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Innovationsstandort Schweiz unter Druck

Die Schweiz investiert viel in Innovation, vor allem privat. Doch Fachkräftemangel, hohe Kosten und regulatorische Hürden bremsen den Fortschritt.
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In der Schweiz werden sie immer seltener: Radikale Produktinnovationen wie das Solarflugzeug Solarstratus. (Bild: Keystone)

Die Schweiz setzt auf gute Rahmenbedingungen für Innovation: hoch qualifizierte Fachkräfte, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem sowie stabile makroökonomische und politische Verhältnisse. Dieser erfolgreiche Schweizer Weg steht nun vor neuen Herausforderungen.[1] So hat sich der Standortwettbewerb verschärft: Grosse Wirtschaftsräume wie die Europäische Union, die USA oder China setzen zunehmend auf Innovationsförderung, um technologieintensive Unternehmen anzuziehen, und machen damit der Schweiz Konkurrenz, da sie beispielsweise die Innovationsaktivitäten in der Schweiz relativ verteuern. Gleichzeitig verändert die unberechenbare US-Zollpolitik die globalen Rahmenbedingungen.

Die Ergebnisse der jüngsten Innovationserhebung der KOF Konjunkturforschungsstelle, die im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) alle zwei Jahre durchgeführt wird, zeigt: Auch der Fachkräftemangel erschwert die Innovationsaktivitäten. Er ist eng mit dem Kostenniveau verknüpft, zumal rund zwei Drittel der F&E-Ausgaben auf Löhne entfallen.[2] Die Knappheit qualifizierter Arbeitskräfte verteuert Innovationen zusätzlich. Internationale Beispiele wie Apple zeigen, dass selbst grosse Unternehmen Schwierigkeiten haben, Produktionsstätten zu verlagern, wenn am Zielstandort das nötige Know-how fehlt.[3] In der Schweiz kämpfen vor allem kleinere Unternehmen damit, ihre F&E-Aktivitäten aufrechtzuerhalten.[4] Wenn es an Fachpersonal mangelt, weichen sie häufiger auf risikoärmere Projekte aus – oder verzichten ganz auf Innovation.

Auch regulatorische Vorgaben bremsen zunehmend: Bauvorschriften, Raumplanung und Umweltgesetzgebung werden von den Unternehmen häufiger als wichtiges Innovationshemmnis wahrgenommen – obwohl das regulatorische Hemmnisniveau im Umweltbereich nach wie vor relativ niedrig ist.[5] Beispielsweise können langwierige Bewilligungsverfahren für die Umnutzung bestehender Gebäude und Areale – etwa für Innovationsparks – Projekte erheblich verzögern.

Weniger Innovation in der Schweiz

Diese Herausforderungen spiegeln sich in den Daten: Insbesondere der Anteil der Unternehmen mit interner Forschung und Entwicklung (F&E) geht zurück. Auf Basis internationaler Vergleichszahlen waren es 2002 40 Prozent, 2022 noch 25 Prozent.[6] Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz damit im Mittelfeld. Anfang der Nullerjahre war sie bei diesem Indikator noch international führend (siehe Abbildung 1). Wenn weniger Unternehmen intern forschen, entstehen auch seltener radikale Innovationen, also Marktneuheiten, die dem Unternehmen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen können und hohe Standortkosten rechtfertigen.

Auch der Anteil der Unternehmen mit Produktinnovationen ist im selben Beobachtungszeitraum gesunken: von 55 auf 33 Prozent. Die Schweiz hat auch hier ihre frühere Führungsposition eingebüsst und liegt aktuell hinter Ländern wie beispielsweise Finnland oder den Niederlanden. Viele Unternehmen haben sich somit nicht nur aus der F&E zurückgezogen, sondern entwickeln auch keine neuen Produkte mehr.

Abb. 1: In der Schweiz betreiben immer weniger Unternehmen interne Forschung und Entwicklung (2002–2022)

INTERAKTIVE GRAFIK

Quelle: Eurostat / KOF / Die Volkswirtschaft

Innovationsvorsprung schmilzt

Dennoch bleibt die Schweiz 2024 laut dem European Innovation Scoreboard (EIS) das innovativste Land Europas.[7] Unter anderem, weil sie viel Humankapital, ein attraktives Forschungssystem und eine hohe Anzahl Patentanmeldungen aufweist – alles Indikatoren, die in das EIS einfliessen. Der Schweizer Vorsprung schmilzt aber auch hier: Dänemark, Schweden und Finnland haben seit 2017 deutlich aufgeholt (siehe Abbildung 2).

