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Was der Föderalismus bei der Unternehmensbesteuerung kostet – und wie die Mehrwertsteuererhebung effizienter werden könnte

Die Regulierungskosten im Bereich Unternehmensbesteuerung belaufen sich auf jährlich rund 2,8 Mrd. Franken. Die Mehrwertsteuerrevision hat bereits eine deutliche Entlastung gebracht, und die Schweiz steht im inter­nationalen Vergleich gut da. Ein Grund für die hohen Regulierungskosten bei den Unternehmenssteuern ist die Vielfalt von kantonalen Regelungen. Verbesserungen sollten bei den Handlungspflichten für kleine und mittlere Unternehmen ansetzen, während für grosse Unternehmen der direkte Draht zu den Steuerverwaltungen wichtig ist.

Die Erhebung von Steuern dient der Sicherstellung des Finanzbedarfs von Bund, Kantonen und Gemeinden. Die hier präsentierte Studie[1] hat untersucht, welche Regulierungskosten für Unternehmen mit der Steuererhebung verbunden sind. Die Messung der Regulierungskosten erfolgte – wie im entsprechenden Handbuch des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco)[2] vorgesehen – über Expertenschätzungen sowie (statistisch nicht signifikante) Unternehmensinterviews. Im Fokus standen die eigentlichen Unternehmenssteuern (Gewinn- und Kapitalsteuern sowie übrige Steuern[3] inkl. Lohnquellensteuer) und die Mehrwertsteuer (MWST). Nicht erhoben wurden die Kosten der Grundstückgewinnsteuer, die in neun Kantonen mit monistischem System zusätzlich zur Gewinn- und Kapitalsteuer pro Handänderung zu administrieren ist. Ebenfalls nicht gemessen wurden die Kosten auf Seiten der Steuerverwaltungen und Privatpersonen.

Unternehmenssteuern: Knapp 1 Mrd. Franken Regulierungskosten


Die Experten schätzen die Regulierungskosten bei den Unternehmenssteuern auf 976 Mio. Franken. Davon entfallen 584 Mio. Franken auf die eigentlichen Unternehmenssteuern und 392 Mio. Franken auf die übrigen Steuern.

Die Regulierungskosten im Bereich Gewinnsteuer/Kapitalsteuer im Verhältnis zum Bruttoertrag betragen 3,3% gemäss Staatsrechnung 2012. Dies ist ein relativ vorteilhafter Wert im Vergleich zu anderen Steuern. Bei den übrigen Steuern weisen die Regulierungskosten eine grosse Bandbreite auf. Die Lohnquellensteuer verursacht mit 249 Mio. Franken am meisten Aufwand. Hier beträgt das Verhältnis zwischen Regulierungskosten und Steueraufkommen rund 10%. Geringeren Aufwand verursachen die Verrechnungssteuer mit 73 Mio. Franken, die Stempelabgabe auf Versicherungsprämien mit 47 Mio. Franken, die Umsatzabgabe mit 21 Mio. Franken und die Emissionsabgabe auf Eigenkapital mit 1,3 Mio. Franken.

Betrachtet man die einzelnen Handlungspflichten der Unternehmen, wird klar, dass das Ausfüllen der Steuererklärung am meisten Aufwand verursacht. Ebenfalls auf­wändig sind Mitwirkungspflichten wie das Einreichen von Unterlagen an die Steuerverwaltung. Es fällt auf, dass nur bei der Lohn­quellensteuer eine nicht kostendeckende Provision von 2%–4% je nach Kanton als Entschädigung für den Steuererhebungsaufwand ausgerichtet wird. Bei den übrigen indirekten Steuern (z.B. Verrechnungs- und Mehrwertsteuer, Umsatzabgabe und Versicherungsstempel) tragen die steuerpflichtigen Unternehmen die Steuern nicht selbst (Überwälzung), sondern fungieren als Steuereintreiber für den Staat. Dennoch werden die Unternehmen für diese Aufgabe bislang nicht entschädigt. Aus Sicht der Autoren wäre eine Entschädigung der Unternehmen – analog zum Modell US-amerikanischer Bundesstaaten[4] – zu prüfen.

