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Verkehr Schweiz: Ein Viertel entsteht durch den Tourismus

In einem Bericht definiert der Bundesrat den Begriff «touristischer Verkehr» und analysiert das Reiseverhalten in der Schweiz. Zwischen Mobilität, Tourismus und Freizeit zeigt sich ein starker Zusammenhang. Was bedeutet das für die Verkehrspolitik?
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Laut Bundesrat umfasst der touristische Verkehr Reisen ausserhalb der gewohnten Umgebung wie zum Beispiel einen Ausflug auf das Jungfraujoch. (Bild: Keystone)

In der Schweiz ist der Tourismus eng mit der Mobilität verknüpft – denn sie ist ein zentrales Element des Reiseerlebnisses. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts galten die Alpen lediglich als Hindernis auf dem Weg nach Italien.[1] Erst im 19. Jahrhundert, unter dem Einfluss neuer ästhetischer und kultureller Vorstellungen, änderte sich der Blick auf die Bergwelt, und die Schweiz wurde zu einem immer beliebteren Reiseziel.

Auf ihrer «Grand Tour» entdeckten die Eliten Europas, inspiriert durch künstlerische und literarische Werke berühmter Reisender wie Rousseau, Goethe und Casanova, die schönen Seiten der Schweizer Alpen. Mit dem europäischen Siegeszug der Eisenbahn ab 1830 wurde die Schweiz leichter zugänglich. Und die Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels 1882 markierte einen Wendepunkt in der touristischen Entwicklung. In dieser Zeit entstanden auch Züge und Bergbahnen zu berühmten Aussichtspunkten wie etwa zur Rigi (erste Zahnradbahn Europas 1871), zum Pilatus (1889) oder zum Monte Generoso (1890) im Tessin.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebte der Tourismus viele Höhen und Tiefen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich allmählich von einem elitären Luxusgut zum Massentourismus – vor allem auch dank der weiten Verbreitung des Privatautos. Gleichzeitig entstand eine neue «Freizeitkultur». Die zuvor als unproduktiv geltende «freie Zeit» erhielt ab den 1960er-Jahren eine neue soziokulturelle Bedeutung: Sie wurde zu einer geschätzten Phase, in der man sich erholt, Sport treibt und Kultur geniesst – und führte so folglich zu einer Zunahme der Mobilität.

Der Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen im Laufe der Jahrhunderte trug somit wesentlich zum Aufschwung des Tourismus in der Schweiz bei. Doch wie wird «touristischer Verkehr» eigentlich definiert? Diese Frage stellte FDP-Ständerat Josef Dittli im Rahmen eines Postulats[2] an den Bundesrat. Er forderte eine Definition des Begriffs, damit diese Verkehrsform in der Statistik sichtbar wird.

Längere und weniger häufige Reisen

Die Begriffe Tourismus und Freizeit werden umgangssprachlich oft synonym verwendet. Auch der «Mikrozensus Mobilität und Verkehr (MZMV)», die wichtigste statistische Erhebung über die Mobilität in der Schweiz, die alle fünf Jahre bei einer repräsentativen Stichprobe durchgeführt wird, unterscheidet nicht eindeutig zwischen den beiden Konzepten. Der MZMV ermöglicht es allerdings, tägliche und wöchentliche Reisen voneinander abzugrenzen.

Der Bundesrat definierte 2009 in seiner «Strategie Freizeitverkehr» den Freizeitverkehr als die Gesamtheit der Fahrten, die ausserhalb des Erwerbslebens, der Ausbildung und der täglichen Einkäufe stattfinden. Letztere zeichnen sich durch ihre Regelmässigkeit sowie durch eher kurze Distanzen aus.

Im Dezember 2024 veröffentlichte der Bundesrat als Antwort auf das Postulat Dittli einen Bericht. Darin präzisiert er den Begriff des touristischen Verkehrs. Demzufolge umfasst dieser alle Reisen auf Schweizer Boden, die von der schweizerischen Wohnbevölkerung oder von ausländischen Gästen unternommen werden – seltener und über längere Distanzen als der tägliche Freizeitverkehr. Kennzeichnend ist, dass diese Reisen unabhängig vom Zweck Freizeit, Beruf, Einkäufe usw. und ausserhalb der gewohnten Umgebung stattfinden.

Der Bericht kommt zu einem überraschenden Befund: 25 Prozent des Gesamtverkehrs[3] in der Schweiz entsteht durch Tourismus – dieses Verkehrsaufkommen wird zu gleichen Teilen von der Wohnbevölkerung und den ausländischen Gästen verursacht. Schätzungen zufolge werden in der Schweiz also rund 37,9 Milliarden Personenkilometer für touristische Zwecke zurückgelegt. Weitere 27 Prozent des Gesamtverkehrs entfallen auf die Freizeitmobilität im Alltag der Wohnbevölkerung. Die restlichen 47 Prozent sind Routinefahrten, beispielsweise für das tägliche Einkaufen, das Zur-Schule-Fahren der Kinder oder den Arbeitsweg (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Der Tourismus verursacht ein Viertel des Gesamtverkehrs in der Schweiz (Schätzung 2015)

Quelle: Bundesrat (2024) / Die Volkswirtschaft

Schweizer Touristen nutzen häufig den ÖV

Der Bericht des Bundesrats zeigt zudem, dass der grösste Teil des touristischen Verkehrs (86%) mit Freizeitaktivitäten verbunden ist – dazu zählen mehrtägige Ferienreisen ebenso wie Tagesausflüge. Geschäftsreisen machen 12 Prozent des Tourismusverkehrs aus und Fahrten zu Einkaufszwecken 2 Prozent (siehe Abbildung 2).

