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Technologie, Innovation und Entrepreneurship in der Schweiz

Technologie, Innovation und Entrepreneurship in der Schweiz

Die Faktoren Technologie, Innovation und Entrepreneurship gelten in einer wissensbasierten Ökonomie als Motoren des Wirtschaftswachstums. Vor dem Hintergrund des fortdauernden niedrigen Wirtschaftswachstums stellt sich die Frage, wie die Schweiz dieser Entwicklung Rechnung getragen hat. Die dem folgenden Beitrag zugrunde liegende Studie geht der Frage nach, wie die Schweiz im Vergleich mit ausgewählten OECD-Ländern dasteht. Insgesamt ergibt sich für unser Land ein gutes Bild, wobei in Teilbereichen Handlungsbedarf besteht.

Technologischer Fortschritt gilt seit den späten Fünfzigerjahren als eigentliche Quelle des Wachstums. In der Tat können neue Technologien massgeblich zu Produktivitätssteigerungen beitragen. Man denke nur etwa an die Möglichkeiten, welche sich durch die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eröffnet haben. Studien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen, dass mehr als 30% des Jahresumsatzes im industriellen Sektor auf neuen oder verbesserten Produkten beruhen. Es wird erwartet, dass Länder, welche am schnellsten neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und diese am effizientesten auf andere Sektoren der Wirtschaft adaptieren, in Zukunft die höchsten Wachstumsraten verzeichnen werden. Im Folgenden wird anhand verschiedener Indikatoren aus den Bereichen Innovation, Entrepreneurship und Technologie die Situation in der Schweiz dargestellt (siehe Kasten 1).

Innovations-Input: Forschungsfinanzierung


Forschung und Entwicklung (F&E) gestaltet sich in vielen Bereichen äusserst kostspielig. Man denke etwa an die Medizin oder an die Bio- und Nanotechnologie. Geld alleine bringt zwar noch keine Innovation hervor; dennoch stellen die Forschungsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) einen wichtigen Indikator für die Güte des Innovationsumfeldes dar.  Der Anteil der gesamten Forschungsausgaben am BIP (GERD) kann als grober Indikator für den Stellenwert von Innovation in einem Land angesehen werden. Im Vergleich mit anderen hoch entwickelten OECD-Ländern befindet sich die Schweiz dabei in der Spitzengruppe (vgl. Tabelle 1). Anhand des Indikators BERD (Anteil Ausgaben für F&E der Industrie am BIP) kann sodann der Stellenwert von F&E in der Industrie abgeschätzt werden. Auch diesbezüglich schneidet die Schweiz sehr gut ab. Dies zeigt sich in einer hohen Innovationsrate der Industrie, gemessen am Anteil der Innovationen am Umsatz im industriellen Sektor. Allerdings gelten diese sehr guten Resultate nur, wenn man sich auf die statischen Werte der Forschungsausgaben abstützt. Bei einer Analyse im Zeitvergleich gilt dies nicht mehr: Wie Tabelle 1 zeigt, gehören die Zuwachsraten der Schweiz bei beiden Indikatoren – sowohl von GERD wie auch von BERD – im internationalen Vergleich zu den niedrigsten; sie sind trotz stagnierendem BIP sogar leicht rückläufig. Dies ist in einer Zeit zunehmender Bedeutung von F&E und im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine beunruhigende Entwicklung. Demgegenüber haben andere Länder – vor allem Nordeuropas – im selben Zeitraum den Anteil ihrer Forschungsfinanzierung am BIP massiv erhöht.

