
Benachbarte Regionen wie Bayern sind wichtige Absatzmärkte für Schweizer Firmen. Wasserschloss Neuhaus bei Nürnberg in Bayern. (Bild: Keystone)
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Zu den Erfolgsfaktoren gehört, neben Stabilität und freiem Unternehmertum, der Aussenhandel. Sie ist umgeben von grossen und stark entwickelten Binnenmärkten: Die Europäische Union (EU) und die benachbarten Länder und Regionen nehmen im grenzüberschreitenden Warenverkehr eine besonders wichtige Stellung ein. Das fördert eine internationale Arbeitsteilung, in der sich Unternehmen in der Schweiz auf wertschöpfungsintensive Tätigkeiten konzentrieren können und Zugang zu grossen Märkten haben.
Die benachbarten Länder und Regionen sind nicht nur wichtige Absatzmärkte. Schweizer Firmen sind mit ihnen auch durch Wertschöpfungsketten verbunden, bei denen Zwischenprodukte zwischen Betriebsstätten in den Nachbarregionen ausgetauscht werden.[1] Der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz ist zudem eng verbunden mit der Offenheit und Attraktivität für Arbeits- und Fachkräfte, die vielfach aus dem umliegenden Ausland kommen. Darüber hinaus entsenden Unternehmen Mitarbeiter ins benachbarte Ausland oder arbeiten mit Entsendeten aus den Nachbarregionen.[2]
Nachbarregionen als Absatzmärkte immer noch vor China
Die Europäische Union ist 2023 mit einem Volumen von rund 150,8 Milliarden Schweizer Franken und einem Anteil von 40 Prozent aller Exporte der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Waren.[3] Die Ausfuhren in die unmittelbar angrenzenden Nachbarländer betrugen etwas mehr als ein Viertel aller Exporte. Deutschland ist mit einem Anteil von 12 Prozent an allen Exporten nach den USA (15%) der wichtigste Absatzmarkt, noch vor China (11%). Jeder dritte Exportfranken aus der EU stammt aus Deutschland. Die Nachbarregionen haben als Absatzmarkt eine ähnlich hohe Bedeutung wie Deutschland oder China.[4] 11 Prozent aller Schweizer Exporte gehen in die angrenzenden Regionen, davon rund zwei Fünftel nach Baden-Württemberg (siehe Abbildung 1). Weitere wichtige benachbarte regionale Absatzmärkte sind die Lombardei (1,6%), Bayern (1,3%) und Auvergne-Rhone-Alpes (1,2%). Alle anderen Regionen liegen unter 1 Prozent.
Die hohe Bedeutung der pharmazeutischen und chemischen Industrie und der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) in der Schweiz zeigt sich bei den exportierten Gütern: Produkte aus den MEM-Branchen machen etwa die Hälfte der Schweizer Ausfuhren in die Lombardei und nach Bayern und mehr als ein Drittel nach Baden-Württemberg aus (siehe Abbildung 2). Bei den Exporten nach Baden-Württemberg sind die chemisch-pharmazeutischen Produkte mit 35 Prozent ähnlich wichtig. Etwa jeder dritte Exportfranken in Baden-Württemberg und in der Lombardei wird mit chemisch-pharmazeutischen Produkten verdient, jeder fünfte in Bayern.
Bei den Dienstleistungsexporten ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Schweiz exportierte im Jahr 2023 total Dienstleistungen im Umfang von 59,3 Milliarden Schweizer Franken in die EU. Das sind zwei Fünftel aller Dienstleistungsexporte. Auch hier ist Deutschland mit einem Anteil von 12 Prozent wiederum nach den USA (19%) der wichtigste Abnehmer, gefolgt von Frankreich (6%) und Italien (4%).[5] Insgesamt wird knapp ein Viertel aller Dienstleistungsexporte in den benachbarten Ländern erbracht.
Abb. 1: Nachbarländer nehmen beim Warenhandel mit der Schweiz eine bedeutende Stellung ein (2023)
Quelle: BAK Economics / Istat / Destatis / DGDDI / Statistik Austria / BAZG / Die Volkswirtschaft
Anmerkung: Anteil an gesamten Importen beziehungsweise Exporten der Schweiz in Prozent
Bedeutung der Nachbarländer sinkt leicht
In Zuge der Globalisierung haben die Handelsbeziehungen zu entfernteren Absatzmärkten zugenommen, und die Bedeutung der Nachbarländer hat dadurch relativ abgenommen. Im Jahr 2010 betrug der Anteil der Warenexporte in die Nachbarländer noch 38 Prozent. In jüngster Zeit lassen sich jedoch nur leichte Veränderungen feststellen. Der Anteil der Warenausfuhren in die Nachbarländer hat in den letzten Jahren von 28,6 Prozent im Jahr 2019 auf 26 Prozent im Jahr 2023 leicht abgenommen. Der Anteil der in die Nachbarländer exportierten Dienstleistungen hat sich hingegen kaum verändert.
Eine noch höhere Bedeutung haben die EU und die benachbarten Länder und Regionen als Einfuhrmärkte. Die Hälfte aller Importe von total 329 Milliarden Schweizer Franken kommt aus der EU, mehr als ein Drittel aus den Nachbarländern und 15 Prozent aus den benachbarten Regionen.[6] Damit haben die benachbarten Regionen eine leicht höhere Bedeutung als die USA und China zusammen. Deutschland und Baden-Württemberg zeichnen sich wiederum als mit Abstand wichtigste Handelspartner aus.