Der Schweiz gelingt es trotz des Rückgangs bei F&E-aktiven Unternehmen, im Durchschnitt die Umsätze mit Innovationen hoch zu halten. Nach wie vor erzielen die innovativen Unternehmen rund 30 bis 35 Prozent ihres Umsatzes mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Diese Erfolgsquote basiert jedoch zunehmend auf inkrementellen Innovationen – also Neuerungen, die für das Unternehmen, nicht aber für den Markt neu sind. Der Umsatzanteil an radikalen Innovationen ist durchschnittlich von 5,7 Prozent im Jahr 2012 auf 2,6 Prozent im Jahr 2022 gesunken.[8]

Diese Entwicklung weist auf intensiveren Wettbewerb, höheren Kostendruck und sinkende Margen hin. In diesem Umfeld ist es weniger erstaunlich, dass längere Amortisationszeiten der Innovationsinvestitionen zunehmend als Innovationshemmnis gesehen werden. Derartige Investitionen sind demnach schwieriger zu rechtfertigen, insbesondere angesichts eines hohen Kostenniveaus, des häufigsten als sehr wesentlich eingestuften Innovationshemmnisses.

Abb. 2: Die Schweiz führt den Innovationsindex des European Innovation Scoreboard an – doch andere Länder holen auf (2017–2024)

INTERAKTIVE GRAFIK

Quelle: European Innovation Scoreboard / Die Volkswirtschaft

Das Policy-Paradox der Schweizer Innovationspolitik

Die Schweiz zählt zu den Ländern mit dem höchsten Anteil privater F&E-Ausgaben am Bruttoinlandprodukt. Gleichzeitig hat sie eine der geringsten öffentlichen Unterstützungen für F&E in der Privatwirtschaft.[9] Das, obwohl Innovationsaktivitäten typischerweise von Marktversagen betroffen sind, das heisst, ohne öffentliche Unterstützung wird zu wenig privatwirtschaftlich in F&E investiert.

Dieses sogenannte Policy-Paradox lässt sich mit den guten Rahmenbedingungen in der Schweiz erklären. Sie machen den Standort auch ohne umfangreiche Fördermittel attraktiv. Hinzu kommt, dass die Schweiz stark auf die Grundlagenforschung und deren Wirkung auf die Innovationstätigkeit setzt.[10] Dieses Erfolgsmodell funktioniert weiterhin. Die Schweiz bleibt sehr innovativ, das Produktivitätswachstum liegt über dem Durchschnitt, und die Beschäftigungsquote ist hoch.

Digitale Abhängigkeit als strategisches Risiko

Die Ergebnisse der Innovationserhebung der KOF Konjunkturforschungsstelle weisen auf einen weiteren Faktor hin, der im Rahmen der internationalen wirtschaftspolitischen Turbulenzen an Bedeutung gewinnt: die Abhängigkeit von Softwarelieferanten. Softwarelieferanten sind mittlerweile die zweitwichtigste externe Wissensquelle für Innovationsaktivitäten – denn Innovationen entstehen selten im Alleingang.[11] Viele dieser Anbieter haben ihren Sitz wahrscheinlich im Ausland. Die wachsende Bedeutung von digitalen Komponenten für innovative, markttaugliche Produkte birgt deshalb ein Risiko, vor allem vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen.

Die Innovationslandschaft der Schweiz bleibt insgesamt stabil. Doch die internationale Standortdynamik stellt das bewährte Erfolgsmodell auf die Probe. Eine evidenzbasierte und vorausschauende Innovationspolitik ist erforderlich, um rechtzeitig auf strukturelle Veränderungen zu reagieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz aufrechtzuerhalten.

  1. Siehe Gersbach und Wörter (2024). []
  2. Siehe Bundesamt für Statistik (2025). []
  3. Siehe NZZ (2025). []
  4. Siehe Spescha, Tran und Wörter (2024), Abbildung 3.34 F&E-Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten. []
  5. Siehe Spescha, Tran und Wörter (2024). []
  6. Diese Angaben beziehen sich auf Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten (in Vollzeitäquivalenten) und auf ausgewählte Branchen, um die internationale Vergleichbarkeit herzustellen. Zum Rückgang des Anteils der Unternehmen mit F&E-Aktivitäten in der Schweiz siehe auch Barjak, Foray und Wörter (2023). []
  7. Siehe Europäische Kommission (2025c). []
  8. Siehe Spescha, Tran und Wörter (2024). []
  9. Siehe Europäische Kommission (2025a und b). []
  10. Siehe Bundesamt für Statistik (2025). []
  11. Siehe Spescha, Tran und Wörter (2024). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Hulfeld, Florian; Spescha, Andrin; Wörter, Martin (2025). Innovationsstandort Schweiz unter Druck. Die Volkswirtschaft, 24. Juli.