Das Arbeitsklima ist wichtiger als der Lohn

Ein gutes Arbeitsklima im Team macht Unternehmen attraktiv. Schweizer Sprint-Stafette an den Olympischen Spielen in Paris 2024. (Bild: Keystone)
Das Arbeitsklima (68%) ist das wichtigste Kriterium bei der Wahl einer Arbeitsstelle. Das geht aus einer repräsentativen Studie von Swissstaffing und GFS Zürich hervor[1]. Die Studie geht einerseits der Frage nach, welche Faktoren für Erwerbstätige besonders relevant sind, und anderseits, welche Aspekte Unternehmen aus ihrer eigenen Sicht attraktiv machen (siehe Kasten). Am zweithäufigsten genannt wurde der Lohn (63%). Flexibilität zählt ebenfalls zu den drei Top-Prioritäten – wenn man zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten zusammenfasst (47%).
Die Bedürfnisse unterscheiden sich nach Geschlecht. Frauen gewichten das Arbeitsklima stärker als den Lohn (73% vs. 60%), während Männer den Fokus umgekehrt setzen (63% vs. 66%). Teilzeitarbeit ist für Frauen (33%) deutlich relevanter als für Männer (18%) – ein Hinweis darauf, dass Frauen nach wie vor mehr Familienarbeit übernehmen, während Männer tendenziell das Haupteinkommen generieren.
Auch bei den Altersgruppen zeigen sich Unterschiede: Junge Erwerbstätige unter 30 Jahren priorisieren tendenziell klassische materielle Werte wie gute Entlöhnung (74%) und Jobsicherheit (51%). Im Gegensatz dazu legen über 50-Jährige vermehrt Wert auf immaterielle Faktoren wie Flexibilität (47%), Autonomie (43%) und Sinnhaftigkeit (39%).
Abb. 1: Erwerbstätige messen dem Arbeitsklima mehr Bedeutung bei, als es Arbeitgebende als Vorteil ihres Unternehmens wahrnehmen (2024)
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Unterschiedliche Prioritäten
Eine ergänzende Unternehmensbefragung zeigt Diskrepanzen zwischen den Erwartungen der Erwerbstätigen und dem Selbstbild der Unternehmen (siehe Abbildung 1). Lediglich 53 Prozent der Arbeitgeber sehen das gute Arbeitsklima als zentralen Vorteil ihres Unternehmens für ihre Mitarbeitenden. Beim Lohn sind es sogar nur 44 Prozent. Stattdessen betonen sie flache Hierarchien (42%) und Wertschätzung (40%) – beides Faktoren, die für Erwerbstätige weniger wichtig sind. Auch bei Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten klaffen die Meinungen auseinander: Nur 17 Prozent der Unternehmen sehen diese als Stärke, während sie für 28 Prozent der Erwerbstätigen unverzichtbar sind. Diese strategische Lücke kann sich negativ auf die Bindung von Mitarbeitenden auswirken.
Ein Blick auf die Resultate nach Unternehmensgrösse zeigt, dass die Einschätzung von Vorteilen stark von der Unternehmensstruktur abhängt (siehe Abbildung 2): Kleine Betriebe bieten flache Hierarchien, Eigenverantwortung, gutes Arbeitsklima und persönliche Wertschätzung. Grosse Unternehmen hingegen heben Vorteile wie Homeoffice, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sowie umfassende Lohnnebenleistungen hervor. Damit betonen Unternehmen vor allem Aspekte, die ihnen aufgrund ihrer Struktur leichtfallen, und nicht solche, die für die Erwerbstätigen am wichtigsten sind.
Abb. 2: Grosse Unternehmen bieten häufig umfassende Lohnnebenleistungen (2024)
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Bedürfnisse ernst nehmen und differenziert agieren
Der strukturelle Fachkräftemangel bleibt auch in den nächsten Jahren eine grosse Herausforderung für Unternehmen in der Schweiz – unabhängig von kurzfristigen konjunkturellen Schwankungen.[2] Dadurch verschiebt sich das Kräfteverhältnis weg von den Arbeitgebenden, hin zu den Erwerbstätigen. Ihre Erwartungen an eine Arbeitsstelle gewinnen an Bedeutung. Wer langfristig Fachkräfte halten und gewinnen will, muss genauer hinhören und die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden ernst nehmen. Ein gutes Arbeitsklima und attraktive Löhne bilden die Grundpfeiler einer Arbeitsbeziehung. Fehlt einer davon, drohen Unzufriedenheit, Fluktuation und unbesetzte Stellen.
Deshalb sollten Unternehmen gezielt in diese beiden Bereiche investieren: Transparente Entwicklungsmöglichkeiten bei Lohn und Karriere bieten den Mitarbeitenden langfristige Perspektiven. Flexible Arbeitsmodelle und mehr Entscheidungsspielraum stärken das Vertrauen und verbessern das Arbeitsklima. Dadurch steigt die Attraktivität als Arbeitgeberin.
Die Unterschiede nach Geschlecht und Alter verdeutlichen, dass ein einheitliches Arbeitgeberprofil nicht mehr genügt. Junge Erwerbstätige wünschen Sicherheit und Stabilität, während die Generation 50+ Flexibilität und Autonomie sucht. Frauen und Menschen mit Betreuungspflichten sind besonders auf Teilzeitmöglichkeit und flexible Arbeitsmodelle angewiesen, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Unternehmen, die auf diese Bedürfnisse eingehen und Vielfalt aktiv fördern, bleiben attraktiv für Talente und stärken die Loyalität der bestehenden Mitarbeitenden.
Literaturverzeichnis
- Swissstaffing (2024). Mehr Arbeitskräfte dank Selbstbestimmung: Erwerbstätige wollen grössere Flexibilität. White Paper.
- Swissstaffing (2025). Im Spannungsfeld zwischen Gen Z und 50+: Wie Unternehmen für alle Generationen attraktiv sind. White Paper.
Bibliographie
- Swissstaffing (2024). Mehr Arbeitskräfte dank Selbstbestimmung: Erwerbstätige wollen grössere Flexibilität. White Paper.
- Swissstaffing (2025). Im Spannungsfeld zwischen Gen Z und 50+: Wie Unternehmen für alle Generationen attraktiv sind. White Paper.
Zitiervorschlag: Baer, Ariane M. (2025). Das Arbeitsklima ist wichtiger als der Lohn. Die Volkswirtschaft, 22. Mai.
Das Institut GFS Zürich befragte im Auftrag von Swissstaffing 1204 Personen in der Schweiz ab 18 Jahren (ohne Pensionierte). Die Umfrage wurde telefonisch und online durchgeführt. Sie ist repräsentativ hinsichtlich Alter, Geschlecht und Sprachregion. Befragungszeitraum: 7. Oktober bis 2. November 2024.
Ergänzt wird die Studie durch eine Befragung des Instituts Sotomo. Im Auftrag von Swissstaffing befragte es 509 Unternehmen mit mindestens fünf Beschäftigten aus der Deutschschweiz und der französischsprachigen Schweiz. Die Befragung erfolgte online. Befragungszeitraum: 22. Oktober bis 4. November 2024.