Der hohe Aufwand bei der Lohnquellensteuer ist im Wesentlichen darauf zurück­zuführen, dass ein steuerpflichtiges Unter­nehmen periodisch – in der Regel monatlich – für jeden Lohnquellensteuerpflichtigen in seinem jeweiligen Wohnkanton den Lohn ­inklusive geldwerte Nebenleistungen deklarieren und die Steuer bezahlen muss. Berücksichtigt werden auch Lebensumstände (z.B. alleinstehend), die Konfession sowie das Lohnband (Progression). Diese Komplexität ist dem Föderalismus geschuldet und lässt sich ohne Harmonisierung der Steuersätze auf Gemeindestufe kaum wesentlich reduzieren.

Steuerharmonisierung mit grösstem ­Verbesserungspotenzial


Die Expertengruppe hat Verbesserungsvorschläge ermittelt, welche als mögliche Massnahmen zur Senkung von Regulierungskosten zu verstehen sind. Dabei wurden Vorschläge priorisiert, die rasch zu signifikanten Kostensenkungen führen können und geringe oder keine Auswirkungen auf Steueraufkommen oder Besteuerungsprinzipien zeitigen.

Ein grosses Verbesserungspotenzial hat die Expertengruppe bei der konsequenten Umsetzung der formellen Steuerharmonisierung festgestellt (Koordination der Verfahren unter den Kantonen durch Harmonisierung der Fristen und der Zahlungsintervalle).

Verbesserungspotenzial besteht auch bei den Informationspflichten. Durch gezielte Massnahmen und einen pragmatischeren Umgang zwischen den Steuerbehörden und den Steuerpflichtigen könnten die Regulierungskosten gesenkt werden. Beispiele sind die Veröffentlichung von Einzelfallentscheidungen oder die Bestimmung einer Kontaktperson bei der Steuerverwaltung (Key Account Managemenent).

Zudem liessen sich Regulierungskosten senken, indem Steuerarten gebündelt oder reduziert würden. Konkret könnte die Grundstückgewinnsteuer in die ordentliche Gewinnsteuer integriert werden. Es ist keine wesentliche Funktion der Grundstückgewinnsteuer ersichtlich, die nicht auch mit der Anpassung des Steuertarifs und Steuersatzes bei der Einkommens- und Gewinnsteuer auf der richtigen föderalen Ebene wahrgenommen werden könnte.

Mehrwertsteuer: Ein Viertel weniger ­Regulierungskosten seit 2010


Die MWST verursacht bei den rund 330 000 Steuerpflichtigen Regulierungskosten von rund 1,8 Mrd. Franken. Das Verhältnis der Regulierungskosten zum Bruttoertrag beträgt gemäss Staatsrechnung 8%. Dies ist deutlich mehr als die 3,3% bei der Gewinn- und Kapitalsteuer. Die Regulierungskosten verteilen sich dafür auf eine grössere Anzahl Steuerpflichtige (330 000 vs. 183 000 bei den Unternehmenssteuern). Grund für die unterschiedliche Fallzahl ist, dass die
Administration der Einkommens- und Vermögenssteuern von Einzelfirmen oder Personengesellschaften gemäss Untersuchungsgegenstand nicht als «Unternehmenssteuern» zu erheben waren.

Die Regulierungskosten vor der MWST-Revision (Teil A) im Jahr 2010 betrugen rund 2,3 Mrd. Franken. Die Einsparungen durch die Revision betragen 558 Mio. Franken. Demnach konnten die Kosten bereits um rund 25% gesenkt werden. Massgeblich reduziert wurden die Aufwände bei der Regelung zur Korrektur von Mängeln in der Abrechnung (Verlängerung der Steuerperiode auf 1 Jahr), der Vorsteuerabzugsberechnung, der Rechnungsstellung und des Steuerausweises.

