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Totalrevision der Postgesetzgebung

Der Bundesrat beantragt eine Totalrevision der Postgesetzgebung. Das neue Postgesetz sichert die landesweite Grundversorgung in hoher Qualität. Für alle Postanbieter gelten künftig dieselben Regeln. Bei Inkrafttreten des Gesetzes bleibt das Briefmonopol bis 50Gramm bestehen, über eine vollständige Liberalisierung entscheidet das Parlament ein Jahr später. Die Schweizerische Post wird mit dem neuen Postorganisationsgesetz zu einer Aktiengesellschaft. Mit der Totalrevision werden der schweizerische Postmarkt und die Schweizerische Post auf die Herausforderungen des internationalen Wandels im Postwesen vorbereitet.

Der Postmarkt im Umbruch


Der Postmarkt erfuhr in den letzten zehn Jahren national und international einen rasch fortschreitenden Wandel. Dieser ist im Wesentlichen von den folgenden Entwicklungen geprägt: – Der Aufschwung der elektronischen Kommunikationswege (Internet, E-Mail) hat das klassische Postgeschäft (Briefe, Pakete, Zeitungen, Zeitschriften) grundlegend verändert: Während das Briefvolumen in den westeuropäischen Ländern in den letzten zehn Jahren massiv zurückgegangen ist, hat der Erfolg von E-Commerce das Paketgeschäft neu belebt. – Technologische Entwicklungen haben zu einer Automatisierung in der Postverarbeitung geführt, Prozesse beschleunigt und Arbeitsprofile verändert. Gleichzeitig haben sie auch zur Entwicklung neuer Produkte beigetragen, welche die Grenzen zwischen Post-, Logistik- und Kommunikationsdienstleistungen immer mehr verschwinden lassen.  – Weltweit werden die Postmärkte liberalisiert. Neue Anbieterinnen treten neben die bis anhin staatlichen Monopolbetriebe. Motor dieser Entwicklung ist die EU mit dem Ziel eines europaweit geöffneten Marktes bis Ende 2012. Der dabei entstehende Wettbewerb findet nicht nur innerhalb der Landesgrenzen statt, sondern entwickelt sich zunehmend grenzüberschreitend. Trotz der bisherigen Marktöffnung etabliert sich der Wettbewerb in der EU jedoch deutlich langsamer als erwartet: Nach wie vor bestehen in den meisten Ländern Restmonopole. Zudem erweist sich das Spannungsverhältnis zwischen einer guten und preiswerten Grundversorgung, akzeptablen Arbeitsbedingungen und funktionierendem Wettbewerb als politische Knacknuss.

Postpolitik des Bundesrates: Eine Erfolgsgeschichte


Der Bundesrat hat seine Postpolitik von Beginn weg auf diese Entwicklungen ausgerichtet. Im Jahr 2002 hat er in seiner «Gesamtschau zum Postwesen» die Leitsätze seiner Postpolitik festgelegt (siehe Kasten 1 Aufgabe und Ziel der bundesrätlichen Politik muss es sein, allen Bevölkerungsgruppen eine flächendeckende, frei zugängliche und qualitativ gute Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen zu garantieren. Der Postmarkt soll schrittweise und kontrolliert geöffnet werden. Der Bundesrat evaluiert vor jedem weiteren Marktöffnungsschritt die bisherigen Erfahrungen; eine weitere Reduktion des Monopols kann er beschliessen, solange die Finanzierung der Grundversorgung gesichert ist.Die Schweizerische Post soll diesen Herausforderungen mit einer Strategie von Wachstum (Erschliessung neuer Geschäftsfelder) und Effizienzsteigerung (Anpassung ihrer Strukturen) gegenübertreten.

