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Machen Zölle wirtschaftlich Sinn?

Die Theorie zeigt: Handel steigert die Wohlfahrt. Sie zeigt aber auch, dass grosse Volkswirtschaften von moderaten Zöllen profitieren können – im Falle der aktuellen US-Zollpolitik ist dies allerdings eher unwahrscheinlich.
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Zölle für «Make America Great Again»? Die Zeche zahlen vermutlich die Konsumenten. (Bild: Keystone)

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden Zölle im grossen Stil gesenkt. In den Industrieländern waren hohe Zollsätze bis anhin nur noch in der Landwirtschaft zu finden. Handelsbarrieren verschwanden dadurch zwar nicht vollständig, sie bestanden aber vorwiegend in nicht tarifärer Form wie nationalen technischen Vorschriften und Bewilligungsverfahren. Doch nun sind die Zölle wieder auf breiter Front präsent.

Handelsöffnungen steigern die Wohlfahrt

Diese Entwicklung ist erstaunlich angesichts der Vorzüge des internationalen Handels. Dieser ermöglicht es Ländern, sich auf Sektoren zu spezialisieren, in denen sie einen komparativen Vorteil gegenüber anderen Ländern haben – sei es aufgrund technologischer Stärken oder wegen Unterschieden in der Infrastruktur oder des Bildungsgrads der Arbeitskräfte.

So hat die Schweiz mit einer starken Pharma- und Maschinenindustrie einen komparativen Vorteil gegenüber anderen Ländern. Güter wie Autos werden hingegen fast ausschliesslich importiert. Zudem kann ein erweiterter Marktzugang durch Handelsliberalisierungen Fixkosten vor allem in Forschung und Entwicklung teilen. Das senkt die Durchschnittskosten und somit die Preise. Zusätzlich erhalten die Konsumenten Zugang zu Waren, die im Inland nicht produzierbar sind. All das steigert die Wohlfahrt.

Für Kleinstaaten sind Zölle schädlich

Werden nun Zölle eingeführt, steigen die Preise der Importgüter, und es entsteht eine Differenz zwischen inländischen Preisen und Weltmarktpreisen. Das lässt sich in einem Preis-Mengen-Diagramm veranschaulichen (siehe Abbildung 1a): Vor der Zolleinführung wird zum Weltmarktpreis PW im Inland mehr konsumiert als produziert. Die Nachfrage ist höher als das Inlandangebot. Die Differenz wird durch Importe ausgeglichen.

Die Einführung eines Zolls in der Höhe t erhöht den Preis im Inland von PW auf PW+t.  Der gestiegene Inlandpreis senkt die inländische Nachfrage und erhöht das inländische Angebot. Das Importvolumen geht zurück. Die inländischen Produzenten profitieren aufgrund der höheren Preise in Form einer gestiegenen Produzentenrente (+a), und der Staat generiert Zolleinnahmen (+c).

Allerdings: Die Effizienzverluste übersteigen die Gewinne. Denn die Konsumentenrente – welche sich aus der Differenz zwischen der maximalen Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und dem Kaufpreis ergibt – sinkt (um a+b+c+d). Daraus resultiert ein Wohlfahrtsverlust (b+d). Dieser hat zwei Gründe: Wegen der hohen Inlandpreise wird einerseits zu wenig konsumiert, obwohl die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten höher ist als der Weltmarktpreis (Wohlfahrtsverlust d). Andererseits werden auch Produkte hergestellt, deren Grenzkosten über dem Weltmarktpreis liegen – es wird also zu viel und zu teuer produziert (Wohlfahrtsverlust b).

Zwar erreichen die Zölle ihre zwei Hauptziele: Erstens schützen sie die inländische Industrie vor der ausländischen Konkurrenz und weiten die Inlandproduktion aus (von S1 zu S2). Zweitens führen sie zu Staatseinnahmen (Fläche c). Leider schaden die Zölle durch die erhöhten Preise den Konsumenten und den anderen Industrien, die das Produkt in ihrer Herstellung als Zwischenprodukt benötigen.

