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Technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern: Neue Akzente

In der Botschaft über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern 2009-2012 (Südbotschaft) setzt der Bundesrat einige neue Akzente für die Arbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Neben das traditionelle Leitmotiv der Solidarität mit armen und ärmsten Ländern tritt deutlicher das wohlverstandene Eigeninteresse der Schweiz, an der Armutsminderung, der Reduktion von Sicherheitsrisiken und der entwicklungsfördernden Gestaltung der Globalisierung aktiv mitzuwirken. In den sechs Kooperationsbereichen sind die Aktivitäten klarer gegliedert. Der langfristig angelegte Konzentrationsprozess der Deza wird weitergeführt: ab 2012 auf zwölf Schwerpunktländer, sechs Sonderprogramme und zehn Schwerpunktthemen. Die erwarteten Resultate werden verbindlicher benannt.

Technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern: Neue Akzente



Klassische Aufgaben der Entwicklungspolitik – wie z.B. der Abbau armutsbedingter sozialer Spannungen – werden in jüngster Zeit zu globalen Themen. Entwicklungspolitik hat deshalb mehr mit den Beziehungen zwischen den Politikbereichen (Entwicklung und Gesundheit, Entwicklung und Energie etc.) zu tun. Die Schweiz braucht eine entwicklungspolitische Gesamtsicht, um allfällige Zielkonflikte zwischen diesen Politikbereichen aufzuzeigen und Lösungen finden zu können.

Neudefinition von Auftrag und Zielen der Deza


Auftrag und Ziele der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe wurden in früheren Botschaften recht allgemein umschrieben. Diese weit gehende Autonomie hat es der Deza erlaubt, sich international als innovationsstark und flexibel zu positionieren. Sie hat aber auch zu unterschiedlichen Erwartungen an die Deza und zu einer gemischten Beurteilung ihrer Auftragserfüllung geführt. Die Südbotschaft formuliert für die nächsten Jahre klare Ziele und legt verbindliche Resultate fest. Der Entwicklungsausschuss der OECD (Development Assistance Committee, DAC) listet 50 ärmste und 18 arme Länder auf (jährliches Einkommen pro Kopf höchstens 825 US-$) und legt 29 Themenbereiche der Entwicklungszusammenarbeit fest. Er gibt jedoch keine Empfehlung für eine optimale Anzahl von Ländern und Themen ab, die ein einzelner Geber bearbeiten soll; die Schwerpunktbildung ist den einzelnen Gebern überlassen. Die Deza hat darauf mit einer langfristig angelegten, vorsichtigen Konzentration reagiert und die Zahl der Schwerpunktländer schrittweise von 24 (Botschaft 1993) auf 12 (Botschaft 2008) reduziert.  Konzentration ist jedoch kein Selbstzweck. Sie soll differenziert erfolgen, um erarbeitete Vertrauensverhältnisse nicht zu gefährden. Die Devise lautet: In verschiedenen Situationen weniger, aber das Angemessene tun. Auch thematisch kann sich die Deza nicht ausschliesslich auf das beschränken, was sie allenfalls am besten von allen Gebern könnte. Ein-Themen-Beziehungen sind riskant. Erst eine gewisse Breite der thematischen Zusammenarbeit erlaubt stabile Beziehungen. Um Wirkung zu erzielen, ist insbesondere eine einheitliche Entwicklungsstrategie wichtig. Die Schweiz braucht aufgrund ihrer eigenständigen Position in der globalisierten Welt Verbündete und Partner.  Die Neuausrichtung der Deza auf die Unterstützung der Armutsreduktionsstrategien der Schwerpunktländer in harmonisiertem Vorgehen mit andern Geberländern wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Deza erhält international regelmässig gute Noten wegen ihrer Zielgruppen- und Partnernähe, die zu bedürfnisgerechten Interventionen führen, aber auch wegen ihrer Fähigkeit, auf lokale und nationale Besonderheiten mit innovativen Ansätzen konstruktiv zu reagieren. Die Deza wird sich darum bemühen, ihren Pilotlösungen in harmonisierten Umgebungen zu Breitenwirkung zu verhelfen.  Bilaterale Hilfe und Unterstützung multilateraler Organisationen stehen in einem mehrfachen Spannungsverhältnis: Rivalitäten führen zu Reibungsverlusten; der Abgleich eigener Politiken mit international harmonisierten Ansätzen lässt Befürchtungen eines Verlusts an Einflussmöglichkeiten und an Sichtbarkeit entstehen. Die Deza wird in Zukunft noch mehr darauf achten, dass die multilateralen Themen und Prinzipien mit ihren geografisch-thematischen Portfolios verknüpft sind. Partnerorientierung ist für das Selbstverständnis der Deza zentral. Die Deza wird ihr Instrumentarium zur Kapazitätsentwicklung von Partnern verstärken und die Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden im Partner-, Programm- und Politikdialog entwickeln müssen. Die Deza hat in den letzten Jahren Politiken zu allen Schwerpunkt- und Transversalthemen entwickelt und diese zumeist durch Handbücher und Instrumente für die Umsetzung präzisiert. Viele dieser Dokumente haben international einen guten Ruf und werden häufig erwähnt oder zitiert. Die fachliche Normensetzung in der Entwicklungspolitik erfolgt jedoch heutzutage global, primär im Rahmen des DAC. Die Deza wird sich stärker auf dieses Niveau ausrichten müssen.