Zusammenfassung der Leitsätze aus dem Bericht des Bundesrates „Gesamtschau zur weiteren Entwicklung des Postwesens in der Schweiz“, BBl 2002 5011.). Schritt für Schritt wurde in der Folge der Brief- und Paketmarkt für private Anbieterinnen geöffnet:  – Seit 2004 ist der Paketmarkt für alle zugänglich. Im Jahr 2008 betrug der Marktanteil der alternativen Anbieterinnen im Paketmarkt 20%. Der neu entstandene Wettbewerb führt zu einer grösseren Auswahl an Produkten und zu guten Preisen; es gibt mehr Aufgabestellen mit längeren Öffnungszeiten.  – Im Jahr 2006 wurde das Briefmonopol auf 100 Gramm gesenkt; am 1. Juli 2009 folgte die Senkung auf 50 Gramm. Im Briefmarkt betrug der Marktanteil der alternativen Anbieter im Jahr 2008 weniger als 1%; mehr als 85% aller Briefe sind immer noch im Monopol.   Die Schweizerische Post hat in dieser Zeit sowohl ihre Sortierinfrastruktur wie auch das landesweite Poststellennetz reorganisiert. Ihre finanzielle Entwicklung ist erfreulich: Sie konnte den Gewinn gegenüber 1998 deutlich steigern, Eigenkapital aufbauen und ihre Pensionskasse zu grossen Teilen ausfinanzieren. Das Niveau der Grundversorgung ist im europäischen Vergleich im Spitzenbereich. Die Finanzierung der Grundversorgung kann die Post bis heute mit den Einnahmen aus dem verbleibenden Monopol sicherstellen, welches im Jahr 2008 noch ungefähr 20% des Umsatzes der Post ausmachte.

Weshalb nun eine Totalrevision? Stehenbleiben kommt nicht in Frage


Der Grund für den Erfolg der bisherigen Politik von Bundesrat und Parlament liegt in der kontinuierlichen, kontrollierten Anpassung der Postgesetzgebung und der Weiterentwicklung der Schweizerischen Post. Soll dieser erfolgreiche Weg weiter beschritten werden, gilt es auf folgende Entwicklungen zu reagieren: – Ändernde Kundenbedürfnisse: Weiterhin schrumpfende Briefmengen, rückläufige Kundenfrequenzen in den Poststellen und eine Verlagerung der Umsätze von den klassischen Postgeschäften zu Gesamtlösungen für Geschäftskunden und zu den Finanzdienstleistungen fordern von der Post ständige Anpassungen. – Liberalisierung in der EU: Die Schweiz kann sich mitten in Europa den Entwicklungen des EU-Postmarktes nicht entziehen. Die Warenströme – und damit auch der Postverkehr – verlaufen zunehmend grenzüberschreitend. Eine Abschottung des schweizerischen Marktes wäre sowohl für den Wirtschaftsstandort Schweiz als auch für die Schweizerische Post äusserst ungünstig. – Überholte gesetzliche Grundlagen: Die letzte Totalrevision von Postgesetz (PG) und Postorganisationsgesetz (POG) geht auf das Jahr 1998 zurück. Seither wurde der Markt teilweise geöffnet und die Schweizerische Post wird wie eine selbstständige Unternehmung geführt (analog zu Swisscom AG und SBB AG). Das Postgesetz trägt jedoch die Grundzüge eines Monopolgesetzes. Rechte und Pflichten von Post und Privaten sind unterschiedlich, und die gesetzlichen Grundlagen der Postregulationsbehörde sind unzureichend. Das Postorganisationsgesetz verpasst der Schweizerischen Post das Gewand einer Anstalt, obwohl sie heute weit gehend wie eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft geführt wird.  Der Bundesrat hat sich deshalb im Sinne einer ganzheitlichen Neuordnung des Postwesens für eine Totalrevision der Postgesetzgebung (Postgesetz und Postorganisationsgesetz) entschieden. Im September 2007 hat er das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage mit folgender Zielsetzung auszuarbeiten: Es soll ein kohärenter und entwicklungsfähiger Ordnungsrahmen geschaffen werden, der die flächendeckende Grundversorgung auch bei vollständiger Aufhebung des Briefmonopols sichert, faire Wettbewerbsbedingungen zulässt sowie die Rahmenbedingungen für die Post als Unternehmung verbessert. Das Uvek nahm die Arbeiten auf und unterbreitete im Frühling 2008 ein Gesamtpaket (PG und POG) den Parteien, Verbänden und Organisationen zur Vernehmlassung. Am 20. Mai 2009 schliesslich verabschiedete der Bundesrat die Vorlage zuhanden des Parlamentes.