Das Volumen der Importe aus Deutschland übersteigt mit fast einem Fünftel am Total das kumulierte Volumen der USA und von China (14,6%). 8 Prozent der Warenimporte kommen aus Italien und 6 Prozent aus Frankreich. Baden-Württemberg ist der wichtigste Einfuhrmarkt der benachbarten Regionen mit einem ähnlichen Volumen wie China, gefolgt von der Lombardei und Bayern (siehe Abbildung 1). Aus den Nachbarregionen werden am häufigsten Metall-, Elektro- und Maschinenprodukte bezogen, gefolgt von chemisch-pharmazeutischen Produkten (siehe Abbildung 2). Fahrzeuge und Fahrzeugteile sind zudem wichtige Importprodukte aus Bayern und Baden-Württemberg. Aus der Lombardei werden neben Industrieprodukten vor allem Textil-, Bekleidungs- und Lederwaren importiert.
Dienstleistungen im Wert von 75,4 Milliarden Schweizer Franken werden aus der EU in die Schweiz importiert, was einem Anteil von 44 Prozent an allen Importen entspricht. Auch bei den Importen ist Deutschland der zweitwichtigste Lieferant (13%). Die Bedeutung der Nachbarländer als Einfuhrmärkte für Waren hat von 39 Prozent (2019) auf 35 Prozent (2023) leicht abgenommen, jener der Dienstleistungsimporte war ebenfalls etwas rückläufig.
Abb. 2: Am häufigsten werden aus den Nachbarregionen Maschinen-, Elektro- und Metallprodukte (MEM-Produkte) importiert (2023)
Quelle: BAK Economics / Istat / Destatis / BAZG / Die Volkswirtschaft
Anmerkung: Anteil an gesamten Importen beziehungsweise Exporten der Schweiz mit der jeweiligen Region in Prozent.
Nachbarregionen für den Schweizer Arbeitsmarkt unverzichtbar
Die Verflechtung zwischen der Schweiz und den EU-Nachbarländern und -regionen zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Insgesamt arbeiteten in der Schweiz im Jahr 2023 im Schnitt ca. 388’600 Grenzgänger aus den EU-Nachbarländern und damit auch vor allem aus den angrenzenden Regionen.[7] Damit ist ca. jeder 15. Beschäftigte in der Schweiz ein Grenzgänger aus den EU-Nachbarländern. Während beim Warenhandel Deutschland der mit Abstand wichtigste benachbarte Partner ist, kommen die meisten Grenzgänger aus Frankreich (219’516), gefolgt von Italien (91’741) und Deutschland (64’834). Aus Österreich pendeln im Schnitt 8700 Personen über die Schweizer Grenze. Die Grenzgängerzahlen aus Liechtenstein sind gering.
Die Bedeutung der Grenzgänger für die Schweizer Wirtschaft hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen: Ihre Anzahl hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Auch wenn mit zunehmender internationaler Arbeitsteilung die Bedeutung der aussereuropäischen Wirtschaftsverflechtungen zugenommen hat, so sind doch die angrenzenden grossen entwickelten Volkswirtschaften, allen voran Deutschland, nach wie vor führende Handelspartner.
- Siehe BAK Economics (2019), S. 9. []
- Siehe BAK Economics (2019), S. 7. []
- Siehe BFS/BAZG (2024a). []
- Die Nachbarregionen umfassen Baden-Württemberg, Bayern, Grand Est, Bourgogne-Franche-Comté, Auvergne-Rhone-Alpes, Lombardia, Trentino-Alto Adige/Südtirol, Valle d’Aosta, Piemonte, Tirol, Voralberg. []
- Siehe Services Trade Cockpit des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). []
- BFS/BAZG (2024b). []
- BFS (2024). []
Literaturverzeichnis
- BAK Economics (2019). Die Bedeutung der EU-Nachbarregionen für die Schweizer MEM-Industrie.
- Bundesamt für Statistik – BFS (2024). Ausländische Grenzgänger/innen nach Arbeitskanton, Wohnsitzstaat, Geschlecht und Quartal.
- Bundesamt für Statistik – BFS / Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit – BAZG (2024a). Ausfuhr nach Handelspartnern (Länder).
- Bundesamt für Statistik – BFS / Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit – BAZG (2024b). Einfuhr nach Handelspartnern (Länder).
Bibliographie
- BAK Economics (2019). Die Bedeutung der EU-Nachbarregionen für die Schweizer MEM-Industrie.
- Bundesamt für Statistik – BFS (2024). Ausländische Grenzgänger/innen nach Arbeitskanton, Wohnsitzstaat, Geschlecht und Quartal.
- Bundesamt für Statistik – BFS / Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit – BAZG (2024a). Ausfuhr nach Handelspartnern (Länder).
- Bundesamt für Statistik – BFS / Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit – BAZG (2024b). Einfuhr nach Handelspartnern (Länder).
Zitiervorschlag: Wagner, Andrea (2024). Handel: Die geografische Nähe zählt. Die Volkswirtschaft, 12. Juli.