Ausrichtung der neuen Südbotschaft


In der neuen Südbotschaft beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten für die Jahre 2009 bis 2012 einen Rahmenkredit von 4,5 Mrd. Franken für technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe. Die Tätigkeit der Deza erstreckt sich dabei über alle sechs vom Bundesrat definierten Kooperationsbereiche der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Unterstützung der Armutsminderungs-strategien der Schwerpunktländer


In ihren Schwerpunktländern wird sich die Deza verstärkt auf die nationalen Entwicklungspläne und Armutsreduktionsstrategien ausrichten. Diese wiederum orientieren sich an den Millenium Development Goals (MDG) sowie an den Zielen der Millenniumsdeklaration (MD) und definieren national angepasste Zielgrössen. Die Deza stimmt ihre Finanzbeiträge und fachliche Unterstützung mit anderen bi- und multilateralen Gebern ab, um eine möglichst hohe Effizienz und Wirksamkeit zu erreichen.  Hauptinstrument der Unterstützungsprogramme der Deza bleiben die Kooperationsstrategien. Sie haben meist einen Fünfjahreshorizont. Sie definieren Ziele, thematische Prioritäten, Indikatoren zur Wirkungsmessung, nationale Partner, Arbeitsteilung bzw. Zusammenarbeit mit Entwicklungsagenturen und konkretisieren die genannten Prinzipien der Leistungserbringung. Sie nehmen explizit Bezug auf nationale Armutsminderungsstrategien und formulieren konkrete Resultate für die Empfängerbevölkerung und -organisationen. Die technische Zusammenarbeit bezweckt die Stärkung der Kapazitäten von öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft sowie den Know-how-Transfer. Die Finanzhilfe umfasst Beiträge im Rahmen von Programmen und Projekten, die durch mehrere Geber finanziert werden, sowie die Budgethilfe. Die Schwerpunktländer der Deza gehören weiterhin zu den ärmsten und strukturschwächsten Ländern der Welt. Die Zusammenarbeit mit ihnen bleibt langfristig angelegt. Ihr Volumen soll auf jährlich mindestens 20 Mio. Franken pro Schwerpunktland gesteigert werden, damit sich die Schweiz unter den bilateralen Gebern finanziell im Mittelfeld positionieren und am Politikdialog teilnehmen kann. Die Deza konzentriert sich ab 1.1.2012 auf folgende zwölf Schwerpunktländer und -regionen: Bhutan, Ecuador, Indien, Pakistan, Peru sind ab 1.1.2012 nicht mehr Schwerpunktländer. – Afrika: Benin, Burkina Faso, Mali, Niger, Tschad, Mosambik, Tansania; – Asien: Bangladesch, Nepal, Mekong-Region; – Lateinamerika: Bolivien, Zentralamerika.  Die maximal drei Themen pro Schwerpunktland werden auf die MDG bezogen. Die Prioritäten liegen bei den folgenden sieben Themenbereichen: 1. Einkommen und Beschäftigung (MDG 1: extreme Armut) mit Fokus auf Förderung des Privatsektors, Mikrofinanz-Dienstleistungen, Berufsbildung; 2. Landwirtschaft, ländliche Entwicklung (MDG 1: Hunger) mit Fokus auf Ernährungssicherheit, Dienstleistungssysteme, Marktzugang; 3. Bildung (MDG 2 und 3: universelle Primarschulbildung, Beseitigung des Geschlechtergefälles) mit Fokus auf informellen Formen der Grundbildung und ihrer Verbindung mit Berufsbildung im Rahmen von Reformen der Erziehungssysteme; 4. Gesundheit (MDG 4-7: Kindersterblichkeit, Müttergesundheit, HIV/Aids) mit Fokus auf die reproduktive Gesundheit sowie auf übertragbare Krankheiten und Epidemien; 5. Wasser (MDG 7: sauberes Trinkwasser, Sanitätsversorgung): integraler Ansatz zur Bearbeitung von Trinkwasserversorgung, Siedlungshygiene und Wasserressourcen-Management; 6. Natürliche Ressourcen und Umwelt (MDG 7: nachhaltige Entwicklung) mit Fokus auf Anpassung an den Klimawandel (Adaptation) und Energieversorgung für die Armen; 7. Demokratieförderung, Rechtsstaatlichkeit (MD: Gouvernanz) mit Fokus auf Menschenrechte.  Ergänzend und kontextspezifisch werden auch die Themen regionale Zusammenarbeit, Konfliktprävention und Migration bearbeitet.