Liberalisierung von Grundversorgungsmärkten – eine heikle Gratwanderung


Die Bevölkerung reagiert auf Liberalisierungen im Bereich des Service public sehr sensibel. Dies hat nicht erst die Vernehmlassung zur Postgesetzgebung gezeigt. Sowohl die Liberalisierung des Strommarktes wie auch die Privatisierung der Swisscom sind im ersten Anlauf gescheitert. Die Reorganisationen des Poststellennetzes und der Sortierinfrastruktur haben jeweils zu einer Intervention des Gesetzgebers geführt. Bei der Reorganisation des Poststellennetzes kam es 2004 sogar zu einer Volksabstimmung («Postdienste für alle»). Die Vernehmlassung im Sommer 2008 zu den vorliegenden Entwürfen hat gezeigt, dass das Grundkonzept des Bundesrates für die neue Postgesetzgebung zwar grundsätzlich tragfähig ist. Die Zustimmung wird jedoch von klaren Bedingungen abhängig gemacht:  – Kontrollierte Marktöffnung: Die vollständige Marktöffnung wurde grundsätzlich von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Wesentlich scheint jedoch, dass beim Entscheid über die vollständige Abschaffung des Monopols gesicherte Erfahrungsberichte und Prognosen über die Auswirkungen der vollständigen Marktöffnung vorliegen. Insbesondere soll geklärt werden, ob sie keine nachteiligen Auswirkungen auf Preise und Qualität der Postdienste, die Finanzierung der Grundversorgung sowie die Arbeitsbedingungen im Postsektor hat. Mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorgehen ist eine vollständige Marktöffnung im Jahre 2013 realistisch – also mindestens 4 Jahre nach der Senkung des Briefmonopols von 100 auf 50 Gramm. – Demokratische Absicherung: Eine klare Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer sowie das Parlament sind der Meinung, dass Volk und Parlament über die vollständige Marktöffnung entscheiden sollen. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, dass in einem ersten Schritt das neue Postgesetz in Kraft treten soll und in einem zweiten Schritt das Parlament über die vollständige Marktöffnung entscheidet. Gegen beide Schritte kann das Referendum ergriffen werden. – Sicherstellung der Grundversorgung: Die Öffnung des Postmarktes darf nach Ansicht der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden nicht zu einer Verschlechterung der Grundversorgung führen. Das bundesrätliche Konzept strebt ein Gleichgewicht zwischen der Pflicht der Post, die Grundversorgung im heutigen Umfang zu erbringen, und den unternehmerischen Freiheiten, wie diese zu erbringen ist, an. So sollte es – gemäss einer vom Uvek in Auftrag gegebenen Studie – der Post möglich sein, die Grundversorgung aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Vgl. Plaut Economics/Frontier Economics, Auswirkungen Liberalisierung 2011, London, Dezember 2007. Ist dies nicht möglich, soll die Finanzierung mit einem Fonds und allfälligen Bundesbeiträgen sichergestellt werden (siehe Kasten 2 Das neue Postgesetz sieht ein dreistufiges Modell zur Finanzierung der Grundversorgung mit Postdiensten vor: 1. Eigenwirtschaftlichkeit: Die Post soll die Grundversorgung eigenwirtschaftlich erbringen können. Dies ist gemäss der Studie Plaut/Frontier möglich, wenn die Post langfristig die gleichen Rahmenbedingungen wie ein privates Unternehmen erhält (Arbeitsbedingungen, keine Grundversorgungsdienstleistungen, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, keine Pflicht zur Berücksichtigung regionalpolitischer Anliegen). Negativen Einfluss auf die Finanzierungssituation hätte zudem ein staatlich regulierter Zugang zu den Sortier- und Verteilinfrastrukturen. 2. Fonds: Entsteht der Post aufgrund der Grundversorgungsverpflichtung eine finanzielle Last, so kann sie dafür eine Abgeltung verlangen. Ist dies der Fall, so werden alle Anbieterinnen von Postdiensten anteilsmässig eine Abgabe zur Finanzierung dieser Last zu entrichten haben. 3. Bundesbeiträge: Reichen diese Abgaben nicht aus zur Finanzierung der Grundversorgung, so leistet der Bund die zusätzlich notwendigen Beiträge.). Der gesetzliche Auftrag der Post, die Grundversorgung zu erbringen, ist für die meisten Teilnehmenden Garantie, dass die Grundversorgung langfristig auf heutigem Niveau erbracht werden wird. Der Vorschlag des Bundesrates, eine Grundversorgungskonzession auszuschreiben, fand in der Vernehmlassung keine Mehrheit.