Bedeutung staatlicher Forschungsmittel


Die staatlichen Forschungsgelder sind ebenfalls von grosser Wichtigkeit für die Innovationsfähigkeit eines Landes. Mit ihnen werden häufig Grundlagenforschung und langfristige Projekte finanziert, welche für die Industrie nur wenig attraktiv sind. Die Datenlage bezüglich des Indikators GovERD (Anteil der staatlichen Forschungsausgaben am BIP) ist noch wenig gesichert. Die OECD weist hier für die Schweiz einen sehr tiefen Wert aus (vgl. Tabelle 1); allerdings werden nur «federal and central government expenditures» berücksichtigt.1 Das tiefe Niveau erstaunt, da die Schweiz bezüglich des Anteils der Ausgaben für Grundlagenforschung am BIP mit Abstand an der Spitze der Vergleichsländer liegt. Dies gilt auch für den Anteil der Grundlagenforschung an den gesamten Forschungsaktivitäten.  Trotzdem gibt es auch hier Anlass zu Besorgnis. So ist der Anteil der staatlichen Forschungsausgaben, welcher für Biotechnologieforschung oder den Gesundheitsbereich verwendet wird, äusserst gering. Dies lässt eine vergangenheitsorientierte Verteilung von staatlicher Forschungsfinanzierung vermuten, die nur wenig Rücksicht auf sich neu entwickelnde Technologien nimmt.

Innovations-Output: Schweiz Spitzenposition bei Patenten und Publikationen


Die Innovations-Output-Indikatoren zeigen, dass die Forschungsgelder auf fruchtbaren Boden fallen. So liegt die Schweiz sowohl bezüglich Publikationen wie auch bezüglich der Anzahl Patente pro Kopf an der Spitze der Vergleichsländer (vgl. Tabelle 2). Auch bezüglich der Anzahl Patente pro eingesetzte Forschungsmillion führt unser Land die Rangliste an. So gesehen ist die Forschung in der Schweiz überaus effizient. Allerdings hat sich unser Land bezüglich Patenten pro Kopf während der Neunzigerjahre relativ verschlechtert, ohne jedoch die Spitzenposition abzugeben. Betrachtet man nur die Patente im Biotechnologie- und Informationstechnologiesektor, so schneidet die Schweiz wiederum schlecht ab.

Gemischte Bilanz im Innovationsbereich


Somit ergibt sich im Bereich der Innovationen eine gemischte Bilanz. Sowohl beim Innovations-Input wie beim -Output steht die Schweiz statisch betrachtet sehr gut da. Besorgniserregend sind allerdings der Rückgang der Forschungsgelder allgemein sowie der niedrige Anteil staatlicher Gelder, welche in junge Forschungsgebiete fliessen. Eine direkte Folge daraus könnte in der tiefen Anzahl Patente in zukunftsweisenden Industrien – wie Biotechnologie und IKT – bestehen. Doch es sind gerade diese Industrien, welche ein grosses Wachstumspotenzial bieten. In dieser Unflexibilität der Forschung gegenüber jungen, aufkommenden Technologien liegt ein grosses Handicap für die Schweiz.  Die Innovations-Output-Indikatoren zeigen ein ähnliches Bild. Die grosse Zahl an Patenten weist hier zwar auf eine hohe Innovationstätigkeit hin, die allerdings wiederum im Bereich neuer (und potenzieller Wachstums-)Technologien im Vergleich zu anderen Ländern weit hinterherhinkt. Auch Foray (2002) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Er bezeichnet die innovative Aktivität der Schweiz in jungen Bereichen der Ökonomie als gering und schliesst daraus, dass die beste Performance in Forschung, Technologie und Innovation in etablierten Industrien stattfindet. Daraus ergeben sich eher langsame, kleinere Innovationsschritte anstelle von radikalen Neuerungen. Dieses «sich ausruhen» auf bestehenden Industrien birgt die Gefahr, den Anschluss an junge Technologien und somit an künftige Wachstumstreiber zu verlieren.