International gesehen ein gutes Ergebnis


Der Vergleich mit Studien im EU-Raum stellt dem schweizerischen Mehrwertsteuersystem ein gutes Zeugnis aus: Die Regulierungskosten betragen hierzulande 8% des Steueraufkommens; dieser Wert liegt in der EU zwischen 4% und 33%, wobei Normalsteuersätze zwischen 15% und 25% erhoben werden. Bei einem europäischen System mit einem Normalsatz von 8% (wie in der Schweiz) würden die Regulierungskosten ungefähr 20% betragen, also zweieinhalbmal mehr als im schweizerischen System.

Pragmatischerer Vollzug hat höchste Priorität


Das von der Expertengruppe am höchsten priorisierte Verbesserungspotenzial betrifft die Forderung nach einer pragmatischeren Vollzugspraxis der Behörden bei der Behandlung von Mehrwertsteuersachverhalten und dem Umgang mit Steuerpflichtigen. Dieses Potenzial kann in einer relativ kurzen Zeit mit geringen Kosten realisiert werden.

Weiteres Verbesserungspotenzial besteht bei der Kommunikation. Dabei stand die zeitnahe Bearbeitung von Anfragen durch die ESTV sowie die Verbesserung von deren Erreichbarkeit und Verfügbarkeit im Vordergrund. Dies könnte durch Definition einer einzigen Ansprechperson bei der ESTV für den Steuerpflichtigen und der Bildung einer branchen- oder themenspezifischen Hotline erreicht werden. Andere Verbesserungsvorschläge betreffen die Harmonisierung der Begrifflichkeiten mit der EU, die Reduktion der Anzahl Steuersätze wie auch der Steuerausnahmen.

Vereinfachungen für kleinere Unternehmen haben grosse ­Auswirkungen


Die Regulierungskosten nehmen mit zunehmender Unternehmensgrösse deutlich zu. Dennoch weisen die kleineren Unternehmen bis 9 Mitarbeitende aufgrund ihrer hohen Anzahl insgesamt höhere Regulierungskosten aus als die grösseren Unternehmen. Vereinfachungen im Steuerrecht, welchen allen Unternehmen – und damit auch den KMU – zugutekommen, führen zu signifikanten Kosteneinsparungen. Anpassungen bei komplexen Steuerthemen (z.B. Transferpreise), welche verhältnismässig wenigen, primär grösseren, international aufgestellten Unternehmen Vorteile verschaffen, führen zu geringeren Einsparungen bei den Regulierungskosten. Vereinfachungen in diesen Bereichen sowie die Dienstleistungsmentalität der Steuerverwaltungen sind jedoch wichtig im internationalen Standortwettbewerb.

Der Hebel ist bei den indirekten ­Steuern anzusetzen


Die Studie zeigt die Regulierungskosten über die verschiedenen Steuerarten für die Unternehmen auf. Zusammen mit den Verbesserungsvorschlägen bilden diese eine Grundlage für die politische Diskussion. Einige der Verbesserungsvorschläge sind bereits im politischen Entscheidungsprozess, in der Umsetzung begriffen oder umgesetzt. Die Unternehmenssteuerreform III wird die Gelegenheiten bieten, Vorschläge mit grossen Skaleneffekten umzusetzen. Für die ökologische Steuerreform (vom Förder- zu einem Lenkungssystem ab 2021) ist es naheliegend, Überlegungen zu den Regulierungskosten von Beginn weg in die Konzeption der Abgabe aufzunehmen.