Die Eckpunkte der Vorlage

Vollständige Marktöffnung: Kontrolliert und demokratisch abgesichert


Der Bundesrat will den Postmarkt vollständig öffnen. Er wählt dafür ein zweistufiges Modell, welches die grösstmögliche demokratische Mitsprache sicherstellt: In einem ersten Schritt treten Postgesetz und Postorganisationsgesetz in Kraft. Die vollständige Marktöffnung wird in einem zweiten Schritt vom Parlament ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Postgesetzes beschlossen. Bis dahin werden ausreichende Erfahrungen mit dem 50-Gramm-Monopol, aber auch aus den vollständig liberalisierten Märkten im europäischen Umland vorliegen. Das letzte Wort haben in beiden Fällen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.

Marktordnung: Gleich lange Spiesse für alle


Fairer Wettbewerb stellt sich nur ein, wenn alle Marktteilnehmenden denselben gesetzlichen Rahmenbedingungen unterstellt sind. Künftig sollen deshalb alle Anbieterinnen von Postdiensten einer Meldepflicht unterstehen. Eine Postkommission (PostCom; heutige Postregulationsbehörde) wird als unabhängige Regulierungsbehörde eingesetzt. Sie beaufsichtigt die Meldepflichtigen und die Sicherstellung der Grundversorgung. Die Post wird ihrer Konkurrenz gleichgestellt: Sie verliert ihr Steuerprivileg sowie die Staatsgarantie; im Gegenzug erhält sie mit dem Kleid der Aktiengesellschaft und dem Wechsel ins private Arbeitsrecht die nötigen unternehmerischen Freiheiten. Sie soll nur dort über Sonderrechte verfügen beziehungsweise zusätzlichen Verpflichtungen unterliegen, wo der Grundversorgungsauftrag dies verlangt. So soll sie weiterhin vom Sonntags- und Nachtfahrverbot ausgenommen sein. Anderseits untersteht sie als Grundversorgerin gegenüber der Regulationsbehörde einer strengeren Aufsicht und Auskunftspflicht.

Wettbewerb, von dem alle profitieren


Der Wettbewerb im Postmarkt ist nicht Selbstzweck. Der Bundesrat will einen Wettbewerb, der zu einer Steigerung der Qualität und landesweit zu einem vielfältigen Angebot führt. Die Marktöffnung soll nicht auf Rechnung der Konsumentinnen und Konsumenten oder der Arbeitnehmenden erfolgen. Alle Anbieterinnen müssen deshalb branchenübliche Arbeitsbedingungen einhalten und Verhandlungen über einen GAV führen; weiter müssen sie die Konsumentinnen und Konsumenten angemessen und transparent informieren.

Grundversorgung mit Postdiensten


Die Schweizerische Post erhält einen gesetzlichen Auftrag zur Erbringung der Grundversorgung. Sie transportiert Briefe, Pakete, Zeitungen und Zeitschriften in der ganzen Schweiz. Zugestellt wird in alle Haushalte fünfmal pro Woche; Tageszeitungen werden sechsmal verteilt. Die Post stellt landesweit ein flächendeckendes Netz von Poststellen oder Agenturen sicher, sodass 90% der Bevölkerung in 20 Minuten zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr die nächste Poststelle oder Agentur erreichen. Dort müssen die Dienstleistungen der Grundversorgung angeboten werden. Sind die Preise für diese Dienstleistungen nicht mehr angemessen, so kann der Bundesrat intervenieren. Die PostCom wacht darüber, dass die Postdienste in guter Qualität erbracht werden. Bei der Schliessung oder Verlegung einer Poststelle muss die Post mit den betroffenen Gemeinden zusammenarbeiten. Kommt es nicht zu einer Einigung, so kann die betroffene Gemeinde eine Empfehlung der PostCom verlangen.

Grundversorgung im Zahlungsverkehr


Auch die Grundversorgung mit Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs soll von der Schweizerischen Post erbracht werden. Sie muss Einzahlungen, Überweisungen und Auszahlungen ausführen. Bei der Ausgestaltung des Zugangs zu diesen Diensten soll die Post einen gewissen Handlungsspielraum erhalten. Damit kann sie einerseits die technologische Entwicklung und damit auch die sich ändernden Kundenbedürfnisse (weniger Bareinzahlungen) nachvollziehen. Anderseits ermöglicht dies ihr auch, den Zahlungsverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen.