Grosse Volkswirtschaften können von Zöllen profitieren

Bei einem grossen Land wie den USA kommt ein weiterer Faktor hinzu (siehe Abbildung 1b). Die USA haben ein so grosses Gewicht in der Weltwirtschaft, dass ein Rückgang der US-Importe den Weltmarktpreis senkt – aufgrund der dadurch insgesamt gesunkenen Weltnachfrage. Der neue Weltmarktpreis beträgt dann P*. Die amerikanischen «terms of trade» verbessern sich. Das heisst: Der relative Preis der Importe gemessen an den Exporten sinkt, wodurch man sich mehr Importe leisten kann. Die Zölle führen zu einer kleineren Preissteigerung als bei einer kleinen Volkswirtschaft. Die Verbesserung der «terms of trade» generiert einen Wohlfahrtsgewinn von (e), der gegen die Wohlfahrtsverluste (b+d) abgewogen werden muss. Es ist also möglich, dass die Einführung von Zöllen zu einem Wohlfahrtsgewinn führt.

Abb. 1: Zölle: Wohlfahrtsverluste in einem kleinen Land versus mögliche Gewinne in einem grossen

Quelle: Eigene Darstellung (angelehnt an Feenstra und Taylor [2011]) / Die Volkswirtschaft

Für ein grosses Land lohnt es sich, unilateral die Zölle (moderat) zu erhöhen. Der Grund ist: Die Wohlfahrtsverluste einer Zollerhöhung sind sehr gering, wenn der Inlandpreis nahe am Weltmarktpreis bleibt, gleichzeitig profitieren aber alle Importe von den verbesserten «terms of trade». Allerdings ist diese Wohlfahrtssteigerung nur bei kleinen Zöllen möglich, da die Wohl­fahrtsverluste progressiv mit den Zöllen steigen. Eine Verdoppelung der Zölle führt zu einer Vervierfachung der Wohlfahrtsverluste. Für die Konsumenten bedeuten sie aber so oder so einen Wohlfahrtsverlust. Denn die Wohlfahrtsgewinne verteilen sich auf die Produzenten (Fläche a) und den Staat (aufgrund der Zolleinnahmen). All dies gilt allerdings nur, falls die Handelspartner keine Vergeltungs­massnahmen beschliessen.[1]

Wenn es im Ausgangsgleichgewicht keine Zölle gab, liegt der optimale Zollsatz bei hohen 20 Prozent.[2] Allerdings: Die angesprochenen Wohlfahrtsgewinne sind beim von den USA im April 2025 eingeführten Basiszoll von 10 Prozent praktisch ausgeschöpft. Denn rechnet man die Vergeltungsmassnahmen einiger Länder wie China und Kanada hinzu (einige weitere mögen noch hinzukommen), sieht die Rechnung für die USA negativ aus.

Zölle führen zu Inflation

Hinzu kommt, dass Importzölle zu Inflation führen. 2018, im Handelskrieg USA – China, haben die Konsumenten 95 Prozent der US-Importzölle via Preissteigerungen getragen und die Produzenten nur 5 Prozent.[3]

Aufgrund des aktuell immer noch gut laufenden US-Arbeitsmarkts ist es auch möglich, dass es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt, sprich, die Löhne steigen aufgrund steigender Preise etc. Die Inflationserwartungen in den USA sind kürzlich stark gestiegen, und zwar deutlich stärker, als dies von der US-Notenbank Federal Reserve Anfang 2025 antizipiert wurde. Als Ursache wurden in Umfragen oftmals die angekündigten Zollerhöhungen genannt.