Sonderprogramme zur Bewältigung von Sicherheitsrisiken


Zusätzlich unterstützt die Deza in ausgewählten Ländern und Regionen weiterhin Programme zur Reduktion folgender Risiken: Sicherheit, Naturgefahren und Epidemien, Bedrohung der natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen durch Klimawandel, Trockenheit und Wüstenbildung, Gefährdung der Erfüllung der Grundbedürfnisse armer und marginalisierter Bevölkerungsgruppen, Transition von einer Gesellschaftsordnung zu einer andern sowie irreguläre Migration. Die Deza engagiert sich auch in der Konfliktprävention. Der Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit wird komplementär zu den Instrumenten der humanitären Hilfe und der Friedensförderung (EDA, Politische Abteilung IV) gestaltet. In alle Sonderprogramme einbezogen sind die Korruptionsbekämpfung, die Gleichbehandlung verschiedener Bevölkerungsgruppen (insbesondere Frauen, Jugendliche und Minoritäten) und die Grundsätze guter Regierungsführung. Sonderprogramme erfolgen aufgrund von Kooperationsstrategien (mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren), die sich auf nationale Entwicklungsstrategien oder UNO-Aktionspläne beziehen. Die Länder/Regionen werden aufgrund besonderer entwicklungspolitischer Herausforderungen sowie spezieller aussenpolitischer Überlegungen ausgewählt. Das Engagement ist zeitlich befristet. Das jährliche Finanzvolumen beträgt normalerweise höchstens 10 Mio. Franken. Die Sonderprogramme der Deza konzentrieren sich ab 1.1.2012 auf die folgenden Länder bzw. Regionen: In Nordkorea wird ab 1.1.2012 kein Sonderprogramm mehr geführt. – Afrika: Region Grosse Seen, südliches Afrika; – Asien: Afghanistan, Mongolei; – Lateinamerika: Kuba; – Naher Osten: Palästina.  Partner der Sonderprogramme sind Regierungen der unterstützten Länder, Akteure der Zivilgesellschaft, regionale Organisationen sowie die relevanten multilateralen Agenturen. Folgende Themen stehen im Vordergrund (maximal zwei Themen pro Land): 1. Regierungsführung (MD): Staatsaufbau und Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie; 2. Krisenprävention und Krisentransformation (MD): Reform des Sicherheitssystems, Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration, konfliktsensitives Programm-Management (verbunden mit Instrumenten der Friedensförderung der Politischen Abteilung IV des EDA); 3. Einkommen und Beschäftigung (MDG 1): lokale wirtschaftliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährungssicherung; Migrationsprävention; 4. Umwelt und natürliche Ressourcen (MDG 7): spezifische Umweltrisiken (z.B. Wüstenbildung, Anpassung an Klimawandel) und Prävention von Naturkatastrophen; 5. Gesundheit (MDG 4-6): übertragbare Krankheiten, insbesondere HIV/Aids.

