Publikumsrekord im deutschen Frauenfussball: Bremens Sophie Weidauer (Mitte) jubelt beim DFB-Pokal-Halbfinale 2025 zwischen dem HSV und Werder Bremen vor 57'000 Zuschauerinnen und Zuschauern. (Bild: Keystone)
Geht es um Frauenfussball, so wird oft der Vergleich mit den Männern herangezogen. Doch dieser Vergleich hinkt. Natürlich herrscht diesbezüglich ein riesiger Unterschied, aber den gibt es auch unter Männern: Jeder Schweizer Topklub ist im Grunde ein Winzling verglichen mit Real Madrid. Das entzieht ihm jedoch nicht die Daseinsberechtigung. Zudem übersehen wir bei dieser Gegenüberstellung die tatsächlich relevante Entwicklung im Frauenfussball: dass er allmählich zu einem selbsttragenden Geschäft wird.
Oder anders gesagt: Der Frauenfussball wird zum «Business» – das heisst, er wird von einem Hobby im Amateurbereich zum professionellen Unterfangen mit Arbeitgebern, welche jeweils Dutzende Personen in Vollzeit bezahlen können. Und die Spielerinnen machen den Fussball zu ihrem (einzigen) Beruf.
Doch das kostet. Stark vereinfacht müssen 20 Spielerinnen und nochmals so viele Personen neben dem Platz bezahlt werden. Rechnet man mit 100’000 Franken pro angestellter Person in Vollzeit (inkl. Sozialabgaben etc.), so braucht ein Klub rund 4 Millionen Franken allein für den Personalaufwand. Und da Letzterer in der Regel etwa die Hälfte der gesamten Ausgaben ausmacht (siehe Abbildung 2), braucht ein professioneller Klub in der Schweiz rund 8 Millionen Franken Umsatz pro Jahr – mindestens.
An dieser Zielmarke orientieren wir uns und stellen nachfolgend drei Fragen: Wo steht der Frauenfussball heute mit Blick auf die Finanzen? Welche Hürden gibt es bei der weiteren Entwicklung? Und wie kann die EM 2025 dem Frauenfussball Schub geben?
Früher geächtet, heute im Aufschwung
Der Frauenfussball hat viele Hürden überwinden müssen. Er wurde in der Schweiz und auch in Deutschland erst 1970 offiziell anerkannt. Zuvor wurde Frauenfussball nicht gefördert, und es gab auch keine offiziellen Ligen. Auch danach fristete der Sport zumeist ein Nischendasein und hatte immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Noch im Jahr 2012 schloss beispielsweise der Hamburger SV (HSV) seine Frauenabteilung. Die Begründung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Carl-Edgar Jarchow: «Der Frauenfussball stellt nach wie vor ein Zuschussgeschäft dar, dessen Gesamtetat von jährlich 750’000 Euro vom Bundesliga-Bereich [der Männer (Anm. d. Red.)] finanziert wird».[1]
Inzwischen hat der Wind gedreht. Im März 2025 kamen zum DFB-Pokal-Halbfinale zwischen dem HSV und Werder Bremen 57’000 Zuschauer ins Stadion – das ist Rekord im deutschen Frauenfussball auf Klubebene. Im Schweizer Frauenfussball liegt der Rekord bei knapp 11’000 auf Vereinsebene und bei über 17’000 bei Spielen der Nationalmannschaft.
Doch solche Publikumsmagnete stehen nach wie vor im Kontrast zum relativ tristen Alltag im Frauenfussball. In der Saison 2024/2025 lag die durchschnittliche Zuschauerzahl in der deutschen Bundesliga, einer der Top-Frauenligen, bei nur 2678. Der deutsche Frauenfussball hat sich zwar gut entwickelt, doch selbst Drittligaklubs der Männer wie Erzgebirge Aue kommen auf vergleichbare Zuschauerzahlen wie Top-Frauenklubs. Ist das ein Problem? Nein. Denn Spitzenklubs im Frauenfussball sind nun an jenem Punkt angelangt, wo (auch bei den Herren) der Profisport beginnt.
Ein Anschauungsbeispiel liefert das Männerteam des SSV Ulm aus der 3. deutschen Liga. Sein Personalaufwand in der Saison 2022/23 betrug rund 3,5 Millionen Euro. Das ist ungefähr das Minimum, das ein Klub braucht, um professionell in Deutschland arbeiten zu können. Davon ist der typische deutsche Frauen-Bundesliga-Klub bei den Erträgen noch immer ein Stück entfernt. Derzeit erzielt ein durchschnittlicher Klub Erträge von 2,65 Millionen Euro[2], aber man nähert sich allmählich der Schwelle zum Profisport (siehe Abbildung 1). Wie auch im Herrenfussball kommt fast die Hälfte der Einnahmen aus der Werbung, etwa ein Viertel aus der medialen Verwertung und nur knapp 15 Prozent aus Spielerträgen wie Ticketeinnahmen.
