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OECD-Länderexamen Korruption – die Schweiz im internationalen Vergleich

Die OECD hat vor 15 Jahren mit der Ausarbeitung ihrer Antikorruptionskonvention einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Ein rigoroser Überprüfungsmechanismus sorgt für eine effektive und einheitliche Umsetzung der Konvention. Der Länderbericht über die Schweiz anerkennt die aktive Rolle unseres Landes bei der internationalen Korruptionsbekämpfung, weist aber zugleich auch auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Da Schweizer Unternehmen im Ausland regelmässig mit der Korruptionsproblematik konfrontiert sind, misst das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) der Sensibilisierung der Unternehmen weiterhin eine zentrale Bedeutung zu.

Die OECD-Konvention zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr von 1997 (OECD-Konvention) hat sich in der praktischen Anwendung als wirksam erwiesen. Gemäss dem Jahresbericht 2011 der OECDArbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung (OECD-Arbeitsgruppe) sind seit dem Inkrafttreten der Konvention im Jahr 1999 gegen 210 Einzelpersonen und 90 Unternehmen im Rahmen von strafrechtlichen Verfahren zur Verfolgung der Auslandkorruption sanktioniert worden. Daneben sind zurzeit in den Unterzeichnerstaaten mehr als 300 Strafuntersuchungen im Gang.
Vgl. OECD Working Group on Bribery, Annual Report 2011, S. 10.Einer der Hauptgründe für die Wirksamkeit der Konvention ist der strenge Überprüfungsmechanismus in Form von gegenseitigen Länderexamen (Peer Review). Die für die Länderexamen zuständige OECD-Arbeitsgruppe hat sich in den vergangenen Jahren den Ruf geschaffen, die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten rigoros zu prüfen. Daneben fördert die Arbeitsgruppe den Erfahrungsaustausch und die direkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beispielsweise bei der Strafverfolgung und der internationalen Rechtshilfe.

Pionierrolle der OECD-Konvention


Mit der Verabschiedung der OECD-Konvention im Jahr 1997 wurde ein Paradigmenwechsel eingeleitet. Nachdem die Korruption im internationalen Geschäftsverkehr lange Zeit als notwendiges Übel hingenommen worden war, verpflichtete erstmals ein multilaterales Abkommen die Unterzeichnerstaaten, die Auslandkorruption im nationalen Recht unter Strafe zu stellen. Damit wurde eine wichtige Grundlage zur international koordinierten und effizienten Bekämpfung der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr geschaffen.Der inhaltliche Anwendungsbereich der OECD-Konvention ist begrenzt. Als strafbar erklärt wird nur die aktive Bestechung von Personen, die für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation ein Amt ausüben. Weitere Massnahmen, welche in der Konvention selbst oder in ergänzenden OECD-Empfehlungen enthalten sind, unterstützen dieses Ziel. Sie enthalten beispielsweise Bestimmungen zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen, zur Bekämpfung der Geldwäscherei, zur Rechnungslegung der Unternehmen oder zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen. Die 2009 revidierte OECD-Empfehlung zur Korruptionsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr enthält im Anhang II zudem Leitlinien für Unternehmen zu internen Kontrollsystemen sowie zu Ethik- und Compliance-Programmen.Bei der Auslandbestechung handelt es sich um komplexe Delikte, die sich in der Regel über mehrere Staaten erstrecken und in die verschiedene Akteure involviert sind (Agenten, Intermediäre etc.), welche alle das gemeinsame Ziel verfolgen, die Spuren ihrer Handlungen zu verwischen. Für eine erfolgreiche Strafverfolgung ist daher die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der betroffenen Strafverfolgungsbehörden unerlässlich. Die Sitzungen der OECD-Arbeitsgruppe, an welchen regelmässig Vertreter der Strafverfolgungsbehörden teilnehmen, bieten eine ideale Plattform für einen direkten Informationsaustausch.In geografischer Hinsicht beschränkt sich der Teilnehmerkreis auf die 34 OECD-Mitglieder sowie fünf weitere Staaten.
Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Russland und Südafrika (Stand August 2012). Da auf die 39 Unterzeichnerstaaten gegen 80% der weltweiten Exporte und 90% der Direktinvestitionen im Ausland entfallen,
Vgl. OECD Working Group on Bribery, Annual Report 2011, S. 7. wird bereits heute ein grosser Teil der internationalen Wirtschaftsbeziehungen abgedeckt. Die OECD bemüht sich dennoch aktiv darum, den Teilnehmerkreis der Konvention laufend zu erweitern, wobei der Staatengruppe der G20 aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung eine besondere Priorität beigemessen wird.
Folgende G20-Staaten sind noch nicht Mitglied der OECD-Konvention: China, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien.Seit der Verabschiedung der OECD-Konvention wurden weitere internationale Übereinkommen zur Korruptionsbekämpfung abgeschlossen, welche in geografischer oder inhaltlicher Hinsicht weiter gefasst sind. So ist die Schweiz seit 2006 Mitglied der Strafrechtskonvention und der Staatengruppe des Europarates gegen die Korruption (Greco). Diese befasst sich u.a. mit der Privatbestechung. Weiter hat die Schweiz 2009 die Antikorruptionskonvention der UNO ratifiziert, welche sich von den anderen Abkommen durch ihren universellen Charakter unterscheidet. Der OECD-Konvention kommt aber u.a. aufgrund des umfassenden Überprüfungsmechanismus und der institutionalisierten Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiterhin eine zentrale Bedeutung zu.

