Im Appenzellischen ist die Berufsbildungsquote hoch und die Jugendarbeitslosigkeit tief. (Bild: Keystone)
Nach einem stetigen Rückgang im vergangenen Halbjahr steigt die Jugendarbeitslosigkeit zum ersten Mal wieder leicht. Im Juli 2025 betrug sie in der Schweiz durchschnittlich 2,7 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit misst den Anteil der 15- bis 24-Jährigen, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet sind. Die aktuelle Quote scheint niedrig. Doch innerhalb der Schweiz gibt es grosse Unterschiede. Am höchsten war die Jugendarbeitslosigkeit im Juli 2025 mit 8,3 Prozent im Jura, am tiefsten mit 0,4 Prozent in Obwalden.
Ein Blick auf die Schweizer Kantone legt zunächst eine klare Geschichte nahe: Wo mehr Jugendliche eine Berufslehre absolvieren, ist die Jugendarbeitslosigkeit geringer (siehe Abbildung 1a). Besonders hoch ist die Berufsbildungsquote vor allem in ländlichen Kantonen der Deutschschweiz – beispielsweise in Obwalden, aber auch in Uri und den beiden Appenzell. Tief ist sie eher in der Westschweiz und dem Tessin sowie in Stadtkantonen wie Genf und Basel-Stadt. Die Versuchung liegt nahe, diese Korrelation direkt als Kausalität zu deuten und daraus zu schliessen, dass die Berufsbildung ein wirksames Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit ist.
Doch so einfach ist es nicht. Auch andere Faktoren könnten das Bild prägen – etwa eine generell hohe Nachfrage nach Arbeitskräften in bestimmten Regionen. Diese geht naturgemäss mit tieferer Arbeitslosigkeit sowohl für Jung als auch für Alt einher und kann zugleich damit verbunden sein, dass Berufsbildung stärker gefördert oder attraktiver gemacht wird. Der einfache kantonale Vergleich zeigt also ein interessantes Muster, aber keine eindeutige Erklärung.
Absolute und relative Jugendarbeitslosigkeit
Ist die Jugendarbeitslosigkeit also eher von der Gesamtarbeitslosigkeit im Kanton abhängig als vom Grad der Berufsbildung? Um diesem Gedanken nachzugehen, setzen wir die Jugendarbeitslosenquote ins Verhältnis zur allgemeinen Arbeitslosenquote und erhalten so die relative Jugendarbeitslosenquote: Der Zusammenhang bleibt zwar bestehen, fällt aber schwächer und statistisch weniger robust aus (siehe Abbildung 1b). Dies könnte darauf hinweisen, dass die stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften tatsächlich eine gewichtige Rolle spielt.
Denkbar ist jedoch auch eine andere Interpretation: Wenn die Berufsbildung sowohl die Jugendarbeitslosigkeit als auch die Gesamtarbeitslosigkeit senkt, wird der Effekt im relativen Vergleich abgeschwächt, obwohl er in Wirklichkeit grösser wäre. Der Blick auf die relative Jugendarbeitslosigkeit ist daher hilfreich, aber er gibt uns keine abschliessende Antwort. Dazu kommt, dass auch andere Faktoren wie etwa die Zuwanderung beide Grössen gleichzeitig beeinflussen könnten. Wird also ein Modell nicht explizit für solche Faktoren kontrolliert, kann dies dazu führen, dass der Effekt der Berufsbildung auf die Arbeitslosigkeit über- oder unterschätzt wird.
Abb. 1: Die absolute Jugendarbeitslosigkeit korreliert mit der Berufsbildung – die relative deutlich weniger
INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: BFS, eigene Darstellung der Autoren / Die Volkswirtschaft
Blick über die Grenze
Verglichen mit anderen Ländern steht die Schweiz gut da: 2024 lag die Jugenderwerbslosenquote gemäss Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) bei 7,9 Prozent. Die ILO-Zahlen sind höher, weil sie auf Umfragen basieren und nicht nur Stellensuchende zählen, die bei den nationalen Arbeitsämtern gemeldet sind. Europaweit ist die Jugenderwerbslosenquote nur in Deutschland (6,7%) und Malta (7,8) tiefer. Besonders hoch ist sie in Spanien (27%), Griechenland (24,7%) und Schweden (23,8%).
International zeigt sich ein ähnliches Muster wie im kantonalen Vergleich: Länder mit einer höheren Berufsbildungsquote weisen im Durchschnitt eine tiefere Jugendarbeitslosigkeit auf. Bei der relativen Jugendarbeitslosigkeit verschwindet der Zusammenhang aber. Solche Ländervergleiche sind meist sowieso wenig aussagekräftig. Denn die Bildungssysteme unterscheiden sich stark, ebenso wie die Arbeitsmarktinstitutionen und die wirtschaftliche Entwicklung. Einfache Vergleiche zwischen Ländern lassen daher keine eindeutigen Schlüsse zu.
Ein Teil dieser methodischen Schwierigkeiten lässt sich umgehen, indem nicht nur Unterschiede zwischen den Ländern, sondern auch Veränderungen über die Zeit berücksichtigt werden. Eine solche Studie[1] findet Hinweise darauf, dass Berufsbildung den Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt erleichtert. Das gilt insbesondere für die duale Berufsbildung mit betrieblichem Praxisanteil, wie sie in der Schweiz, Deutschland und Dänemark üblich ist.