Ein neues Kleid für die Post


Heute ist die Post als öffentlich-rechtliche Anstalt organisiert. Diese Organisationsform erschwert es dem Unternehmen, in einem zunehmend globalisierten Markt aktiv zu sein. Gleichzeitig mit den weiteren Marktöffnungsschritten wird die Post deshalb in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft umgewandelt. Dies soll die Kapitalmarktfähigkeit der Post – d.h. deren Fähigkeit, eigene Finanzmittel zu beschaffen oder Fremdmittel aufzunehmen – verbessern und es ihr erleichtern, Allianzen einzugehen. Der Bund wird Mehrheitsaktionär der Post. Dank der Mehrheitsbeteiligung behält der Bund die wichtige politische Steuerung des Unternehmens in seinen Händen. Er wird diese weiterhin mit dem Erlass von strategischen Zielen wahrnehmen. Der Unternehmenszweck der Post muss ihr die notwendige unternehmerische Freiheit belassen, ihre Angebote laufend den jeweiligen Veränderungen anzupassen und sie weiterzuentwickeln. Nur wenn die Post die Möglichkeit hat, ihr Angebot auch den Entwicklungen des Marktes anzupassen, kann von ihr verlangt werden, die Grundversorgung auch mittel- und langfristig möglichst eigenwirtschaftlich zu erbringen.

PostFinance: Tätigkeit und Aufsicht


Der Bundesrat hat auf eine Ausweitung der Tätigkeit der PostFinance im Sinne einer Postbank verzichtet. Er erachtet das landesweite Angebot an Bankdienstleistungen als ausreichend; zudem erscheint ihm der Einstieg der PostFinance in das Kredit- und Hypothekargeschäft zum jetzigen Zeitpunkt als zu riskant. Die PostFinance verwaltet trotz eingeschränkter Tätigkeit heute Kundengelder im Umfang von über 70 Mrd. Franken. Aus Sicht des Gläubigerschutzes wird das heutige Aufsichtsregime (durch Uvek, EFV, Geldwäschereistelle und Bundesrat) dem Volumen an Kundengeldern nicht mehr gerecht. Künftig soll PostFinance deshalb der ordentlichen Finanzmarktaufsicht unterstellt werden. Dies ist ausserdem notwendig, da die Post künftig nicht mehr von der Ausnahmeklausel öffentlich-rechtlicher Anstalten profitiert und nach Bankengesetz bewilligungspflichtig wird. Die PostFinance wird demnach – wie alle anderen Finanzinstitute – eine Bewilligung nach Bankengesetz beantragen müssen und die entsprechenden Vorgaben einzuhalten haben. So muss sie in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert und ausreichend kapitalisiert werden. Sie wird jedoch im Mehrheitsbesitz der Post verbleiben.

Tabelle 1 «Die Grundversorgung mit Postdiensten im neuen Postgesetz»

Kasten 1: Leitsätze der Postpolitik des Bundesrates Aufgabe und Ziel der bundesrätlichen Politik muss es sein, allen Bevölkerungsgruppen eine flächendeckende, frei zugängliche und qualitativ gute Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen zu garantieren. Der Postmarkt soll schrittweise und kontrolliert geöffnet werden. Der Bundesrat evaluiert vor jedem weiteren Marktöffnungsschritt die bisherigen Erfahrungen; eine weitere Reduktion des Monopols kann er beschliessen, solange die Finanzierung der Grundversorgung gesichert ist.Die Schweizerische Post soll diesen Herausforderungen mit einer Strategie von Wachstum (Erschliessung neuer Geschäftsfelder) und Effizienzsteigerung (Anpassung ihrer Strukturen) gegenübertreten.

Zusammenfassung der Leitsätze aus dem Bericht des Bundesrates „Gesamtschau zur weiteren Entwicklung des Postwesens in der Schweiz“, BBl 2002 5011.

