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Wie entwickelt sich die Zufriedenheit am Arbeitsplatz?

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Interessante und vielfältige Tätigkeiten erhöhen die Arbeitsmotivation. (Bild: Keystone)
Wie wichtig ist die Arbeit für Schweizerinnen und Schweizer?

Im Schweizer Human Relations Barometer 2024 gaben rund zwei Drittel der Beschäftigten an, dass die Arbeit zentral in ihrem Leben sei. Wenn man allgemeiner fragt, ob ihnen die Arbeit wichtig sei, sind es sogar 84 Prozent.

Was motiviert Menschen zur Arbeit?

Einerseits externe Motivatoren wie der Lohn und gute Arbeitsbedingungen, aber auch Druck und Überwachung durch Vorgesetzte. Andererseits gibt es intrinsische Motivation, wenn die Arbeit eigenständige Entscheidungen, Lernen und Kooperation ermöglicht sowie interessant und vielfältig ist. Intrinsische Motivation ist generell vorteilhafter.

Ist den jüngeren Generationen die Work-Life-Balance wichtiger?

Ja, unsere Ergebnisse legen nahe, dass es tatsächlich eine solche Tendenz gibt. Während die Bedeutung der Familie in unserer Erhebung 2024 fast unverändert ist zu den Ergebnissen 2014, hat die Bedeutung von Erwerbsarbeit ab- und jene von Freizeit zugenommen – im Schnitt je etwa 4–5 Prozent. Bei den jüngsten Beschäftigten ist die Freizeit heute gleich wichtig oder sogar etwas wichtiger als die Erwerbsarbeit. Über alle Altersgruppen hinweg zeigt sich, dass Arbeit mit zunehmendem Alter wichtiger und Freizeit weniger wichtig wird. Für Befragte im mittleren Alter ist die Familie generell der wichtigste Lebensbereich.

 

Zunehmend müssen sich Beschäftigte mit ihrer Arbeit arrangieren und sind weniger proaktiv engagiert.

 

Wie wichtig sind flexible Arbeitsmodelle für die Arbeitszufriedenheit?

Flexibilität wird von Beschäftigten sehr geschätzt, wie regelmässige Erhebungen der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigen. 2022 war für 15 Prozent der Befragten die Möglichkeit zu örtlich flexibler Arbeit sogar ein Musskriterium für eine hypothetische neue Stelle.

Wie hat sich die Arbeitszufriedenheit über die Zeit entwickelt?

Im HR-Barometer unterscheiden wir jeweils fünf Typen: Seit dem Beginn unserer Befragungen 2006 sind die stabilisiert Zufriedenen immer die grösste Gruppe mit 35 bis 40 Prozent. Diese wünschen sich, dass alles so gut bleibt, wie es derzeit ist. Dann kommen die resignativ Zufriedenen, welche Zufriedenheit erlangen, indem sie die eigenen Ansprüche senken. Ihr Anteil ist über die Jahre angestiegen von unter 20 auf 29 Prozent. Auch der Anteil der fixiert Unzufriedenen ist von 5 auf 9 Prozent leicht gestiegen. Bei Ihnen klaffen Erwartung und Wirklichkeit auseinander, ohne dass sie selber Lösungsmöglichkeiten sehen.

Insgesamt also ein eher negativer Trend?

Ja. Zunehmend müssen sich Beschäftigte mit ihrer Arbeit arrangieren und sind weniger proaktiv engagiert.

Steigern neue technologische Hilfsmittel die Zufriedenheit?

Wir sehen generell eine recht grosse Offenheit gegenüber neuen Technologien wie Robotik, generativer KI oder neuen Kommunikationsinstrumenten. Beispielsweise haben wir Personen in Berufen, die eine Lehre voraussetzen, gefragt, ob sie Technologien als Bedrohung oder Bereicherung für ihre Arbeit erleben. Viele fanden, dass sie die Arbeitstätigkeit interessanter machen und Lernmöglichkeiten eröffnen, die das Verbleiben im Beruf wahrscheinlicher machen. Aber natürlich kommt es immer darauf an, wie Technologien eingeführt werden: Gibt es Mitsprachemöglichkeiten? Dient die Technik eher als Unterstützung oder als Ersatz für menschliche Arbeit?

Interview: «Die Volkswirtschaft»

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Gudela Grote, ETH Zürich (2025). Wie entwickelt sich die Zufriedenheit am Arbeitsplatz? Die Volkswirtschaft, 29. Juli.

Interviewpartnerin

Gudela Grote ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich