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Das halten Schweizer KMU von Vorgaben zur Nachhaltigkeit

Vorgaben zur Nachhaltigkeit nehmen in der EU und anderen europäischen Ländern zu. Eine Studie hat untersucht, was Schweizer Unternehmen davon halten.
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Auch Schweizer Schokoladeexporteure können von internationalen Nachhaltigkeitsrichtlinien betroffen sein. (Bild: Keystone)

Die Europäische Union hat die Anforderungen an die Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in den letzten Jahren stetig erhöht – allgemein spricht man von sogenannten ESG-Richtlinien (von engl. Environmental, Social und Governance). Dazu gehören die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die EU-Richtlinie zur Sorgfaltsprüfung (CSDDD), die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) und die EU-Verordnung zu Zwangsarbeit (EUFLR).[1] Hinzu kommen nationale Gesetze aus Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, die Unternehmen zu mehr Schutz der Menschenrechte und der Umwelt verpflichten.[2]

Auch Schweizer Unternehmen können von diesen Regelungen direkt oder indirekt betroffen sein, wenn sie beispielsweise eine Niederlassung in der EU oder den jeweiligen Ländern haben, ihre Aktien dort kotiert sind oder sie dort einen bestimmten Umsatz erwirtschaften. Dies kann aber auch der Fall sein, wenn sie in diese Länder exportieren oder in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden sind.

Eine Studie[3] der Fachhochschule Graubünden, die im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) durchgeführt wurde, beleuchtet die direkten und indirekten Auswirkungen dieser Richtlinien auf die hiesigen KMU. Angeregt wurde die Studie durch ein Postulat von Ständerat Josef Dittli. Sie basiert auf einer quantitativen Onlineumfrage, an der im November 2024 208 KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden sowie 78 Grossunternehmen teilgenommen haben. Die befragten Unternehmen haben ihren Hauptsitz in der Deutsch- oder der Westschweiz und sind entweder direkt oder indirekt von internationalen ESG-Richtlinien betroffen.

KMU vorwiegend indirekt betroffen

Die Studie zeigt: Schweizer KMU sind von den internationalen ESG-Regulierungen seltener direkt betroffen. Während bei den Grossunternehmen 56 Prozent direkt betroffen sind, sind es bei den Unternehmen mit 10 bis 249 Mitarbeitenden rund 40 Prozent und bei den Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten 20 Prozent. Am häufigsten geben die KMU an, von der CSRD und der CSDDD direkt betroffen zu sein.

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass KMU oftmals indirekt betroffen sind. Dazu zählen insbesondere veränderte Marktbedingungen und steigende Ansprüche der Kunden. Die Marktbedingungen können sich aufgrund der ESG-Regulierung zum Beispiel dadurch ändern, dass neue umweltfreundliche Technologien entwickelt werden oder sich neue Wettbewerber auf dem Markt etablieren, die nachhaltigere Produkte anbieten. Bei der indirekten Betroffenheit macht die Firmengrösse keinen Unterschied: Mikrounternehmen und Grossunternehmen sind in ähnlichem Masse tangiert.

Kundenansprüche nehmen zu

Bei den KMU kommt der Druck, die internationalen ESG-Richtlinien umzusetzen, vor allem von den Firmenkunden. Diese fordern in erster Linie zusätzliche Nachhaltigkeitsaudits und -zertifizierungen. Am zweithäufigsten sehen sich die KMU mit unfairen Vertragsklauseln konfrontiert, durch welche die ESG-Verantwortung vom Kunden auf das Unternehmen überwälzt wird. Bei den Grossunternehmen kommt der Druck auch von den Schweizer Behörden. Im Durchschnitt empfinden sowohl die KMU als auch die Grossunternehmen den Druck der Stakeholder, internationale ESG-Anforderungen umzusetzen, als moderat, aber spürbar.

Sowohl KMU als auch Grossunternehmen schätzen, dass die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der ESG-Anforderungen in den kommenden zwei Jahren weiter zunehmen werden. Besonders zu Buche schlagen aus ihrer Sicht die höheren Kosten für Personal und externe Dienstleister sowie die aufwendigere und langsamere Umsetzung von Projekten. Denn die neuen Richtlinien verlangen eine verstärkte Datenerhebung im Betrieb, die Erstellung eines Nachhaltigkeitsplans, die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten und die Durchführung von Risikoanalysen. Auffällig ist: Grossunternehmen schätzen diese Kosten gemessen am Jahresumsatz signifikant höher ein als KMU. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sie häufiger von den Richtlinien direkt betroffen sind.

Firmen sind Vorgaben gegenüber auch positiv eingestellt

Trotz des Mehraufwands sehen KMU in den internationalen ESG-Richtlinien auch Chancen. Am häufigsten genannt wurde die Möglichkeit, bestehende Nachhaltigkeitspraktiken zu vertiefen, die Beziehung zu Lieferanten und Kunden zu stärken sowie die Reputation zu steigern. Grossunternehmen bewerten diese Chancen signifikant höher als KMU. So nutzen Grossunternehmen die neu zu erhebenden ESG-Daten deutlich häufiger auch zur eigenen Geschäftsoptimierung (59% gegenüber 46% der KMU). Der grösste Mehrwert dieser Daten liegt den Grossunternehmen zufolge bei der Optimierung des Risiko- und Qualitätsmanagements sowie bei der Prozessoptimierung.