Entrepreneurship – eine wichtige Triebkraft im Wirtschaftsmotor


Mittels Entrepreneurship können die in Forschung und Entwicklung gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden und aktiv in den Wirtschaftskreislauf einfliessen. Über die Kausalität zwischen Entrepreneurship und Wirtschaftswachstum lässt sich streiten: Es leuchtet jedoch ein, dass durch unternehmerischen Geist und Initiative langfristig eine Modernisierung stattfindet, die zur Wahrung komparativer Wettbewerbsvorteile notwendig ist. Messen lässt sich diese Grösse auf verschiedene Weise; alle Methoden kommen hier zum gleichen Ergebnis: In der Schweiz ist es schlecht um Entrepreneurship bestellt (vgl. Tabelle 3).  Betrachtet man die Anzahl der Firmengründungen im privaten Sektor in Prozent des Unternehmensbestandes, so landet die Schweiz auf dem zweitletzten Platz. Ein ähnliches Ergebnis resultiert aus der Betrachtung des vom Global Entrepreneurship Monitor verwendeten Total-Entrepreneurial-Activity-Index (TEA). Dieser beinhaltet zum einen alle sich in Gründung befindenden Unternehmen sowie Unternehmen, welche nicht älter als 42 Monate sind. Auch hier befindet sich die Schweiz im unteren Mittelfeld. Dasselbe Bild zeigt sich auch, wenn man als Indikator für Entrepreneurship die Anzahl der Geschäftsinhaber in Prozent der Erwerbstätigen betrachtet.

Gründe für das schlechte Abschneiden der Schweiz


Gründe für dieses schlechte Abschneiden können entweder in den vergleichsweise hohen regulatorischen Hürden in der Schweiz, der geringen Marktgrösse oder im Fehlen von Venture Capital liegen. Hinzu kommt eine schweizerische Mentalität, die als Folge einer tendenziell hohen Risikoaversion Unternehmensgründungen wenig zugeneigt ist.  Laut OECD wirken sich administrative Prozeduren, die Beschaffung der nötigen Informationen sowie die daraus entstehenden Kosten am negativsten auf die Entrepreneurship-Rate aus. Im Rahmen der Vergleichsländer kommt die Schweiz diesbezüglich im Mittelfeld zu liegen.  Ähnlich schwer wiegt das Fehlen von Venture Capital in Verbindung mit ungenügenden Managementkenntnissen. Dies trifft besonders in der Startphase der Unternehmensgründungen zu. Betrachtet man die Eigenkapital/Venture-Capital-Investitionen als Prozentsatz vom BIP, so liegt die Schweiz im unteren Mittelfeld (vgl. Tabelle 3). Auffallend ist dabei, dass vom in der Schweiz verfügbaren Venture Capital ein grosser Teil ins Ausland fliesst; die Schweiz gehört somit zu den Netto-Venture-Capital-Exporteuren. Dies lässt die Vermutung zu, dass das Ausland entweder attraktiver für den Einsatz von Venture Capital ist oder dass in der Schweiz zu wenige Investitionsmöglichkeiten vorhanden sind.

Technologie – ein Schlüsselfaktor für das Wirtschaftswachstum


Die letzte Gruppe von Indikatoren soll feststellen, wie offen die Schweiz gegenüber neuen Technologien ist und wie schnell sie diese adaptiert. Hinweise hierzu geben einerseits der Anteil an Hightech-Industrien und andererseits die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Ein hoher Anteil an technologie- und wissensintensiven Industrien wirkt sich positiv auf das Wirtschaftswachstum aus; dies zum einen durch das Bereitstellen einer modernen Infrastruktur und zum anderen durch Produktivitätssteigerungen, welche eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringen.  Betrachtet man den Anteil wissensintensiver Industrien, so befindet sich unser Land in einer guten Position. Mit rund 10,5% entsteht in der Schweiz im internationalen Vergleich der drittgrösste Anteil Wertschöpfung in wissens- und technologieintensiven Industrien. Dass diese auch auf dem Weltmarkt gefragt sind, zeigt eine Platzierung in der Spitzengruppe bei den Exportanteilen der Hightech-Branchen (vgl. Tabelle 4). Betrachtet man die Ausgaben für Informationstechnologien in Prozent vom BIP, so steht die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut da. Wie Tabelle 4 zeigt, befinden wir uns – international gesehen – bezüglich der Verbreitung des Internets im Mittelfeld, dies sowohl bei der Anzahl Internet Hosts wie auch bei der Anzahl Websites pro 1000 Einwohner.

