Suche

Abo

Teilzeit und Homeoffice wirken dem Fachkräftemangel entgegen

Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen dazu, neue und kreative Wege zu gehen, um qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Eine vielversprechende Antwort darauf ist das inzwischen 40-jährige Konzept des «New Work».
Schriftgrösse
100%

Wenn Homeoffice keine Option ist, braucht es andere Anreize, um Fachkräfte zu gewinnen. (Bild: Keystone)

Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann entwickelte das Konzept des «New Work» in den 1980er-Jahren. Es steht für eine Arbeitskultur, die sich durch Autonomie, Sinnhaftigkeit und flexible Arbeitsmodelle auszeichnet.[1] Arbeit soll sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren – nicht umgekehrt. Zentral dabei ist, Arbeitszeit und Arbeitsort zu flexibilisieren sowie individuelle Stärken und eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit zu fördern.[2]

Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern und Raiffeisen Schweiz haben gemeinsam am «Chancenreport Schweiz 2025» gearbeitet. Er beleuchtet unter anderem, wie Unternehmen die «New Work»-Prinzipien umsetzen, um der Herausforderung des Fachkräftemangels zu begegnen. Befragt wurden 214 Personen, vorwiegend Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder mittelgrosser und grosser Schweizer Unternehmen. Die Ergebnisse liefern Einblicke in aktuelle Strategien und Lösungsansätze.

Flexible Arbeitszeiten sind eine beliebte Strategie gegen Fachkräftemangel

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung zur Frage, welche Strategien und Lösungsansätze gegen den Fachkräftemangel verfolgt werden. Es waren Mehrfachantworten möglich.
Quelle: Behringer et al. (2024) / Die Volkswirtschaft

Digitalisierung erlaubt flexible Arbeitszeiten

Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bietet flexible Arbeitszeiten und hybride Arbeitszeitmodelle, fördert interne Ausbildungsangebote und ergreift Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie (siehe Abbildung). Drei dieser Strategien entsprechen den Grundlagen des «New Work»-Konzepts. Damit liegen sie deutlich vor anderen Strategien wie hohen Löhnen. Flexibilität schlägt also Gehalt.

Flexible Arbeitszeiten ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihren Arbeitsalltag individuell zu gestalten, und machen einen Arbeitgeber deutlich attraktiver. Diese Massnahme ist branchenübergreifend und unabhängig von der Unternehmensgrösse am häufigsten.

Am zweithäufigsten setzen Unternehmen hybride Arbeitszeitmodelle um, also die Möglichkeit für Mitarbeitende, teilweise im Homeoffice zu arbeiten. Die Kombination aus Präsenz- und Remote-Arbeit verbessert die Work-Life-Balance. Vor allem grössere Unternehmen greifen oft zu dieser Lösung. Das zeigt ihre Fähigkeit und Bereitschaft, in flexiblere Arbeitsstrukturen zu investieren. Kleinere Unternehmen nutzen hybride Modelle seltener, möglicherweise aufgrund beschränkter Ressourcen.

Die Umsetzbarkeit hybrider Arbeitszeitmodelle variiert jedoch zwischen den Branchen. Finanz- und Unternehmensdienstleister bieten häufiger Homeoffice und Co. an. In der Bau- und Immobilienbranche sowie in der verarbeitenden Industrie sind diese Modelle seltener. Branchen mit höherem Digitalisierungsgrad und einem grösseren Anteil an wissensbasierter Arbeit können flexiblere Arbeitszeitmodelle leichter umsetzen. Wo hingegen physische Präsenz erforderlich ist, stösst das Konzept an seine Grenzen.

Hohe Löhne oft in verarbeitender Industrie

Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sieht in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen zentralen Lösungsansatz im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Massnahmen wie Unterstützung bei der Kinderbetreuung tragen wesentlich dazu bei, Fachkräfte zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.

Rund 43 Prozent der Unternehmen setzen auf höhere Löhne als der Branchendurchschnitt, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Solche finanziellen Anreize erhöhen unmittelbar die Attraktivität des Arbeitgebers. Die Bereitschaft, höhere Löhne zu zahlen, steigt jedoch nicht mit der Unternehmensgrösse. Nur die verarbeitende Industrie und Produktion zeigt im Vergleich zu anderen Branchen eine leicht erhöhte Bereitschaft, höhere Löhne zu zahlen. Das deutet darauf hin, dass andere Massnahmen wie flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice in diesem Umfeld schwerer umzusetzen sind.

Mischung aus Homeoffice und Präsenzzeit

Der «State of the Global Workplace Report 2024» des internationalen Analyse- und Beratungsunternehmens Gallup zeigt: Arbeitnehmende weltweit wünschen sich flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice – allerdings nur in Kombination mit Präsenztagen im Unternehmen. Wer ausschliesslich zu Hause arbeitet, fühlt sich häufiger einsam als Personen, die nur vor Ort tätig sind (25 vs. 16 Prozent). Dies zeigt, dass flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur zeitliche und örtliche Freiheit bieten sollten, sondern auch den sozialen Austausch im Team fördern müssen, um negativen Effekten wie Einsamkeit vorzubeugen.

Laut dem deutschen Ifo-Institut arbeitet rund ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Ein Blick auf die Zentralschweiz zeigt ähnliche Tendenzen: Der «Finanzmonitor Zentralschweiz 2025» der Hochschule Luzern belegt: Knapp 80 Prozent der 176 befragten Unternehmen erlauben ihren Mitarbeitenden ein bis fünf Homeoffice-Tage pro Woche. Besonders verbreitet sind maximal zwei Homeoffice-Tage (40 Prozent), was wiederum eher für einen hybriden Ansatz spricht.[3]

  1. Siehe Bergmann (2019). []
  2. Siehe Sattelberger et al. (2022). []
  3. Siehe Behringer et al. (2025). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Blättler, Stephanie; Gesslein, Manuel; Laun, Ute; Obrist, Philippe (2025). Teilzeit und Homeoffice wirken dem Fachkräftemangel entgegen. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.