Die Schweiz muss sich bei den direkten Steuersätzen zunehmend dem internationalen «Race to the bottom» stellen. Damit verschlechtert sich die Wirtschaftlichkeit der Steuererhebung. Bei den nicht dem internationalen Steuerwettbewerb ausgesetzten indirekten Steuern – vor allem der Mehrwertsteuer – werden die Steuersätze im In- und Ausland ständig angehoben. Da sich die indirekten Steuern wegen den höheren Regulierungskosten als weniger effizient dar­stellen, gilt es den Hebel insbesondere bei diesen anzusetzen

  1. PricewaterhouseCoopers (2013): Messung der Regulierungskosten im Bereich Steuern – Schlussbericht. []
  2. Staatssekretariat für Wirtschaft (Hrsg.) (2011): Regulierungs-Checkup. Handbuch zur Schätzung der Kosten von Regulierungen sowie zur Identifizierung von Potenzialen für die Vereinfachung und Kostenreduktion. []
  3. Emissionsabgabe, Umsatzabgabe, Lohnquellensteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgaben auf Versicherungsprämien. []
  4. 28 Bundesstaaten gewähren unterschiedliche Entschädigungen, in Abhängigkeit der Steuerzahllast, mit Ober- und/oder Untergrenze und teilweise als Skonto ausgestaltet. []

Zitiervorschlag: Mathias Bopp, Philip Sommer, (2014). Was der Föderalismus bei der Unternehmensbesteuerung kostet – und wie die Mehrwertsteuererhebung effizienter werden könnte. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.

Regulierungskosten pro ­mehrwertsteuerpflichtige Person

Die durchschnittlichen jährlichen Regulierungskosten pro mehrwertsteuerpflichtige Person schwanken bei effektiver Abrechnung zwischen rund 3500 und 26 000 Franken in Abhängigkeit von Branche und Unternehmensgrösse:

  • 3500 Franken für ein Unternehmen mit Umsatz von weniger als 0,25 Mio. Franken;
  • 26 000 Franken für ein Unternehmen mit mehr als 2 Mio. Franken der Finanzbranche.

Frühere Studien zu Regulierungs­kosten für die Mehrwertsteuer


Die Studie von Rambøll aus dem Jahr 2007 kam zu einem Ergebnis von erstaunlich tiefen 267 Mio. Franken an Regulierungskosten für die Mehrwertsteuer (MWST). Die Studie basierte jedoch nicht auf dem Regulierungskostenmodell, sondern auf dem Standardkostenmodell und hatte einen eingeschränkteren Umfang der Analyse. Gewisse Handlungspflichten – wie zum Beispiel die Verfahren, die Prüfung der Steuerpflicht, Anpassung von IT-Systemen, juristische Beratung usw. –
sind darin nicht berücksichtigta.

Im Bericht Spori aus dem Jahr 2006 schätzte die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) die jährlichen Erhebungskosten eines schweizerischen KMU auf rund 6270 Franken. Hochgerechnet auf die Anzahl Steuerpflichtiger
ergibt dies eine Summe von über 2 Mrd. Franken (inkl. Einfuhrsteuer)b.

Der erläuternde Bericht zur Vernehmlassungsvorlage zur Vereinfachung des Bundesgesetzes über die MWST von 2007 schätzte, dass mit der Entrichtung der MWST (inkl. Einfuhrsteuer) Kosten von insgesamt 1,54 Mrd. Franken verbunden sindc.

 

a Rambøllmanagement GMBH (2007): Messung der ­Bürokratiekosten der Mehrwertsteuer-Gesetzgebung auf Basis des Standard-Kosten-Modells, Studie im Auftrag des Seco.
b Der zusätzliche Erhebungsaufwand eines Grossunternehmens ist bei dieser Schätzung noch nicht berücksichtigt; vgl. Spori Peter (2006), Bericht des Be­auftragten P. Spori in Sachen Mehrwertsteuerreform zuhanden des Chefs EFD.
c EFD (2007): Vernehmlassungsvorlage zur Vereinfachung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer, Erläuternder Bericht.