Fazit


Zusammenfassend stellt sich die Situation in der Schweiz bezüglich Innovation, Entrepreneurship und Technologie uneinheitlich dar. Einerseits sind hervorragende Leistungen zu beobachten, so beispielsweise bei der Höhe der Forschungsfinanzierung, der Anzahl Patente oder der Wertschöpfung in technologieintensiven Industrien. Andererseits geben verschiedene Punkte Anlass zur Sorge. Das betrifft etwa die Stagnation der Forschungsgelder, der geringe Anteil der Mittel, welche in junge Technologien fliessen, und – vermutlich als Folge davon – die niedrige Anzahl Patente in diesen Gebieten. Dazu kommen schlechte Rahmenbedingungen für Entrepreneurship sowie eine eher zögerliche Haltung gegenüber der Anwendung neuer Technologien. Das Potenzial für hervorragende Leistungen ist in der Schweiz ohne Zweifel vorhanden. Jedoch ist es von grösster Wichtigkeit, dass die Gefahr der Stagnation auf hohem Niveau erkannt und überwunden wird, um im Vergleich mit anderen Volkswirtschaften konkurrenzfähig zu bleiben. Denn Fortschritt lässt sich nicht mit Stagnation erreichen.

Kasten 1: Innovation – Definition und OECD-Indikatoren Unter Innovation versteht man die Entwicklung, Umsetzung und ökonomische Verwendung neuer Produkte, Prozesse und Dienstleistungen. Diese können entweder auf einer Weiteroder auf einer Neuentwicklung beruhen. Ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft und das Wirtschaftswachstum entfalten Innovationen in der Eröffnung neuer ökonomischer Möglichkeiten und durch die Steigerung der Produktivität. Direkt messen lassen sich Innovationen zwar nicht, doch gibt es Indikatoren, welche zumindest Hinweise auf die Innovationskraft eines Landes geben. Dabei ist zwischen Innovations-Input- und Innovations-Output-Indikatoren zu unterscheiden. Zu den Input-Indikatoren zählen Art und Verwendung von Forschungsfinanzierung, während wissenschaftliche Publikationen und Patente zu den Output-Indikatoren zählen. Die OECD unterscheidet zwischen den drei folgenden Indikatoren: – gesamte Forschungsausgaben oder Gross Expenditures on Research and Development (GERD);- Ausgaben für F&E der Industrie oder Business Expenditures on R&D (BERD);- staatliche Ausgaben für F&E oder Government Expenditures on R&D (GovERD).

Kasten 2: Literatur – Baygan, Günseli und Freudenberg, Michael (2000): The Internationalization of Venture Capital Activity in OECD Countries: Implications for Measurement and Policies, in: STI Working Papers 2000/7, OECD Growth Project Background Papers Nr. 3, Paris.- Foray, Dominique (2002): Innovation Capabilities: The swiss puzzle.- Global Entrepreneurship Monitor, www.gemconsortium.com .- Mohr, Thomas (2004): Technologie, Innovation und Entrepreneurship in der Schweiz – eine Standortbestimmung, erschienen in Bodmer/Borner (Hrsg.) (2004): Wohlstand ohne Wachstum – Die Hintergrundberichte, WWZ Forschungsbericht 04/06, Basel.- Observatory of European SMEs (2002): Nr. 5: Business Demography in Europe, European Communities 2002.- OECD STI Database.

Zitiervorschlag: Thomas Mohr (2005). Technologie, Innovation und Entrepreneurship in der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.