Kasten 2: Finanzierung der Grundversorgung nach Abschaffung des Monopols Das neue Postgesetz sieht ein dreistufiges Modell zur Finanzierung der Grundversorgung mit Postdiensten vor: 1. Eigenwirtschaftlichkeit: Die Post soll die Grundversorgung eigenwirtschaftlich erbringen können. Dies ist gemäss der Studie Plaut/Frontier möglich, wenn die Post langfristig die gleichen Rahmenbedingungen wie ein privates Unternehmen erhält (Arbeitsbedingungen, keine Grundversorgungsdienstleistungen, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, keine Pflicht zur Berücksichtigung regionalpolitischer Anliegen). Negativen Einfluss auf die Finanzierungssituation hätte zudem ein staatlich regulierter Zugang zu den Sortier- und Verteilinfrastrukturen. 2. Fonds: Entsteht der Post aufgrund der Grundversorgungsverpflichtung eine finanzielle Last, so kann sie dafür eine Abgeltung verlangen. Ist dies der Fall, so werden alle Anbieterinnen von Postdiensten anteilsmässig eine Abgabe zur Finanzierung dieser Last zu entrichten haben. 3. Bundesbeiträge: Reichen diese Abgaben nicht aus zur Finanzierung der Grundversorgung, so leistet der Bund die zusätzlich notwendigen Beiträge.

Kasten 3: Zugangsregulierung im neuen Postgesetz Damit die Zustellung von Postsendungen auch auf einem Markt mit mehreren Anbieterinnen reibungslos funktioniert, wird im Postgesetz die «Interkonnektion» zwischen den Netzen der Anbieterinnen sichergestellt: – Eine Zugangsregelung für Postfächer ist nötig, weil das Postfach – zustellungstechnisch gesehen – als Domizil des Empfängers gilt. Zu diesem Zustelldomizil muss jede Anbieterin von Postdiensten Zugang haben. Andernfalls ist für die Kundinnen und Kunden nicht sichergestellt, dass ihnen Postsendungen, die nicht von der Anbieterin ihres Postfaches befördert werden, zugestellt werden können. Sie erleiden einen Nachteil oder müssten bei jeder Anbieterin von Postdiensten ein Postfach mieten. Das neue Postgesetz sieht deshalb vor, dass alle Anbieterinnen sich gegenseitig den Zugang zu ihren Postfachanlagen ermöglichen müssen. In Streitfällen gelangen sie an die PostCom, welche den Vertragsabschluss in den strittigen Punkten verfügt. – Dasselbe gilt für ausgewählte Adressdaten. Das Funktionieren von Nachsendungs- und Umleitungsaufträgen ist zentral für die Zustellung von Postsendungen. Eine Regelung über den Austausch bzw. die Bearbeitung von Adressdaten ist deshalb nötig, weil sonst die Nachsendungs- und Umleitungsaufträge für Sendungen, welche durch andere Anbieterinnen zugestellt werden sollten, nicht oder nur erschwert ausgeführt werden können.Das Postgesetz sieht hingegen von einer Regulierung für den Zugang auf Infrastrukturen marktbeherrschender Anbieterinnen ab. Ein regulierter Zugang ist nur dann notwendig, wenn sich in absehbarer Zeit kein wirksamer Wettbewerb etablieren kann, ohne dass den neuen Anbieterinnen zumindest vorübergehend Zugang auf die Infrastruktur der historischen Anbieterin gewährt wird und der Zugang auch nicht durch das ordentliche Wettbewerbsrecht erzwungen werden kann. Im Gegensatz zum Telekommunikationsmarkt liegen im Postmarkt keine monopolistischen Engpässe vor, die nur mit einer zwingenden Zugangsregulierung überwunden werden könnten. Die Infrastruktur des Postmarktes besteht aus Personal, Fahrzeugen und Sortiereinrichtungen. Um Personal anzustellen und erste Fahrzeuge zu kaufen, ist im Vergleich zum Aufbau eines Eisenbahnoder Stromnetzes kein grosses Startkapital notwendig. Auch der Sortierprozess lässt sich mit verhältnismässigem Aufwand organisieren. Die Studie Plaut/Frontier kommt weiter zum Schluss, dass ein wirksamer Access langfristig zu einer Unterdeckung bei der Finanzierung der Grundversorgung führen kann. Deshalb und im Sinne einer möglichst schlanken Regulierung soll in diesem Bereich auf einen staatlichen Eingriff verzichtet werden. Es ist den Anbieterinnen jedoch unbelassen, sich vertraglich über einen Zugang zu einigen.

Zitiervorschlag: Katrin Nussbaumer, Roland Wittwer, (2009). Totalrevision der Postgesetzgebung. Die Volkswirtschaft, 01. September.