Strenge Überprüfung


Die OECD hat von Beginn weg der Überprüfung der Umsetzung der Konvention durch die Unterzeichnerstaaten eine besondere Bedeutung beigemessen. Auch wenn die schädlichen Auswirkungen der Korruption heute allgemein bekannt sind, können Unternehmen mit der Bezahlung von Bestechungsgeldern beispielsweise ungerechtfertigte Vorteile bei der Auftragsvergabe erzielen und damit den Marktmechanismus ausser Kraft setzen. Mit einer kohärenten und wirkungsvollen Umsetzung soll sichergestellt werden, dass die Unternehmen in allen Unterzeichnerstaaten unter denselben Bedingungen am internationalen Wettbewerb teilnehmen können (Level Playing Field).Nach dem Beitritt eines Staates zur OECD-Konvention wird in einem ersten Länderexamen (sogenannte Phase-1-Examen) geprüft, ob ein Unterzeichnerstaat die Vorgaben der Konvention korrekt in die nationale Gesetzgebung übernommen hat. Konkret wird dabei analysiert, ob das nationale Strafrecht den detaillierten Kriterien der Konvention entspricht. In einer deutlich umfangreicheren zweiten Evaluation (Phase-2-Examen) wird untersucht, ob die Konvention und die ergänzenden OECD-Empfehlungen in der Praxis wirkungsvoll angewandt werden. Schliesslich wurde 2010 eine dritte Prüfungsphase lanciert (Phase-3-Examen), in welcher – neben der Umsetzung der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aus den Phasen 1 und 2 – die Anstrengungen und konkreten Ergebnisse bei der Strafverfolgung geprüft werden.In allen drei Phasen beginnt ein Länderexamen mit der schriftlichen Beantwortung eines detaillierten Fragenkatalogs. Dabei wird vom geprüften Land auch erwartet, dass alle relevanten Gesetze und Strafurteile in eine der offiziellen Sprachen der OECD übersetzt und den Antworten beigefügt werden. Bei den Examen der Phasen 2 und 3 folgt ein mehrtägiger Besuch einer Expertengruppe im geprüften Land, in dessen Rahmen die Expertinnen und Experten vor Ort umfangreiche Gespräche führen. Gestützt darauf wird ein umfassender Länderbericht verfasst, der in der OECD-Arbeitsgruppe beraten und durch Empfehlungen an das geprüfte Land ergänzt wird. Alle Länderberichte werden nach Abschluss des Prüfungsverfahrens gemeinsam mit einer Medienmitteilung auf der OECD-Website veröffentlicht. Erfahrungsgemäss wird durch diese Veröffentlichung und die darauf folgende Berichterstattung in nationalen und internationalen Medien ein Druck auf die Mitgliedstaaten ausgeübt, die Empfehlungen der OECD ernst zu nehmen und die Konvention wirkungsvoll umzusetzen (Peer Pressure). Auch nach Abschluss der verschiedenen Examen wird der Druck aufrechterhalten, da die Staaten der OECDArbeitsgruppe regelmässig über die Umsetzung der Empfehlungen berichten müssen. Bei ungenügenden Fortschritten können weitere Massnahmen ergriffen werden, wie etwa ein Schreiben der OECD an die verantwortlichen Minister oder eine Medienmitteilung zur ungenügenden Umsetzung.