Die Mehrheit der Unternehmen empfindet die emotionale Belastung durch die ESG-Regulierungen als gering. Die allgemeine Einstellung ist mehrheitlich befürwortend, ohne dass es signifikante Unterschiede zwischen KMU und Grossunternehmen gibt.

Unter den betroffenen Unternehmen machen die «ausgewogenen Pragmatiker» mit 42 Prozent den grössten Anteil aus. Sie zeichnen sich durch eine differenzierte Sichtweise sowie durch leichte Zuversicht, Motivation und Optimismus aus. Sie sehen sich bei der Umsetzung der ESG-Richtlinien unterstützt und erkennen darin einen gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Nutzen. Gleichzeitig belastet sie der zusätzliche administrative Aufwand.

Dahinter folgen die «belasteten Kritiker» mit 25 Prozent. Sie erkennen kaum einen Nutzen bei den ESG-Richtlinien und sehen stattdessen ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich beeinträchtigt. 21 Prozent gehören zu den «unmotivierten Distanzierten». Ihre Wahrnehmung ist eher negativ, sie fühlen sich wenig unterstützt und sehen den Nutzen der ESG-Regulierung als gering an. Mit einem Anteil von 12 Prozent sind die «motivierten Enthusiasten» die zahlenmässig kleinste Gruppe. Sie sehen ihre Geschäftsziele durch die ESG-Anforderungen unterstützt und sind hoch motiviert, diese umzusetzen.

Unterstützende Angebote

In der Schweiz gibt es zahlreiche Angebote von Bund, Kantonen, Verbänden, internationalen Organisationen und privaten Anbietern, welche die KMU bei der Umsetzung internationaler ESG-Anforderungen unterstützen sollen. Auf Bundesebene reichen diese von Informationsportalen und Leitfäden über Selbsttests und Onlinetools bis hin zu finanziellen Förderprogrammen.

Auffällig ist, dass grosse Unternehmen deutlich mehr Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen als KMU und deren Nutzen signifikant höher einschätzen. Dies lässt darauf schliessen, dass die bestehenden Angebote den Bedürfnissen der KMU nicht ausreichend entsprechen. Vielen KMU fehlt die Orientierung darüber, welche Angebote überhaupt existieren. Zudem sind die derzeitigen Unterstützungsangebote zu unstrukturiert und zu wenig KMU-orientiert.

Um dies zu verbessern, wurden verschiedene Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Dazu gehört die Einrichtung eines (digitalen) One-Stop-Shop-Helpdesks, der den Zugang zu geeigneten Unterstützungsangeboten für KMU erleichtert. Zudem sollten branchenspezifische und -übergreifende Netzwerke gestärkt sowie länder- und branchenspezifische ESG-Informationen bereitgestellt werden. In seinem Bericht zur Beantwortung des Postulats Dittli ist der Bundesrat diesen Vorschlägen teilweise gefolgt (siehe Kasten).

  1. Ende Februar 2025 hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die verschiedenen Regelungen zur ESG-Berichterstattung und zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in einer «Omnibus-Verordnung» zusammenzufassen und zu vereinfachen. []
  2. Siehe Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, Loi relative au devoir de vigilance und Modern Slavery Act. []
  3. Hauser, C., T. Ospelt, K. Klein und R. Stampfli (2025). Studie zur Erhebung der Auswirkungen von internationalen Richtlinien im Bereich ESG auf KMU und Unterstützungsmöglichkeiten durch die Behörden. Chur: FH Graubünden Verlag. []

Zitiervorschlag: Hauser, Christian (2025). Das halten Schweizer KMU von Vorgaben zur Nachhaltigkeit. Die Volkswirtschaft, 05. November.

ESG-Richtlinien: Der Bundesrat will KMU stärker unterstützen

Im Postulatsbericht zur Beantwortung des Postulats Dittli nimmt der Bundesrat zur Kenntnis, dass Schweizer KMU auf ihren Absatzmärkten zunehmend mit Anforderungen internationaler ESG-Nachhaltigkeitsrichtlinien konfrontiert sind. Zur gezielten Verbesserung schlägt er deshalb vor, das bestehende Bundesportal zum Thema gesellschaftliche Unternehmensverantwortung (CSR) benutzerfreundlicher zu gestalten. Zudem werden Faktenblätter zu spezifischen Regulierungen bereitgestellt und ein digitaler Zugang zu einem freiwilligen europäischen KMU-Nachhaltigkeitsstandard geprüft.

Weiter intensiviert der Bund die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden und baut die Unterstützung der KMU bei der Identifikation von länder- und produktspezifischen ESG-Risiken aus. Unternehmen erhalten weiterhin Zugang zum kostenlosen CSR-Risikocheck und können zudem auf konkrete Beratungsangebote zurückgreifen – etwa durch Switzerland Global Enterprise mit den Swiss Business Hubs im Ausland.