Braucht Europa wieder eine Vermögenssteuer?
Die Vermögenssteuer stand in Frankreich erneut auf der politischen Agenda. (Bild: Keystone)
Frankreich ersetzte die Vermögenssteuer mit einer Steuer auf Immobilien. Dadurch sollten Investitionen angekurbelt und Steuerflüchtlinge zurück ins Land geholt werden. Für den Erfolg dieser Reform gibt es bislang keine überzeugende Evidenz. Der entstandene jährliche Einnahmenverlust wird auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt.
Die Vermögenssteuer brachte meistens weniger als 1 Prozent der Staatseinnahmen ein. Das war auch auf Ausnahmen und Schlupflöcher zurückzuführen. Demgegenüber wurde der administrative Aufwand als sehr hoch empfunden. Teils kassierten Gerichte die Steuer, weil unterschiedliche Bewertungen – zum Beispiel Immobilien vs. Finanzvermögen – zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung führten.
In der Schweiz ist die Steuerbasis sehr breit, und sie kennt keine Ausnahmen, dafür sind die Sätze tief. Insgesamt bringt die Vermögenssteuer 4 Prozent der Staatseinnahmen ein. Die steuerliche Unterbewertung von Immobilien ist politisch gewollt, um Wohneigentum zu fördern.
Das Thema Vermögensungleichheit ist überall in den politischen Fokus gerückt.
Das Thema Vermögensungleichheit ist überall in den politischen Fokus gerückt. Sie ist gestiegen und überall höher als die Einkommensungleichheit. In den USA, aber auch in anderen Ländern zeigt sich der Einfluss der Superreichen auf Politik und Medien, was in einer Demokratie nicht unproblematisch ist. Gleichzeitig hatten gerade europäische Länder bis vor circa 20 Jahren bereits Vermögenssteuern. Aktuelle Debatten zur erstmaligen oder erneuten Einführung laufen auch in Deutschland und Österreich. In Italien wird diskutiert, die Vermögenssteuer von Immobilien auf das gesamte Nettovermögen auszuweiten. Die EU-Kommission hat einen umfassenden Bericht in Auftrag gegeben, der alle Arten von Steuern auf Vermögen und die Erträge daraus untersucht. Das EU-Parlament lässt Optionen für mehr Koordination zwischen den Mitgliedsländern bei Vermögens- und Erbschaftssteuern prüfen.
Das ist korrekt.
Ja, die Vermögenssteuer führt dazu, dass die Progression bei der Einkommenssteuer nicht gebrochen wird. Denn sehr wohlhabende Personen können relativ leicht ihr Einkommen so gestalten, dass es erst mal nicht oder tiefer besteuert wird. Zum Beispiel, indem sie eine Holdinggesellschaft gründen und weil sie von der privilegierten Dividendenbesteuerung profitieren. Die Vermögenssteuer gleicht dies aus, sodass die Steuerlast der Reichen nicht tiefer ausfällt als jene der Mittelschicht.
Interview: Die Volkswirtschaft
Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Isabel Martínez, KOF Institut der ETH Zürich (2025). Braucht Europa wieder eine Vermögenssteuer? Die Volkswirtschaft, 17. Dezember.

Isabel Martínez ist Leiterin Sektion Verteilung und Öffentliche Finanzen am KOF Institut der ETH Zürich