Länderexamen der Schweiz


Kurz nach dem Beitritt zur OECD-Konvention im Jahr 2000 durchlief die Schweiz das Phase-1-Examen; vier Jahre danach folgte das Phase-2-Examen. 2011 wurde die Schweiz nun im Rahmen des Phase-3-Examens geprüft. Nach mehrmonatigen Vorarbeiten hat im Juni 2011 ein Prüfungsteam mit Vertreterinnen und Vertretern des OECD-Sekretariats sowie aus Österreich und Ungarn die Schweiz besucht und Gespräche mit Expertinnen und Experten des Bundes, der Kantone und der Strafverfolgungsbehörden sowie von Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und NGO geführt. Der daraus resultierende Länderbericht wurde in der OECD-Arbeitsgruppe im Dezember 2011 beraten und verabschiedet. Im Januar 2012 publizierte das OECD-Sekretariat den Bericht mit den Empfehlungen an die Schweiz. Der Bericht untersucht insbesondere die Strafverfolgung und Sanktionierung sowie die Präventionsbemühungen der Schweiz im Bereich der Bestechung fremder Amtsträger und zeigt – nebst den positiven Entwicklungen – auf, wo weiterer Handlungsbedarf besteht.

Positive Entwicklungen …


In ihrem Bericht würdigt die OECD die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und insbesondere die erstmalige Verurteilung eines Unternehmens in der Schweiz, weil es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um Bestechungszahlungen an ausländische Beamte zu verhindern. Gute Noten erhielten die Schweizer Behörden auch für ihren wichtigen Beitrag an die Gewährung internationaler Rechtshilfe sowie das proaktive Vorgehen bei der Beschlagnahme, Einziehung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte. Ebenfalls Anerkennung finden die seit Januar 2011 geltenden neuen Bestimmungen des Bundespersonalgesetzes, wonach Bundesangestellte die Pflicht haben, Verbrechen und Vergehen anzuzeigen, von denen sie im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten Kenntnis erhalten. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung möglicher Delikte geleistet. Begrüsst werden zudem die zahlreichen Sensibilisierungsbemühungen und Ausbildungsmassnahmen im Bereich der Korruptionsbekämpfung sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor.