Wie die Berufsbildung wirken kann
Obwohl ein kausaler Effekt in den Daten schwer nachzuweisen ist, gibt es plausible Erklärungen, wie duale Berufsbildung wirken könnte. Einerseits sammeln Lernende schon während der Ausbildung praktische Erfahrungen, die für potenzielle Arbeitgeber wertvoll sind. Andererseits entstehen in Betrieb und Branche Kontakte, die den Einstieg in eine erste Stelle erleichtern.
Passend dazu zeigt eine andere Studie[2], dass Personen mit dualem Lehrabschluss in der Schweiz schneller eine Anstellung finden als Absolventen von rein schulischen Berufsbildungsgängen, wie sie zum Beispiel im KV möglich und bei Uhrmacherinnen und Uhrmachern sogar eher üblich sind. Diese Evidenz stützt damit direkt die genannten Erklärungen, wonach die im dualen System erworbenen praktischen Erfahrungen und Kontakte den Einstieg in eine erste Stelle erleichtern. Solche Befunde machen es zumindest möglich, dass ein Teil der beobachteten Korrelation zwischen Berufsbildung und Jugendarbeitslosigkeit kausal erklärbar ist – das genaue Ausmass bleibt jedoch offen.
Preis der Spezialisierung?
Allerdings gilt die frühe Spezialisierung auch als mögliche Schwäche der Berufsbildung. Denn wer stark berufsspezifisch ausgebildet ist, könnte bei strukturellen Veränderungen weniger flexibel reagieren. Allgemeingebildete gelten in diesem Punkt oft als anpassungsfähiger. Gerade für dual geprägte Länder wie die Schweiz finden sich Hinweise, dass die Berufsbildung zu einer erhöhten Altersarbeitslosigkeit führen könnte.[3]
Dies abschliessend zu analysieren, ist allerdings sehr schwierig. Und aktuell scheint dies in der Schweiz auch kein relevanter Mechanismus zu sein, denn Kantone mit hohen Berufsbildungsquoten weisen eine tiefere Gesamtarbeitslosigkeit auf.
Weiterbildung im Fokus
Hier kommt die Weiterbildung ins Spiel: Wenn Spezialisierung die Anpassungsfähigkeit reduziert, dann wäre Weiterbildung besonders wertvoll für Personen mit beruflicher Grundbildung.
Dennoch bilden sich in der Schweiz Personen mit Berufsbildung seltener formal weiter als Personen mit allgemeinbildender Ausbildung. Bei den tertiären Abschlüssen liegt die Weiterbildungsquote von Hochschulabsolvierenden höher als bei Absolvierenden einer höheren Berufsbildung. Und auch auf Sekundarstufe II bilden sich Personen mit Maturität häufiger weiter als Lehrabgänger.
Dieses Muster kann unterschiedliche Gründe haben. So wählen einerseits Personen, die weniger Freude am schulischen Lernen haben, vermutlich eher die Berufsbildung als den gymnasialen Weg. Andererseits sind informelle Weiterbildungen – etwa im Betrieb – in der Statistik häufig nicht erfasst.
Am Ende läuft alles auf die gleiche Frage hinaus: Lohnt sich Weiterbildung für Personen mit beruflicher Grundbildung besonders? Eine neue Studie[4] liefert Hinweise dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist.
Vorsichtig interpretieren, Weiterbildung priorisieren
Ob die tiefe Jugendarbeitslosigkeit der Schweiz tatsächlich ihrer ausgeprägten Berufsbildung geschuldet ist, lässt sich also nicht eindeutig sagen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie dazu beiträgt. Und kommt dieser Vorteil in der Jugend zum Preis einer geringeren Anpassungsfähigkeit im späteren Erwerbsleben, die ohne intensive Weiterbildung zu höherer Altersarbeitslosigkeit führen könnte? Auch hier bleibt das Bild offen. Laut einer Studie[5] lohnt sich aber Weiterbildung für Personen mit Berufsbildung besonders.
Literaturverzeichnis
- Hanushek, Eric A.; Schwerdt, Guido; Woessmann, Ludger & Zhang, Lei (2017). General Education, Vocational Education, and Labor-Market Outcomes over the Life-Cycle, Journal of Human Resources, Vol. 52 (1), 48–87.
- Lüthi, Samuel (2024). Classroom Versus Workbench: Labour Market Effects of Firm-based Learning, Leading House Working Paper, No. 227.
- Denzler, Stefan; Ruhose, Jens und Wolter, Stefan C. (2025). Labour Market Effects of Work-related Continuous Education in Switzerland – Evidence from Administrative Data, Economics of Education Review.
Bibliographie
- Hanushek, Eric A.; Schwerdt, Guido; Woessmann, Ludger & Zhang, Lei (2017). General Education, Vocational Education, and Labor-Market Outcomes over the Life-Cycle, Journal of Human Resources, Vol. 52 (1), 48–87.
- Lüthi, Samuel (2024). Classroom Versus Workbench: Labour Market Effects of Firm-based Learning, Leading House Working Paper, No. 227.
- Denzler, Stefan; Ruhose, Jens und Wolter, Stefan C. (2025). Labour Market Effects of Work-related Continuous Education in Switzerland – Evidence from Administrative Data, Economics of Education Review.
Zitiervorschlag: Schilter, Claudio (2025). Hilft gut ausgebaute Berufsbildung gegen Jugendarbeitslosigkeit? Die Volkswirtschaft, 07. Oktober.