US-Zollpolitik schwächt den Dollar

Die Ankündigung der US-Regierung vom 2. April, generelle Importzölle von mindestens 10 Prozent einzuführen, hat in den folgenden drei Wochen zu einer signifikanten Abwertung des Dollars geführt. Im Vergleich zum Euro zum Beispiel hat sich der Dollar um rund 5 Prozent abgewertet, gegenüber dem Franken sind es rund 7 Prozent. Weil auch die Rendite auf US-Staatsanleihen stark angestiegen ist (d. h. Anleger wollten ihre Staatsanleihen verkaufen), lässt dies auf eine Kapitalflucht aus den USA schliessen, etwa in den Franken, den japanischen Yen oder Gold.

Theoretisch können Zölle den Wechselkurs auf zwei Wegen beeinflussen. Weil einerseits weniger Importgüter gekauft werden, sinkt die Nachfrage nach Fremdwährungen, um diese Güter zu kaufen. Dadurch wertet der Dollar auf. Dieser Effekt ist in den USA allerdings gering, da ein Grossteil der US-Importe in Dollar verrechnet wird. Andererseits führen Zölle längerfristig zu höherer Inflation. Das setzt den Dollar unter Abwertungsdruck, um die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Der Grund, warum der Dollar bereits vor der Zolleinführung unter Druck kam, ist die erratische Zollpolitik. Die Unsicherheit über die zukünftige Wirtschaftspolitik der USA ist massiv gestiegen. Das schwächt den Dollar, weil etwa Dollar in Franken getauscht werden, um sie im sicheren Hafen Schweiz zu parken.

Zusammenfassend gilt: Theoretisch kann sich die Einführung moderater Importzölle für grosse Länder wie die USA lohnen, allerdings sind diese Vorteile bei den aktuellen Basiszöllen von 10 Prozent wohl schon ausgeschöpft. Denn die Vergeltungszölle der anderen Länder dürften diese kleinen Vorteile schon bald ins Gegenteil verkehren. Aber selbst ohne Gegenreaktionen profitieren nur der US-Staat und die von Importkonkurrenz betroffenen amerikanischen Produzenten. Die Konsumenten und die anderen Produzenten haben das Nachsehen. Sie sind langfristig von den steigenden Preisen betroffen.

  1. Siehe auch den spieltheoretischen Artikel von Heinrich Nax und Simon Jantschgi in diesem Schwerpunkt. []
  2. Johnson (1950) zeigt, dass unilateral das Wohlfahrtsoptimum der Inversen der Handelselastizität entspricht, die auf etwa 5 geschätzt wird gemäss Caliendo und Parro (2015). []
  3. Siehe Cavallo et al. (2021). []

Literaturverzeichnis
  • Caliendo, L. und Parro, F. (2015). Estimates of the Trade and Welfare Effects of NAFTA. The Review of Economic Studies, 82(1), 1–44.
  • Cavallo, A., Gopinath, G., Neiman, B., und Tang, J. (2021). Tariff Pass-through at the Border and at the Store: Evidence from US Trade Policy. American Economic Review: Insights, 3(1), 19–34.
  • Feenstra, R. C. und Taylor, A. M. (2011). International Macroeconomics. Macmillan.
  • Johnson, H. G. (1950). Optimum Welfare and Maximum Revenue Tariffs. The Review of Economic Studies, 19(1), 28–35.

Bibliographie
  • Caliendo, L. und Parro, F. (2015). Estimates of the Trade and Welfare Effects of NAFTA. The Review of Economic Studies, 82(1), 1–44.
  • Cavallo, A., Gopinath, G., Neiman, B., und Tang, J. (2021). Tariff Pass-through at the Border and at the Store: Evidence from US Trade Policy. American Economic Review: Insights, 3(1), 19–34.
  • Feenstra, R. C. und Taylor, A. M. (2011). International Macroeconomics. Macmillan.
  • Johnson, H. G. (1950). Optimum Welfare and Maximum Revenue Tariffs. The Review of Economic Studies, 19(1), 28–35.

Zitiervorschlag: Föllmi, Reto; Hartmann, Björn (2025). Machen Zölle wirtschaftlich Sinn? Die Volkswirtschaft, 06. Juni.