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Was denkt die Schweiz über die Regulierung der Wirtschaft?

Der Abbau staatlicher Regulierung steht immer wieder auf der politischen Agenda. Entwicklungen in Argentinien und den USA befeuern die Diskussion. Eine Befragung der Universität Zürich zeigt: Die allgemeine Zufriedenheit der Schweizerinnen und Schweizer mit der bestehenden Regulierungsdichte sinkt. In spezifischen Wirtschaftssektoren und bei konkreten Massnahmen sprechen sich jedoch viele für mehr Regulierung aus.
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Insbesondere bei den Banken befürworten Schweizerinnen und Schweizer mehr Regulierungen. Sergio Ermotti an der Generalversammlung der UBS im April 2025. (Bild: Keystone)

Wie steht die Schweizer Bevölkerung zum Abbau staatlicher Eingriffe ins Wirtschaftsleben? In letzter Zeit hat diese Debatte viel Aufmerksamkeit erhalten, wohl auch wegen entsprechender Reformen in Argentinien und den USA. Auch die Europäische Union, die für ihre Regulierungsdichte häufig kritisiert wird, diskutiert Initiativen zum Regulierungsabbau.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Schweizer Bevölkerung befragt, wie sie zum Thema Regulierung steht. Wie schätzen die Befragten das gegenwärtige Ausmass an staatlichen Regeln und Vorschriften für die Wirtschaft in der Schweiz ein? Wenn wir die Antworten in drei Gruppen unterteilen – für mehr Regulierung (Antwortoptionen «viel zu wenige» und «eher zu wenige»), für den Status quo («gerade richtig») und für weniger Regulierung («eher zu viele» und «viel zu viele») –, ergibt sich für das Jahr 2024 folgendes Bild: 43 Prozent der Befragten wollen weniger Regulierung, 26 Prozent wollen mehr (siehe Abbildung 1). 31 Prozent befürworten den Status quo. Das widerspiegelt also eine eher kritische Haltung gegenüber staatlicher Regulierung im Allgemeinen.

Die Entwicklung über die letzten Jahre zeigt ein differenzierteres Bild. Im Vergleich mit unseren Befragungen vor vier und acht Jahren ist der Anteil jener, die mit dem Status quo einverstanden sind, kontinuierlich gesunken.[1] Früher wünschte sich rund die Hälfte der Befragten keine Veränderung im Regulierungsausmass. Heute ist es noch knapp ein Drittel. Dieser Rückgang hängt vor allem damit zusammen, dass heute mehr Befragte für eine stärkere Regulierung sind. 2016 wollten lediglich 11 Prozent mehr Regulierung. Inzwischen ist dieser Anteil auf ein Viertel der Befragten angestiegen – mehr als doppelt so viel. Der Anteil jener, die weniger Regulierung fordern, blieb im Vergleich mit 2016 weitgehend gleich. Der zwischenzeitliche Rückgang im Jahr 2020 könnte zumindest teilweise durch die Situation während der Covid-19-Pandemie bedingt sein.

Abb. 1: Zufriedenheit mit dem Status quo der Regulierung war 2024 geringer als 2016

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Anmerkung: Antworten auf die Frage: «Nun zur aktuellen Situation in der Schweiz: Wie schätzen Sie das Ausmass an staatlichen Regeln und Vorschriften für die Wirtschaft ein?» Die Zahlen sind gerundet, weshalb die Summe manchmal von 100 Prozent abweicht.
Quellen: Binding und Widmer (2025) / Die Volkswirtschaft

Relative Mehrheiten für mehr Regulierung in einzelnen Wirtschaftsbereichen

Eine etwas andere Sicht auf die Akzeptanz von staatlicher Regulierung der Wirtschaft ergibt sich, wenn man die Meinungen zu spezifischen Wirtschaftssektoren betrachtet. Nur beim Detailhandel und beim Schutz der Arbeitnehmenden bevorzugt eine relative Mehrheit den Status quo (siehe Abbildung 2). In allen anderen Sektoren ist der Wunsch nach mehr Regulierung am häufigsten, gefolgt von der Beibehaltung des Status quo. Weniger Regulierung wünscht sich nur eine Minderheit – egal, ob es um die Elektrizitätswirtschaft, die Mieten oder den Onlinehandel geht. Insgesamt lässt sich sagen, dass die allgemeine Skepsis gegenüber Regulierung deutlich stärker ausfällt als in den einzelnen Sektoren.

