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Die Finanzmarktaufsicht geht gegen unseriöse Versicherungsvermittler vor

Die telefonische Kaltakquise ist in der Schweiz im Bereich der Krankenversicherung seit dem 1. September 2024 verboten. Trotzdem werden immer noch viele Privathaushalte mit unerwünschten Telefonanrufen bezüglich Krankenkassenwechsel belästigt. Erste Untersuchungen laufen.
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Oft unerwünscht: Anrufe zur Vermittlung von Krankenversicherungen sind nur noch eingeschränkt erlaubt. (Bild: Keystone)

Es ist halb sieben. Die Familie sitzt am Tisch und freut sich auf das gemeinsame Abendessen. Da klingelt das Telefon. «Guten Abend», sagt eine unbekannte Stimme, «ich habe ein unglaubliches Angebot für Sie. Ich arbeite für die Tellsana, die grösste Krankenversicherung der Schweiz. Ihre bisherige Krankenversicherung wird nächstes Jahr 20 Prozent teurer. Wechseln Sie zu uns und profitieren Sie vom günstigsten Angebot mit vielen Zusatzleistungen.»

Das Beispiel ist fiktiv, aber nicht aus der Luft gegriffen. Auch in diesem Jahr wurden in der Schweiz zahlreiche Personen mit ähnlichen Anrufen belästigt. Die Anrufer erfinden oft Vorwände, um ihre Gesprächspartner zu einem Beratungstermin zu drängen. Dabei wird auch mit Unwahrheiten argumentiert. Denn der Anrufer arbeitet nicht für einen Schweizer Krankenversicherer, sondern sitzt in einem Callcenter. Sein Name oder die gemachten Angaben zur bestehenden Versicherungspolice und zu neuen Produkten sind erfunden. Der Termin wird nicht mit der Person am Telefon vereinbart, sondern über eine Art Terminbörse an einen Vermittler verkauft. Dieser Vermittler wiederum versucht dann, ein Beratungsgespräch abzuschliessen, und vermittelt im Erfolgsfall den Versicherungsvertrag an einen Krankenversicherer, der ihm dafür eine Provision zahlt.

Mit neuer Regulierung Missbrauch verhindern

Um der missbräuchlichen Vermittlertätigkeit wie im Beispiel einen Riegel zu schieben, hat der Gesetzgeber im Jahr 2024 verschiedene Änderungen eingeführt. Vermittlerinnen und Vermittler im Privatversicherungsbereich werden neu von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) beaufsichtigt.[1] Sie müssen bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zum Beispiel müssen sie eine obligatorische Aus- und Weiterbildung gemäss dem vom Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft (VBV) ausgearbeiteten Mindeststandard vorweisen können.

Zudem müssen sie über einen guten Ruf verfügen und Gewähr für die Einhaltung der Gesetze bieten. CV, Straf- und Betreibungsregisterauszug werden geprüft. Darüber hinaus gibt es besondere Anforderungen an die Durchführung von Beratungsgesprächen. So ist etwa bei der Vermittlung von Krankenversicherungen ein Beratungsprotokoll zwingend zu erstellen, welches die Zustimmung des Kunden sowie der Beratungsperson zu den wichtigsten Punkten des Gesprächs enthält. Auch ist im Bereich Krankenversicherung die sogenannte Kaltakquise verboten.

Von einer Kaltakquise spricht man bei unaufgeforderter und unerwünschter telefonischer Kontaktaufnahme durch Versicherungsunternehmen oder -vermittler wie im einleitenden Beispiel. Erlaubt sind Anrufe nur, wenn bereits eine Geschäftsbeziehung besteht, wenn die Kunden bis vor weniger als drei Jahren bei der entsprechenden Krankenkasse versichert waren oder wenn der Anruf auf Empfehlung einer dem Angerufenen bekannten Drittperson erfolgt.

Bei Gesetzesverstössen kann die Finma Massnahmen gegen die fehlbaren Institute und Privatpersonen ergreifen. Sie kann das Geschäftsmodell stoppen oder den Beteiligten die Bewilligung entziehen. Dazwischen gibt es verschiedene weitere Massnahmen, welche die Finma anordnen kann. Bei Verletzung von Informationspflichten (siehe Kasten), bei unbewilligter Tätigkeit und bei Missachtung der besonderen Bestimmungen in der Krankenversicherung erstattet die Finma zudem Strafanzeige.

Missbräuchliche Vermittler aufdecken

Die Strukturen von missbräuchlichen Vermittlerkonstrukten sind oft komplex und mehrstufig aufgebaut. Teilweise sind auch im Ausland wohnhafte Personen beteiligt, was die Untersuchungen noch komplizierter macht. Entscheidend für eine erfolgreiche Intervention der Finma ist, dass genügend Anhaltspunkte vorliegen, die zu den am Konstrukt beteiligten Personen führen. So muss etwa anhand der Geldflüsse (bezahlte Provisionen und andere Entschädigungen) festgestellt werden können, wer die Hauptverantwortung für die missbräuchliche Vermittlertätigkeit trägt.

Die Finma hat deshalb die Versicherungsunternehmen aufgefordert[2], ihre Geschäftspartner mit entsprechenden Governance-Regeln und wirksamen Kontrollen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation anzuhalten. Mit den von ihnen bezahlten Provisionen haben die Versicherungen einen direkten Einfluss auf die Geschäftspraktiken im Vermittlermarkt.

Erste Untersuchungen laufen

Die Finma hat bereits zahlreiche Hinweise auf unbewilligte oder missbräuchliche Vermittlertätigkeit erhalten und in rund 100 Fällen vertiefte Abklärungen eröffnet. Dabei wurden über 350 Vermittlerinnen und Vermittler identifiziert, welche ohne Bewilligung der Finma tätig waren. In einzelnen Fällen sind mehrere unbewilligte Partner aufgeflogen, die gemeinsam kooperiert haben. Da die Finma auf möglichst viele und fundierte externe Hinweise von Betroffenen angewiesen ist, um ein Verfahren gegen fehlbare Marktteilnehmer führen zu können, hat sie auf ihrer Website ein allgemeines Meldeformular sowie ein spezifisches Formular zur Meldung von Kaltakquise aufgeschaltet.

  1. Für die obligatorische Krankenversicherung ist das Bundesamt für Gesundheit nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) zuständig. []
  2. Siehe Aufsichtsmitteilung 05/2024 vom 17. Juli 2024. []

Zitiervorschlag: Geissbühler, Markus (2025). Die Finanzmarktaufsicht geht gegen unseriöse Versicherungsvermittler vor. Die Volkswirtschaft, 28. Januar.

Was Versicherte beachten sollten

Wichtig ist, dass die Versicherten ihre Rechte kennen und auf die notwendigen Informationen seitens der Vermittler bestehen:

  • Bei telefonischer Beratung muss die Identität des Beraters bekannt sein.
  • Es muss klar sein, für welches Unternehmen und für welche Versicherungsgesellschaften der Berater tätig ist.
  • Eine schriftliche Bestätigung mittels Beratungsprotokoll, in dem die wichtigsten Punkte des Beratungsgesprächs festgehalten werden, kann möglichen Missbräuchen bei Vertragsabschluss vorbeugen. Bei Krankenversicherungen ist es zwingend.

 

Weitere Informationen zu den Rechten und Möglichkeiten zum Schutz der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) in einem kurzen Video zusammengestellt.