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Braucht Europa wieder eine Vermögenssteuer?

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Die Vermögenssteuer stand in Frankreich erneut auf der politischen Agenda. (Bild: Keystone)
Frankreichs hohe Staatsverschuldung rückt die Vermögenssteuer in den Fokus. Weshalb hat Frankreich diese Steuer 2017 abgeschafft?

Frankreich ersetzte die Vermögenssteuer mit einer Steuer auf Immobilien. Dadurch sollten Investitionen angekurbelt und Steuerflüchtlinge zurück ins Land geholt werden. Für den Erfolg dieser Reform gibt es bislang keine überzeugende Evidenz. Der entstandene jährliche Einnahmenverlust wird auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt.

In Europa kennen nur die Schweiz, Norwegen und Spanien die Vermögenssteuer. In den Neunzigerjahren wurden Vermögen noch in mehr als zehn europäischen Ländern besteuert. Wie kam es zur Abkehr von dieser Steuer?

Die Vermögenssteuer brachte meistens weniger als 1 Prozent der Staatseinnahmen ein. Das war auch auf Ausnahmen und Schlupflöcher zurückzuführen. Demgegenüber wurde der administrative Aufwand als sehr hoch empfunden. Teils kassierten Gerichte die Steuer, weil unterschiedliche Bewertungen – zum Beispiel Immobilien vs. Finanzvermögen – zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung führten.

Was ist in der Schweiz anders?

In der Schweiz ist die Steuerbasis sehr breit, und sie kennt keine Ausnahmen, dafür sind die Sätze tief. Insgesamt bringt die Vermögenssteuer 4 Prozent der Staatseinnahmen ein. Die steuerliche Unterbewertung von Immobilien ist politisch gewollt, um Wohneigentum zu fördern.

 

Das Thema Vermögensungleichheit ist überall in den politischen Fokus gerückt.

 

Gibt es neben Frankreich in weiteren Ländern Initiativen, die Vermögenssteuer wieder einzuführen?

Das Thema Vermögensungleichheit ist überall in den politischen Fokus gerückt. Sie ist gestiegen und überall höher als die Einkommensungleichheit. In den USA, aber auch in anderen Ländern zeigt sich der Einfluss der Superreichen auf Politik und Medien, was in einer Demokratie nicht unproblematisch ist. Gleichzeitig hatten gerade europäische Länder bis vor circa 20 Jahren bereits Vermögenssteuern. Aktuelle Debatten zur erstmaligen oder erneuten Einführung laufen auch in Deutschland und Österreich. In Italien wird diskutiert, die Vermögenssteuer von Immobilien auf das gesamte Nettovermögen auszuweiten. Die EU-Kommission hat einen umfassenden Bericht in Auftrag gegeben, der alle Arten von Steuern auf Vermögen und die Erträge daraus untersucht. Das EU-Parlament lässt Optionen für mehr Koordination zwischen den Mitgliedsländern bei Vermögens- und Erbschaftssteuern prüfen.

In der Schweiz wird die Steuer kantonal erhoben. Sie trägt also gar nicht zur Schuldenentlastung auf Bundesebene bei.

Das ist korrekt.

Ist sie ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und zur Finanzierung des Gemeinwohls?

Ja, die Vermögenssteuer führt dazu, dass die Progression bei der Einkommenssteuer nicht gebrochen wird. Denn sehr wohlhabende Personen können relativ leicht ihr Einkommen so gestalten, dass es erst mal nicht oder tiefer besteuert wird. Zum Beispiel, indem sie eine Holdinggesellschaft gründen und weil sie von der privilegierten Dividendenbesteuerung profitieren. Die Vermögenssteuer gleicht dies aus, sodass die Steuerlast der Reichen nicht tiefer ausfällt als jene der Mittelschicht.

Interview: Die Volkswirtschaft

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Isabel Martínez, KOF Institut der ETH Zürich (2025). Braucht Europa wieder eine Vermögenssteuer? Die Volkswirtschaft, 17. Dezember.

Interviewpartnerin

Isabel Martínez ist Leiterin Sektion Verteilung und Öffentliche Finanzen am KOF Institut der ETH Zürich