Abb. 2: In den meisten Wirtschaftssektoren wollen die Befragten lieber mehr als weniger Regulierung (2024)

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Anmerkung: Antworten auf die Frage: «Nachfolgend finden Sie einige Wirtschaftsbereiche aufgelistet. Geben Sie bitte jeweils an, ob Sie für den genannten Bereich mehr staatliche Regeln und Vorschriften oder weniger staatliche Regeln und Vorschriften befürworten oder ob das aktuelle Ausmass gerade richtig ist.» Die Zahlen sind gerundet, weshalb die Summe manchmal von 100 Prozent abweicht.
Quellen: Binding und Widmer (2025) / Die Volkswirtschaft

Am ausgeprägtesten ist die Befürwortung von mehr Regeln und Vorschriften bei den Banken und Versicherungen: Mehr als die Hälfte der Befragten will hier die Regulierung ausbauen. Seit 2016 ist dieser Anteil um 10 Prozentpunkte gewachsen.

Doch wie stark unterstützen die Befragten konkrete Eingriffe im Bankensektor? Wir fragten nach den Einstellungen zu fünf ausgewählten Massnahmen, die im Nachgang zum Ende der Credit Suisse diskutiert werden. Dazu gehören schärfere Eigenkapitalvorschriften, mehr Sanktionen bei Fehlverhalten, persönliche Haftung des Bankkaders, Lohndeckelung beim Bankkader sowie eine Aufteilung von Geschäfts- und Investmentbanken. Mindestens vier von fünf Befragten sprechen sich «eher» oder «sehr» für diese Massnahmen aus, bei vier der fünf Massnahmen sind klare Mehrheiten «sehr dafür», bei der Bankenaufteilung wurde die Kategorie «eher dafür» etwas häufiger gewählt. Insgesamt betrachtet stossen konkrete Regulierungen im Bankensektor auf eine ausgesprochen starke Zustimmung.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Schweizer Bevölkerung zwar mit dem Bestand an staatlicher Wirtschaftsregulierung im Allgemeinen immer weniger zufrieden ist. Jedoch fällt die Zustimmung zu mehr Regeln und Vorschriften in spezifischen Wirtschaftssektoren deutlich höher aus. Besonders ausgeprägt ist die Unterstützung bei spezifischen Massnahmen der Bankenregulierung.

  1. Siehe Höglinger und Widmer (2016) und Milic und Widmer (2021). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Widmer, Thomas; Binding, Garret (2025). Was denkt die Schweiz über die Regulierung der Wirtschaft? Die Volkswirtschaft, 29. April.

Zur Befragung

Die Auswertungen basieren auf einer Onlinebefragung, die die Leewas GmbH in unserem Auftrag im Zeitraum vom 26. August 2024 bis zum 24. September 2024 durchgeführt hat. Total nahmen daran 3026 stimmberechtigte Personen aus der Deutschschweiz und der Suisse romande teil. Die Antworten der Befragten werden gemäss soziodemografischen Merkmalen gewichtet. Die hier angegebenen Anteile entsprechen dem gewichteten Mittelwert: Wie viele Personen in der Stichprobe wählten pro Frage welche Antwortkategorie? Weil wir die Einstellungen zu staatlicher Regulierung der Wirtschaft bereits in den Jahren 2016A und 2020B erhoben hatten, lassen sich Aussagen zur zeitlichen Entwicklung machen. Weiterführende Informationen finden sich in der aktuellen RegulierungsstudieC.

A Siehe Höglinger und Widmer (2017).

B Siehe Milic und Widmer (2021).

C Siehe Binding und Widmer (2025).