig oder keine Möglichkeiten gibt, ihm auszuweichen.

Mit Effizienz ist demgegenüber gemeint, dass das Regulierungsinstrument bei gegebener Wirksamkeit minimale Kosten verursacht. Gemäss dem Best-Practice-Leitfaden wird ein Instrument aus drei Perspektiven analysiert (siehe Abbildung 2): erstens eine statische und isolierte Betrachtung der Wirksamkeit und der Effizienz. Hinzu kommt zweitens eine dynamische Betrachtung, die unter anderem mögliche Verzerrungen von Innovationsanreizen berücksichtigt. Drittens eine gesamthafte Betrachtung. Hier werden Wechselwirkungen und Doppelspurigkeiten mit anderen Instrumenten sowie Ineffizienzen im internationalen Vergleich in die Analyse miteinbezogen.

Auch wenn das Beurteilungskonzept primär im Hinblick auf den Umweltbereich entwickelt wurde, sind die Fragestellungen so formuliert, dass sie grundsätzlich auf jegliche Bereiche, in denen Marktversagen auftreten kann (Verkehr, Energie, Landschaft etc.), anwendbar sind.

Abb. 2: Hauptfragestellungen des Beurteilungskonzepts

Quelle: Swiss Economics / Die Volkswirtschaft

Beispiel Subventionen

Anhand des Instruments der Subventionen lässt sich exemplarisch aufzeigen, wie der Leitfaden eingesetzt werden kann. Subventionen sind nur dann wirksam, wenn sie effektiv zur Reduktion von umweltschädlichem Verhalten beitragen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sogenannte Lock-in-Effekte resp. Pfadabhängigkeiten bestehen. Ein Beispiel hierfür sind Unternehmen, die in der Vergangenheit in eine bestimmte Technologie investiert haben und nicht (vorzeitig) auf eine umweltfreundlichere umsteigen wollen, weil die entsprechenden Investitionen noch nicht amortisiert sind. Über die Zeit nimmt zudem der Nutzen der allermeisten Subventionen ab, vielfach als Folge des technologischen Fortschritts. Auch können sich die politischen Prioritäten ändern, was konkret mit den beschränkt vorhandenen Mitteln gefördert werden soll. Deswegen sollten Subventionen nur zeitlich beschränkt gültig sein oder durch objektive Kriterien – etwa die Erreichung von vorab festgelegten Zielgrössen wie der Marktdurchdringung einer geförderten Technologie – begrenzt werden.

Aus Effizienzsicht ist insbesondere auf Wettbewerbsverzerrungen und Verzerrungen von Innovations- und Investitionsanreizen zu achten. Subventionen sollten daher möglichst technologieneutral ausgestaltet sein. Ansonsten besteht die Gefahr, dass veraltete oder gar langfristig nicht marktfähige Technologien gefördert und keine neuen entwickelt werden. Ein weiteres Risiko sind Mitnahmeeffekte, sprich, die gewünschte Verhaltensänderung hätte sich auch ohne Subventionen eingestellt. Schliesslich sollte auch geprüft werden, ob nicht schon eine anderweitige Regulierung besteht, die das Problem hinreichend adressiert. Wenn beispielsweise Heizungsemissionen bereits durch eine Steuer internalisiert werden, ist eine zusätzliche Subvention für nachhaltige Heizungssanierungen schlicht nicht effizient.

Wie bei anderen Instrumenten sollen Vollzugs- und Kontrollkosten für die öffentliche Hand sowie die Umsetzungs- und Administrationskosten für die privaten Akteure in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung stehen. Gerade wenn die Wirkung der Subvention gering ist, ist darauf zu achten, die damit verbundenen administrativen Kosten möglichst tief zu halten.

Vorsicht bei Grenzwerten und Technologiestandards

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Ausgestaltung von Regulierungen berücksichtigt werden muss, sind Umgehungsmöglichkeiten. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Dieselskandal: Dank dem Einsatz einer Umgehungssoftware konnten die Grenzwerte an den Abgasprüfungen eingehalten werden, zum Nachteil der Umwelt. Der Leitfaden empfiehlt daher insbesondere vor der Einführung von Grenzwerten oder Technologiestandards zu prüfen, ob sie umgangen werden können. Dabei sollten nicht nur technische Alternativen berücksichtigt werden, sondern auch die Möglichkeit, dass das umweltschädigende Verhalten ins Ausland verlegt wird.

Des Weiteren setzen einmal erfüllte Grenzwerte oder Standards keine Anreize, Umweltschäden weiter zu reduzieren. Diesem Problem könnte mit dynamischen, vom technologischen Wandel abhängigen Grenzwerten begegnet werden. So galt in der EU ab 2015, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Neufahrzeugen nicht mehr als 130 Gramm CO2 pro Kilometer betragen dürfen. Ab 2021 wurde dieser Wert auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer abgesenkt. Gerade wenn ein Regimewechsel jedoch vom Erreichen der Grenzwerte abhängig gemacht wird, könnte dies allerdings wiederum die Anreize der betroffenen Unternehmen schwächen, den technologischen Wandel voranzutreiben.

Ob ein Instrument wirksam und effizient ist, hängt immer vom spezifischen Kontext ab. Das Beurteilungskonzept und der Leitfaden legen daher Wert auf eine strukturierte Einzelfallbetrachtung, die sich auf allgemeingültige ökonomische Erkenntnisse stützt. Letztlich ist kein Problem so dringlich, dass sich vertiefte Überlegungen zur Ausgestaltung möglicher Massnahmen nicht lohnen würden.

  1. Siehe Art. 5 Abs. 2 BV. []

Zitiervorschlag: Funk, Michael; Rutz, Samuel; Zuberbühler, Eva (2025). Wie effiziente Regulierung gelingen kann. Die Volkswirtschaft, 27. Mai.