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Stehen die Negativzinsen vor ihrem Comeback?

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Martin Schlegel, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, muss abwägen: Wie stark darf der Schweizer Franken sein, ohne zur Last zu werden? (Bild: Keystone)
Die Finanzmärkte sind seit Wochen sehr volatil. Der Franken nimmt an Wert zu. Ist das Ausmass bedrohlich für unsere Exportwirtschaft?

Die Schweizer Exportindustrie steht tatsächlich vor herausfordernden Monaten. Nicht nur die Aufwertung des Frankens drückt auf die Marge. Exporte in die USA könnten mit Zöllen belegt werden. Und gleichzeitig steht die Weltwirtschaft vor einem Abschwung.

Wie reagiert die Schweizerische Nationalbank auf den starken Franken?

Die SNB muss abwägen: Sie kann zwar kurzfristig eingreifen und mit Devisenkäufen den Kurs etwas drücken. Das hilft der Konjunktur. Langfristig kann sie sich aber nicht gegen die Realitäten stemmen. Sprich: Sie muss Aufwertungen des Frankens zulassen, wenn sie den Franken nicht an die Währungen der grossen Währungsräume binden will, deren Schuldenpolitik in einem massiven Kaufkraftverlust enden wird. Immerhin beweist die Schweiz, dass eine starke Währung sehr wohl mit einer starken Exportindustrie einhergehen kann.

Der Einfluss der einheimischen Geldpolitik auf die langfristigen Zinsen wird überschätzt.

Verzichtet die SNB auf Devisenkäufe aus Angst vor unberechenbaren Reaktionen der Trump-Regierung?

Devisenkäufe bringen Nachteile mit sich. Sie erhöhen zum Beispiel die Risiken in der Bilanz der SNB. Verluste könnten dazu führen, dass das Eigenkapital aufgezehrt wird. Und ja: Wenn die SNB am Devisenmarkt interveniert, stärkt dies andere Währungen. Devisenreserven können so zu einem aussenpolitischen Thema werden. Wir würden uns in der Schweiz wünschen, dass die Politik einen grossen Bogen um die Notenbank macht. Doch in Konfliktzeiten lässt sich eine «Geopolitisierung» der Nationalbank nicht verhindern. Die SNB wird sich davon aber kaum von Devisenkäufen abhalten lassen. Umgekehrt könnte es sich für die Schweiz sogar lohnen, sich darauf vorzubereiten, wie sie die Stärke des Frankens in Notfällen geostrategisch nutzen kann.

Für wie wahrscheinlich halten Sie Negativzinsen für die Schweiz bis Ende Jahr?

Auch hier muss sich die SNB die Frage stellen, was sie damit erreichen kann. Tiefere Zinsen sollen den Franken schwächen, doch dieser Effekt ist umstritten. Wenn viele Anleger den Franken als sicheren Hafen suchen, bringt ein kleiner zusätzlicher Zinsunterschied wenig. Die klassische Zinspolitik von Notenbanken hingegen wirkt nur verzögert, oft erst nach mindestens ein bis drei Jahren. Doch wer weiss heute, was die Wirtschaft dann braucht? Deshalb taugt Zinspolitik kaum zur Konjunktursteuerung, und Negativzinsen lassen sich damit auch nicht begründen.

Sinken bald auch die zehnjährigen Hypothekarzinsen?

Nicht unbedingt. Der Einfluss der einheimischen Geldpolitik auf die langfristigen Zinsen wird überschätzt. Wichtig sind auch die Fiskalpolitik und internationale Entwicklungen. Bei den Hypothekarzinsen kommt hinzu, dass die Banken ihre Margen bei Hypotheken erhöhen, wenn sie wegen Null- oder Negativzinsen weniger Marge auf den Kundeneinlagen durchsetzen können.

Interview: «Die Volkswirtschaft»

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Adriel Jost, Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (2025). Stehen die Negativzinsen vor ihrem Comeback? Die Volkswirtschaft, 20. Mai.

Interviewpartner

Adriel Jost ist Ökonom und Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP), Universität Luzern