Bei den genutzten Verkehrsmitteln zeigt sich: 24 Prozent der touristischen Reisen erfolgen mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV). Zum Vergleich: Gemessen am Gesamtverkehr (unabhängig vom Fahrzweck) erreicht der ÖV nur 19 Prozent. Betrachtet man jedoch nur die touristischen Fahrten von ausländischen Gästen für Tagesausflüge oder für den Transit durch die Schweiz, fällt der ÖV-Anteil mit 4 bzw. 3 Prozent deutlich tiefer aus. Die schweizerische Wohnbevölkerung wählt mit einem ÖV-Anteil von 35 Prozent bei Tagesausflügen vergleichsweise viel häufiger den ÖV als die ausländischen Gäste.

Hinsichtlich der Art des Tourismus verteilt sich der touristische Verkehr in etwa zu gleichen Teilen auf den Tages- und den Übernachtungstourismus (siehe Abbildung 2). Und schliesslich zeigt die saisonale Analyse, dass 41 Prozent der touristischen Fahrten im Sommer stattfinden, 33 Prozent im Frühling und im Herbst (Zwischensaison) und 25 Prozent im Winter. Zwischen den Jahreszeiten gibt es jedoch kaum Unterschiede bei der Wahl des Verkehrsmittels.

Abb. 2: In der Schweiz erfolgen 24 Prozent der touristischen Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr

Quelle: Bundesrat (2024) / Die Volkswirtschaft

Den Tourismusverkehr optimieren

Der Bericht beleuchtet zentrale Chancen und Herausforderungen für die Förderung eines nachhaltigen touristischen Verkehrs in der Schweiz. Gemäss den «Verkehrsperspektiven 2025» des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) werden Freizeitreisen – einschliesslich jener, die unter die neue Definition «touristischer Verkehr» fallen – in Zukunft weiter zunehmen. Diese Entwicklung wird sich positiv auf die Wirtschaft auswirken: Schon heute trägt der Tourismussektor erheblich dazu bei – 2021 betrug sein Anteil 2,4 Prozent des BIP und 3,8 Prozent an den Arbeitsplätzen. Gleichzeitig bringt diese Dynamik auch neue Herausforderungen für das Schweizer Verkehrssystem mit sich.

Der touristische Verkehr ist derzeit von starken Schwankungen geprägt, etwa durch saisonale oder wöchentliche Spitzen, die das Verkehrssystem oft überlasten. Obwohl der ÖV-Anteil beim touristischen Verkehr bereits hoch ist, bestehen weiterhin grosse Herausforderungen – insbesondere im Transit- und grenzquerenden Verkehr, wo der ÖV-Anteil sehr gering ist. Zudem wäre es wünschenswert, man könnte das ÖV-Angebot optimieren, um die Nachfrage besser über das ganze Land zu verteilen und gleichzeitig von den bestehenden Kapazitäten zu profitieren. Dazu muss allerdings die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen, den Regionen und den Nachbarländern weiter gefördert und intensiviert werden.

Die Herausforderungen des Tourismusverkehrs sollten zudem besser in künftige Planungsstrategien einfliessen. Die Digitalisierung touristischer Angebote eröffnet neue Möglichkeiten, Verkehr und Freizeit effizienter miteinander zu verknüpfen und so die Nutzung der Infrastrukturen und den Zugang zu touristischen Dienstleistungen zu optimieren. Der Dialog zwischen Akteuren aus den Bereichen Verkehr und Tourismus gewinnt dadurch an Bedeutung und muss gestärkt werden. Das ARE setzt sich weiterhin für die nachhaltige touristische Mobilität ein. Um die betroffenen Akteure für diese Herausforderungen zu sensibilisieren, braucht es allerdings auch neue Kommunikationskanäle.

  1. Siehe Tissot (2022). []
  2. Siehe Postulat 21.4452 «Touristischen Verkehr definieren» vom 15. Dezember 2021. []
  3. Der Begriff Gesamtverkehr bezeichnet sämtliche Reisen von Personen mit allen Arten von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln. []

Literaturverzeichnis

 


Bibliographie

 

Zitiervorschlag: Vigani, Aurelio (2025). Verkehr Schweiz: Ein Viertel entsteht durch den Tourismus. Die Volkswirtschaft, 17. April.

So wurde der touristische Verkehr geschätzt

Da vollständige statistische Daten zur Mobilität ausländischer Touristinnen und Touristen fehlen, wurde auf der Grundlage der bestehenden statistischen Quellen eine Methode entwickelt, um den touristischen Gesamtverkehr in der Schweiz zu schätzen. Die Schätzung beruht im Wesentlichen auf vorpandemischen Daten aus dem Jahr 2015, d. h. auf dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr (letzte Untersuchung vor der Coronapandemie), auf der vom Bundesamt für Statistik veröffentlichten Studie «Alpen- und grenzquerender Personenverkehr (A+GQPV)», den Statistiken zum Linien- und Charterverkehr der gewerblichen Linienflüge für Passagiere und dem Tourismus Monitor Schweiz (TMS).

 

Ab 2027 werden neue Daten zur Verfügung stehen und es ermöglichen, bei Bedarf die Schätzung des touristischen Verkehrs in der Schweiz zu aktualisieren und die Entwicklung der Verkehrspolitik auf eine solidere Grundlage zu stellen.