… und Empfehlungen für Verbesserungen


Neben der Würdigung der positiven Entwicklungen soll ein Länderbericht in erster Linie Verbesserungsbedarf aufzeigen. Im Rahmen der Phase-3-Examen gilt ein besonderes Augenmerk der 2009 revidierten OECD-Empfehlung zur Korruptionsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr, welche zusätzliche Hinweise zur wirkungsvollen Umsetzung der OECD-Konvention erhält. Die OECD bedauert in ihrem Länderbericht zur Schweiz, dass trotz zahlreicher eröffneter Strafverfahren wegen Auslandskorruption nicht bereits mehr Verfahren abgeschlossen worden sind. Sie richtet 12 Empfehlungen an die Schweiz, welche sich wie folgt zusammenfassen lassen:− Die Strafverfolgungsbehörden sollen bezüglich der Unternehmenshaftung in Korruptionsfällen spezifisch geschult werden. Zudem sind die ihnen zur Verfügung gestellten personellen und finanziellen Ressourcen regelmässig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen, um eine wirksame Verfolgung der Delikte zu garantieren.− Bei der Anwendung besonderer Verfahren wie den Strafbefehlsverfahren und abgekürzten Verfahren sowie der Wiedergutmachung sind in Übereinstimmung mit den anwendbaren Verfahrensregeln die Gründe für die Wahl dieser Verfahren und die erlassenen Sanktionen detaillierter bekannt zu machen.− Bezüglich der Rechtshilfe sollen noch detailliertere Statistiken über erhaltene, gestellte und abgewiesene Rechtshilfegesuche geführt werden, um die einzelnen Aspekte der Gesuche besser erfassen zu können.− Die Schweiz soll ihre Politik bezüglich der Strafbarkeit geringfügiger Schmiergeldzahlungen (Small Facilitation Payments) periodisch überprüfen und die Unternehmen darin bestärken, solche Zahlungen in ihren internen Richtlinien zu verbieten oder davon abzuraten.− Im Bereich der Rechnungslegung sollen die Bemühungen zur Gewährung der Transparenz fortgeführt werden. Zudem soll für externe Revisoren die Einführung einer Meldepflicht an vom Unternehmen unabhängige Behörden bei Hinweisen auf Korruptionsfälle geprüft werden.− Bei den Steuerverwaltungen von Bund und Kantonen sollen die Erkennung und die Weiterleitung von Hinweisen auf Bestechungsdelikte noch mehr gefördert und bei Unternehmen mit erhöhten Risiken die Inspektionen vor Ort verstärkt werden.− Massnahmen zur Sensibilisierung der Unternehmen für die Korruptionsrisiken im Auslandsgeschäft sollen verstärkt auf international tätige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausgerichtet werden.− Es soll geprüft werden, die Meldepflicht für Bundesangestellte bei Verdacht auf Bestechungsdelikte auf Verwaltungseinheiten auszudehnen, die nicht dem Bundespersonalgesetz unterstehen (z.B. Finma). Zudem sind Kantone ohne derartige Meldepflicht zu ermutigen, eine solche einzuführen.− Der Schutz von Informanten (Whistleblower) soll auch für Angestellte im Privatsektor gesetzlich verankert werden.− Unternehmen, die wegen Auslandbestechung verurteilt worden sind, sollen für eine bestimmte Periode systematisch von der Vergabe öffentlicher Aufträge und von durch die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit finanzierten Verträgen ausgeschlossen werden.Die OECD wird sodann die Entwicklung von Rechtsprechung und Rechtspraxis in bestimmten Bereichen weiterverfolgen und unter Umständen erneut darauf zurückkommen. Erwähnt werden beispielsweise:− die Anwendung der Unternehmenshaftung durch die Strafverfolgungsbehörden;− die gegenüber natürlichen Personen ausgesprochenen Strafen (einschliesslich Verurteilungen durch Strafbefehle und in abgekürzten Verfahren), um sicherzustellen, dass die Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sind;− die weitergeführte Anwendung einer Verjährungsfrist von 15 Jahren bei der Verfolgung juristischer Personen, um genügend Zeit für Untersuchung und Strafverfolgung zu haben.

Würdigung und Ausblick


Aus Sicht der Schweiz vermittelt der Prüfungsbericht der OECD ein angemessenes Bild der aktuellen Situation in der Schweiz. Gestützt auf die Analyse der Empfehlungen hat das Seco den Handlungsbedarf identifiziert. Während einzelne Empfehlungen konkrete Massnahmen erfordern, enthalten andere blosse Prüfungsaufträge. Ein Jahr nach der Verabschiedung des Berichts wird die Schweiz in der OECD-Arbeitsgruppe mündlich über den Stand der Folgearbeiten informieren und nach zwei Jahren einen umfassenden schriftlichen Bericht zuhanden der OECD über die Umsetzung der Empfehlungen unterbreiten.Eine grosse Bedeutung kommt weiterhin der Sensibilisierung der Unternehmen zu. Im Ausland tätige Schweizer Unternehmen werden auch in Zukunft mit korruptem Verhalten konfrontiert werden. Es ist daher für diese Unternehmen unumgänglich, angemessene Präventionsmassnahmen und interne Kontrollen anzuwenden. Während die grossen multinationalen Unternehmen in der Regel bereits über entsprechende Abwehrdispositive verfügen, besteht vor allem bei KMU, welche neue ausländische Märkte erschliessen und sich entsprechenden Korruptionsrisiken aussetzen, noch Handlungsbedarf. Die OECD-Leitlinien für Unternehmen zu internen Kontrollsystemen sowie Ethik- und Compliance-Programmen (vgl. Kasten 3