Beitrag zur Mitgestaltung einer entwicklungsfördernden Globalisierung


Die Deza leistet einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Im Vordergrund stehen Beiträge für die Bereitstellung regionaler und internationaler öffentlicher Güter, für den Klimaschutz und für den Zugang zu entwicklungsrelevanten Technologien (Informations- und Kommunikationstechnologie, Energie, Umwelt). Die Zusammenarbeit erfolgt im regionalen Verbund oder in Dreieckszusammenarbeit (regional bedeutendes fortgeschrittenes Entwicklungsland, Schwerpunktland, Deza). Die unterstützten Programme sind komplementär zu den wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen des Seco im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Partner sind regionale und internationale Organisationen, technisch spezialisierte Organisationen, Privatfirmen und Regierungen bedeutender und fortgeschrittener Entwicklungsländer. Zu den möglichen Einsatzregionen gehören der indische Subkontinent, das südliche Afrika und Nordafrika. Die Programme haben folgende thematische Ausrichtung: – Einkommen und Beschäftigung (MDG 1): Privatsektorentwicklung, Public-Private Partnerships; – Umwelt und natürliche Ressourcen (MDG 7): u.a. Energie, Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Ressourcennutzung; – regionale Zusammenarbeit und Integration (MDG 8): Technologie- und Forschungszusammenarbeit (z.B. Informations- und Kommunikationstechnologie).

Mitwirkung in multilateralen Entwicklungsorganisationen


Mit ihrer multilateralen Zusammenarbeit erreicht die Schweiz auch diejenigen Länder, deren Entwicklungsprobleme die Möglichkeiten bilateraler Zusammenarbeit übersteigen. Die Schweiz bemüht sich, die verschiedenen Organisationen mit angemessenen Beiträgen (Burden Sharing) finanziell mitzutragen. Als Mitglied der Leitungs- und Aufsichtsorgane dieser Institutionen kann sie ihre spezifischen entwicklungspolitischen Anliegen einbringen, trägt aber auch die Entscheide der Institutionen mit.  Die Schweiz beteiligt sich an den regelmässig wiederkehrenden Wiederauffüllungen der Entwicklungsfonds dieser Institutionen. Der Lastenanteil der Schweiz soll nicht unter eine Schwelle sinken, welche die Vertretung der Schweiz im Exekutivrat der Weltbankgruppe gefährdet. Die Schweiz beteiligt sich zudem an multilateralen Entschuldungsmassnahmen mit besonderem Augenmerk auf dem Erhalt der Finanzkraft der Entwicklungsfonds. In ihrer Zusammenarbeit mit den multilateralen Entwicklungsorganisationen setzt sich die Deza besonders für Massnahmen zur Erhöhung der Wirksamkeit und zur besseren Abstimmung der verschiedenen Organisationen untereinander ein.  Die Deza beteiligt sich an den entwicklungsrelevanten UNO-Organisationen. Sie setzt sich für die Weiterführung der begonnenen Reformen und eine verstärkte Resultat- und Wirksamkeitsorientierung ein. Die Deza unterstützt Globale Fonds und Netzwerke in Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt. Sie vertritt – alternierend mit dem Seco – die Schweiz im Entwicklungshilfeausschuss der OECD, dem für Definition und Qualitätssicherung massgebenden internationalen Gremium der Entwicklungszusammenarbeit. Schliesslich gewährleistet und intensiviert sie den Informations- und Erfahrungsaustausch mit den entwicklungsbezogenen Organisationen der EU.

Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und öffentlich-privaten Partnerschaften


Die Deza arbeitet in leicht vermindertem Umfang weiterhin eng mit Organisationen der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft sowie mit öffentlichen Körperschaften zusammen, die in der Schweiz entwicklungspolitisch tätig sind. Die Zusammenarbeit bezweckt die Realisierung von Synergien, die Mobilisierung zusätzlicher Mittel, den Erhalt einer entwicklungspolitischen Kompetenz und die Meinungsbildung von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern über das schweizerische Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit.

Koordination der Entwicklungspolitik in der Bundesverwaltung


Die Deza wird weiterhin die Entwicklungspolitik und die Leistungserbringung der Entwicklungszusammenarbeit mit allen beteiligten Organisationseinheiten der Bundesverwaltung koordinieren. Deutlich verstärken wird sie die Berichterstattung. Der Jahresbericht wird die Fortschritte in den Kooperationsbereichen mit explizitem Bezug zu den MDG und den Kriterien der Pariser Deklaration darstellen sowie eine Übersicht über die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit enthalten.

Tabelle 1 «Zusammensetzung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit des Bundes (APD), 2006a»

Zitiervorschlag: Bernhard Wenger (2008). Technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern: Neue Akzente. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.