Abb. 1: Die durchschnittlichen Erträge pro Klub in der 1. deutschen Frauen-Bundesliga sind deutlich gestiegen
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Ähnlich wie im Männerfussball geht in der Regel rund die Hälfte des Umsatzes in die Taschen der Fussballerinnen (siehe Abbildung 2). Der steigende Personalaufwand im Frauenfussball zeigt auf zweierlei Weise die Professionalisierung. Erstens steigen die Gehälter im Frauenfussball deutlich an. Das monatliche Grundgehalt (ohne Prämien) einer Bundesliga-Spielerin liegt bei durchschnittlich 4000 Euro. Topspielerinnen verdienen geschätzt bis zu 300’000 Euro pro Jahr – und haben oft zusätzliche Einnahmen aus der Eigenvermarktung.
Zweitens müssen gemäss Deutschem Fussball-Bund (DFB) ab der Saison 2025/2026 alle Klubs der deutschen Frauen-Bundesliga neben der Cheftrainerin auch Co-Trainer, Torhüterinnentrainerin sowie Athletiktrainer hauptberuflich und in Vollzeit angestellt werden.[3] Die höheren Gehälter ermöglichen eine Professionalisierung, welche die Qualität des Spiels deutlich erhöht. Wenn sich die Akteure auf und neben dem Platz in Vollzeit auf den Fussball konzentrieren, können auch deutlich mehr Gelder in der Vermarktung generiert werden. Das verändert die Dynamik wesentlich.
Abb. 2: Die Hälfte des Klubaufwands im deutschen Frauenfussball sind Spielerinnengehälter
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Hürden für die weitere Entwicklung
Dennoch: Ein Selbstläufer ist der sportliche und finanzielle Aufstieg des Frauenfussballs keineswegs. Auch dazu liefert der Männerfussball anschauliche Beispiele. Wiederholt konnten sich auch Männerkubs den sportlichen Aufstieg schlicht nicht leisten. Denn für die Teilnahme in höheren Ligen braucht es eine bessere Infrastruktur (Stadion, TV-Kameras, etc.), welche Investitionen bedingt, die nicht überall möglich sind.
Das Problem trifft auch den Frauenfussball: Die Klubs spielen oft im kleinen Nebenstadion des Männervereins, was sich erst langsam ändert. Doch eine Mehrfachnutzung desselben Stadions ist problematisch. Und nicht vergessen: Es gibt auch noch die 2. Mannschaft der Herren. Vielerorts fehlen also vor allem mittelgrosse Stadien. Wer soll diese finanzieren?
Historisch wurden Stadien sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zumeist vom Staat finanziert oder subventioniert. Der Anlass dafür war oft ein Grossereignis wie etwa die EM 2008 in Österreich und der Schweiz.[4] Auch der Frauenfussball braucht somit starke Partner: die Profiklubs der Herren, die öffentliche Hand oder Sponsoren. Es sollten Win-win-Situationen gesucht werden und Konkurrenzdenken zwischen Frauen- und Männerfussball vermieden werden. Doch eine Rivalität mit dem Männerfussball ist nicht auszuschliessen: Bereits jetzt im Sommer gräbt die Fifa-Klub-WM der Männer der Frauen-EM teilweise das Wasser ab.
Die EM 2025 als Chance
Freilich hat Deutschland den viel grösseren Markt im Vergleich zur Schweiz. Deshalb sind die Umsätze der Frauenabteilungen Schweizer Klubs im Vergleich erheblich niedriger. In der AXA Women’s Super League gibt es nur wenige Spielerinnen, die ausschliesslich vom Fussball leben können. Der Schweizer Frauenfussball hat folglich noch einen längeren Weg vor sich. Doch die EM 2025, die zurzeit in der Schweiz stattfindet, könnte als Zugpferd des Sports dienen. Denn solche Grossevents machen Spielerinnen bekannt und können so die Nachfrage dauerhaft erhöhen.
Diesen Schub kann der Frauenfussball gut gebrauchen. Er steht aktuell an der wichtigen Schwelle zu Professionalisierung. Für die nächsten Schritte braucht es substanzielle Investitionen. Man könnte sagen: Der Frauenfussball braucht mehr Geld.
Literaturverzeichnis
- Bruch, Charlotte (2025): «Vom Zwangsabstieg in die Zweite Liga: HSV und Union stehen für den Wandel». In: Tagesspielegel vom 7. Februar.
- DFB (2025). Google Pixel Frauen-Bundesliga Saisonreport 2023/2024.
- Legge, Stefan und Steffen Löhr (2022). Der Fussball braucht mehr Geld oder andere Regeln.
Bibliographie
- Bruch, Charlotte (2025): «Vom Zwangsabstieg in die Zweite Liga: HSV und Union stehen für den Wandel». In: Tagesspielegel vom 7. Februar.
- DFB (2025). Google Pixel Frauen-Bundesliga Saisonreport 2023/2024.
- Legge, Stefan und Steffen Löhr (2022). Der Fussball braucht mehr Geld oder andere Regeln.
Zitiervorschlag: Legge, Stefan; Löhr, Steffen (2025). Der Frauenfussball braucht mehr Geld. Die Volkswirtschaft, 11. Juli.