Leitlinien der OECD für interne Kontrollsysteme, Ethik und Compliance


Im Anhang II der revidierten OECD-Empfehlung zur Korruptionsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr aus dem Jahr 2009 sind Leitlinien für Verfahren in den Bereichen interne Kontrollsysteme, Ethik und Compliance enthalten. Diese Leitlinien richten sich insbesondere an international tätige KMU, mit dem Ziel, die Wirksamkeit von Programmen oder Massnahmen zur Vermeidung von Bestechungsdelikten zu verbessern. Die Leitlinien enthalten keine rechtsverbindlichen Vorgaben und können freiwillig übernommen werden. Ihre flexible Ausgestaltung erlaubt es Unternehmen, sie im Rahmen ihrer Kontrollsysteme den spezifischen Gegebenheiten anzupassen (z.B. Grösse und Rechtsform des Unternehmens, geografisches Tätigkeitsgebiet, Branche).Konkret wird Unternehmen empfohlen, dass interne Kontrollverfahren sowie die Ethik- und Compliance-Programme auf einer Risikobewertung basieren sollen, die regelmässig überwacht, neu bewertet und den Umständen entsprechend angepasst wird. Weiter sind die Verabschiedung einer unmissverständlichen Anti-Korruptionspolitik des Unternehmens sowie die starke, eindeutige und sichtbare Unterstützung der Unternehmensleitung für diese Politik notwendig. Um sicherzustellen, dass Compliance-Massnahmen eingehalten und durchgesetzt werden, sollten Führungskräfte diesbezüglich regelmässig informieren und Schulungen für interne und externe Mitarbeitende (z.B. Agenten) durchführen. Für Verstösse gegen die internen Weisungen ist ein Disziplinarverfahren vorzusehen, das konsequent umgesetzt wird.Die Leitlinien richten sich auch an Unternehmens- und Branchenverbände, die ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Prävention spielen. Ihre Unterstützung der Unternehmen umfasst u.a. die Durchführung von Informations- und Ausbildungsanlässen sowie die Beratung zu spezifischen Fragen bei der praktischen Umsetzung der Sorgfaltspflicht.

) enthalten eine hilfreiche Übersicht über entsprechende Massnahmen.Auch die OECD kann sich mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden geben. Obschon in den letzten Jahren die Strafverfahren und Verurteilungen deutlich zugenommen haben, weisen die verschiedenen Länderexamen auf grosse Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten hin. Dieses Bild wird auch durch den jährlichen Fortschrittsbericht einer unabhängigen NGO bestätigt, welche nur in 7 Mitgliedstaaten – darunter der Schweiz – eine aktive Umsetzung der Konvention durch die Strafverfolgungsbehörden konstatiert.
Vgl. Transparency International, Enforcement of the OECD Anti-Bribery Convention, Progress Report 2011, S. 4 f. Der Bericht stellt bei 7 Mitgliedstaaten eine aktive Umsetzung, bei 9 Staaten eine mittelmässige und bei 21 Staaten eine schwache oder sogar fehlende Umsetzung fest. Es muss daher weiterhin eine zentrale Aufgabe der OECD sein, für eine einheitliche und rigorose Umsetzung der Konvention zu sorgen. Unternehmen, welche konsequent Bestechungszahlungen unterlassen, dürfen nicht den Eindruck erhalten, sie würden Aufträge an Mitbewerber aus anderen Staaten verlieren, welche (ungestraft) korrupte Verhaltensweisen praktizieren.Aus denselben Überlegungen muss die OECD ihre Bemühungen fortsetzen, den Teilnehmerkreis der Konvention zu erweitern. Aufgrund der beschränkten Ressourcen der OECD-Arbeitsgruppe sollte dabei den G20-Staaten eine klare Priorität beigemessen werden. Da die Mitglieder der G20 in ihrem Aktionsplan zur Korruptionsbekämpfung aus dem Jahr 2010 zu einer engen Zusammenarbeit mit der OECD-Arbeitsgruppe aufgerufen werden, sind die Voraussetzungen dazu zurzeit günstig.
Kasten 1: OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung

OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung


In der vom Schweizer Prof. Mark Pieth präsidierten OECD-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung (OECD Working Group on Bribery) sind die 39 Unterzeichnerstaaten der OECD-Konvention vertreten. 2011 ist Kolumbien als 40. Mitglied der Arbeitsgruppe beigetreten, hat die OECD-Konvention aber noch nicht ratifiziert. Die hauptsächlichen Tätigkeiten der Arbeitsgruppe, welche sich viermal pro Jahr trifft, sind:− Evaluierung der Unterzeichnerstaaten in Bezug auf den Stand der Umsetzung der OECD-Konvention;− regelmässige Treffen der Strafverfolgungsbehörden; − Erarbeiten von Typologienstudien (z.B. zur Rechtshilfe bei Auslandbestechungsfällen);− Sammeln und Publikation offizieller Daten über die Bemühungen der Unterzeichnerstaaten zur Durchsetzung der OECD-Konvention u.a. in den Bereichen Untersuchungen, Verfahren und Sanktionen;− diverse Outreach-Aktivitäten wie die Durchführung von vier regionalen Anti-Korruptionsprogrammen (Osteuropa und Zentralasien, Asien-Pazifik, Afrika und Lateinamerika);− Zusammenarbeit mit anderen internationalen Institutionen (G20, Greco, UNO, multilaterale Entwicklungsbanken etc.);− regelmässiger Erfahrungsaustausch und Promotionsanlässe mit dem Privatsektor, den NGO und der Wissenschaft.

Kasten 2: Auslandbestechung

Auslandbestechung


Unter die Auslandbestechung fällt gemäss Schweizer Strafrecht die Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB). Es handelt sich dabei um Amtsträger, die «für einen fremden Staat oder eine internationale Organisation tätig sind».Als aktive Auslandbestechung gilt, wenn einem ausländischen Amtsträger «im Zusammenhang mit dessen amtlicher Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten» ein nicht gebührender Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt wird (Art. 322septies Abs. 1 StGB).Passive Auslandbestechung begeht ein ausländischer Amtsträger, wenn er «für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt» (Art. 322septies Abs. 2 StGB).Gemäss Art. 102 Abs. 2 StGB kann auch ein Unternehmen, das «nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat», um eine Bestechung von Amtsträgern oder Privaten zu verhindern, strafrechtlich belangt und mit einer Busse bis zu 5 Mio. Franken sanktioniert werden. Diese Haftbarkeit gilt unabhängig davon, ob eine natürliche Person zur Verantwortung gezogen werden kann oder nicht.

Kasten 3: Leitlinien der OECD für interne Kontrollsysteme, Ethik und Compliance

Leitlinien der OECD für interne Kontrollsysteme, Ethik und Compliance


Im Anhang II der revidierten OECD-Empfehlung zur Korruptionsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr aus dem Jahr 2009 sind Leitlinien für Verfahren in den Bereichen interne Kontrollsysteme, Ethik und Compliance enthalten. Diese Leitlinien richten sich insbesondere an international tätige KMU, mit dem Ziel, die Wirksamkeit von Programmen oder Massnahmen zur Vermeidung von Bestechungsdelikten zu verbessern. Die Leitlinien enthalten keine rechtsverbindlichen Vorgaben und können freiwillig übernommen werden. Ihre flexible Ausgestaltung erlaubt es Unternehmen, sie im Rahmen ihrer Kontrollsysteme den spezifischen Gegebenheiten anzupassen (z.B. Grösse und Rechtsform des Unternehmens, geografisches Tätigkeitsgebiet, Branche).Konkret wird Unternehmen empfohlen, dass interne Kontrollverfahren sowie die Ethik- und Compliance-Programme auf einer Risikobewertung basieren sollen, die regelmässig überwacht, neu bewertet und den Umständen entsprechend angepasst wird. Weiter sind die Verabschiedung einer unmissverständlichen Anti-Korruptionspolitik des Unternehmens sowie die starke, eindeutige und sichtbare Unterstützung der Unternehmensleitung für diese Politik notwendig. Um sicherzustellen, dass Compliance-Massnahmen eingehalten und durchgesetzt werden, sollten Führungskräfte diesbezüglich regelmässig informieren und Schulungen für interne und externe Mitarbeitende (z.B. Agenten) durchführen. Für Verstösse gegen die internen Weisungen ist ein Disziplinarverfahren vorzusehen, das konsequent umgesetzt wird.Die Leitlinien richten sich auch an Unternehmens- und Branchenverbände, die ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Prävention spielen. Ihre Unterstützung der Unternehmen umfasst u.a. die Durchführung von Informations- und Ausbildungsanlässen sowie die Beratung zu spezifischen Fragen bei der praktischen Umsetzung der Sorgfaltspflicht.

Zitiervorschlag: Barbara Maurer, Lukas Siegenthaler, (2012). OECD-Länderexamen Korruption – die Schweiz im internationalen Vergleich. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.