Ein klarer Weg: Mit der tiefsten Franchise von neu 500 Franken soll die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten gestärkt werden. (Bild: Keystone)
Die Obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) bietet Verträge mit unterschiedlich hoher Kostenbeteiligung an. Wählen Versicherte die ordentliche Franchise, beträgt die Kostenbeteiligung 300 Franken pro Jahr. Alternativ stehen fünf höhere vom Gesetzgeber vorgegebene Franchisen zur Auswahl: von 500 bis 2500 Franken. Je höher die Franchise, desto tiefer die Prämie. Zusätzlich beteiligen sich Versicherte mit 10 Prozent an ihren Gesundheitsausgaben bis maximal 700 Franken. Insgesamt reicht die maximale Kostenbeteiligung also von 1000 Franken (300 + 700) bis 3200 Franken (2500 + 700). Was sagt die Wahl der Franchise über Versicherte aus? Und wie wirkt sie sich auf die Gesundheitsausgaben aus?
Einkommen und die Wahl der Franchise
Wir haben Daten von 1,3 Millionen Versicherten der Krankenversicherung Helsana mit der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte, dem Rentenregister der AHV/IV sowie dem Familienzulagenregister kombiniert.[1] Um die Einkommen von unterschiedlich grossen Haushalten vergleichbar zu machen, berechneten wir das sogenannte Äquivalenzeinkommen nach der Methodik der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos)[2]. Die Analyse zeigt (siehe Abbildung): Die oberste Einkommensklasse wählt im Vergleich zur tiefsten viel häufiger eine Franchise von 2500 Franken: 47,5 Prozent gegenüber 17,4 Prozent, ein Unterschied von 30,1 Prozentpunkten. Wenn wir jedoch nach Faktoren wie Alter, Geschlecht, individuelle Prämienverbilligung, Risikoausgleichszahlung, Prämienregion und Vorjahresausgaben der Versicherten bereinigen, beträgt der Unterschied zwischen der tiefsten und der höchsten Einkommensgruppe nur noch 12,9 Prozentpunkte. Bei den anderen Einkommensgruppen ist der Einkommenseffekt nur gering.
Warum wählen Versicherte mit hohem Einkommen eine höhere Franchise? Sie können das Risiko höherer Gesundheitsausgaben bei der höchsten Franchise für günstigere Prämien in Kauf nehmen. Haushalte mit geringem Einkommen entscheiden sich oft für tiefere Franchisen, weil sie keinen finanziellen Puffer haben, um die Kosten im Krankheitsfall zu zahlen.
Je höher das Einkommen, desto häufiger wählen Versicherte die 2500-Franken-Franchise
INTERAKTIVE GRAFIK
Warum wirkt sich die Prämienverbilligung auf die Wahl der Franchise aus? Personen mit tiefem Einkommen und von Bund und Kantonen finanzierter Prämienverbilligung entscheiden sich deutlich seltener für die Maximalfranchise. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 26,2 Prozent gegenüber 37,6 Prozent bei Versicherten ohne Prämienverbilligung. Das ist ein Unterschied von 11,4 Prozentpunkten. Wer keine oder nur eine sehr geringe Krankenkassenprämie zahlt, spart mit einer hohen Franchise nichts, geht aber ein zusätzliches Kostenrisiko ein. Deshalb wählen diese Personen bewusst die 300-Franken-Franchise, um die finanzielle Belastung im Krankheitsfall niedrig zu halten.
Wirken die Franchisen?
Bundesrat und Parlament haben in der Frühlingssession 2025 beschlossen, die ordentliche Franchise von 300 auf 500 Franken zu erhöhen. Ziel dieser Massnahme ist es, den stetigen Anstieg der Gesundheitskosten zu dämpfen. Der Franchisenanstieg schafft Spielraum für Prämiensenkungen, erhöht aber gleichzeitig das Kostenrisiko für die Versicherten. Das Sparpotenzial entsteht allerdings nicht durch die höhere Franchise an sich, sondern durch die damit ausgelöste Verhaltensänderung der Versicherten: Wer mehr aus der eigenen Tasche zahlen muss, beansprucht weniger Leistungen.
Von den 1,3 Millionen Versicherten, die wir in der Analyse berücksichtigten, wählten rund 400’000 die 300-Franken-Franchise und 100’000 die 500-Franken-Franchise. Die Bruttoleistungen – also die individuellen Ausgaben für medizinische Behandlungen – lagen bei der Gruppe mit der 500-Franken-Franchise um 1200 Franken tiefer. Davon sind 200 Franken auf die Verhaltensänderung der Versicherten aufgrund der höheren Franchise zurückzuführen. Dieser Wert ist unabhängig vom Einkommensniveau der Versicherten. Die übrigen 1000 Franken lassen sich durch Faktoren wie Alter, Geschlecht, frühere Gesundheitskosten und Prämienregion erklären. Die Selbstbeteiligung der Versicherten steigt um 160 Franken. Somit könnten die Krankenkassen im Durchschnitt die Prämie insgesamt um 360 Franken reduzieren. Hochgerechnet auf alle Personen in der Schweiz mit einer Franchise von 300 Franken, ergeben sich Einsparungen bei den Krankenkassen von rund 1,16 Milliarden Franken. Das entspricht einer monatlichen Prämienreduktion bei allen Versicherten um rund 13.50 Franken.
Diese Beispielrechnung macht den Zielkonflikt deutlich: Eine höhere Selbstbeteiligung der Versicherten führt zu Einsparungen und damit auch zu Prämienreduktionen. Gleichzeitig erhöht sich die finanzielle Belastung von Versicherten im Krankheitsfall. Im vorliegenden Beispiel bleibt sie mit maximal 200 Franken pro Versicherten und Jahr eher gering.
- Siehe Felder, St., Meyer, St., und K. Schmidheiny (2024). Einkommen, Vertragswahl und Prämienbelastung in der OKP, Helsana-Report, September 2024. []
- Nach dieser Methodik wird das Einkommen mit der Grösse des Haushalts geteilt, wobei die erste Person mit 1, die zweite Person mit 0,53, die dritte Person mit 0,33 und jede weitere Person eines Haushalts mit 0,28 gewichtet wird. []
Zitiervorschlag: Felder, Stefan (2025). Höhere Franchise führt zu tieferen Gesundheitsausgaben. Die Volkswirtschaft, 09. September.