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Warum das BIP im dritten Quartal 2025 schrumpfte

Das BIP ging um 0,5 Prozent zurück. Die US-Zölle von 39 Prozent spielten nur eine untergeordnete Rolle. Zurückzuführen ist der Rückgang vor allem auf die chemisch-pharmazeutische Industrie.
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Die Warenexporte verzeichneten im dritten Quartal 2025 den stärksten Rückgang seit der Pandemie. Container-Terminal in Basel-Kleinhüningen. (Bild: Keystone)

Im dritten Quartal 2025 ist das Sportevent-bereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent gesunken.[1] Dieser Rückgang wirkt auf den ersten Blick wie eine drastische konjunkturelle Eintrübung. Allerdings folgt diese Entwicklung auf einen überdurchschnittlichen Anstieg im ersten Quartal, der im Kontext des Handelskonflikts positiv überrascht hatte. Das BIP-Niveau liegt damit auch im dritten Quartal immer noch 0,8 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Abb. 1: Die chemisch-pharmazeutische Industrie prägt das BIP-Wachstum

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Anmerkung: Real, saison-, kalender- und Sportevent-bereinigtes BIP, Wachstum gegenüber dem Vorquartal, in %, Wachstumsbeiträge der Sektoren in Prozentpunkten
Quelle: Seco / Die Volkswirtschaft

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Mehrere Faktoren sind für das Minus im dritten Quartal verantwortlich (siehe Abbildung 1). Die chemisch-pharmazeutische Industrie allein trug substanziell dazu bei. Ihre Wertschöpfung brach um knapp 8 Prozent ein. Dies stellt die erwartbare Gegenbewegung auf die vorangegangene starke Entwicklung dar. Im ersten Quartal hatten die Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie sprunghaft mehr in die USA exportiert, wohl im Zusammenhang mit der US-Zollpolitik, was entsprechend das BIP erhöht hatte.

Auch abgesehen von den Ausfuhren chemisch-pharmazeutischer Produkte registrierten die Warenexporte einen markanten Rückgang im dritten Quartal. In gewissen Sparten hat dazu der ab August erhobene US-Zusatzzoll von 39 Prozent beigetragen (siehe Abbildung 2). Allerdings stellte auch dieser Rückgang zumindest teilweise eine Kompensation dar. So hatten gewisse Unternehmen im Vorquartal ihre Exporte in Erwartung höherer Zölle teilweise vorgezogen, etwa in der Uhrenindustrie. Zusammen mit dem gewichtigen Exportrückgang der chemisch-pharmazeutischen Produkte gingen die Warenexporte insgesamt so stark zurück wie seit der Pandemie nicht mehr. Dadurch fielen sie wieder auf das Niveau des Vorjahres zurück. Wenn man die chemisch-pharmazeutischen Produkte hingegen ausklammert, liegt das Niveau der restlichen konjunkturrelevanten Warenexporte trotz des Rückgangs im dritten Quartal mit 1,3 Prozent noch deutlich über dem Vorjahreswert.

Abb. 2: Volatile Warenexporte im Zuge der US-Zollpolitik

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Anmerkung: Real, saison- und kalenderbereinigte Exporte, Index, Q1 2022 = 100
Quelle: Seco / Die Volkswirtschaft

Die Umsätze im übrigen verarbeitenden Gewerbe stiegen ausgehend von tiefen Niveaus an, sodass sich dessen Wertschöpfung im dritten Quartal trotz des schwierigen internationalen Umfelds stabil entwickelte. Zwar verzeichneten die Metallverarbeitung, einzelne Elektroniksparten und die Uhrenindustrie im dritten Quartal Umsatzrückgänge. Dies wurde jedoch durch höhere Umsätze in anderen Branchen wie dem Maschinen- und dem Fahrzeugbau kompensiert.

Zum starken Wertschöpfungsrückgang im chemisch-pharmazeutischen Gewerbe kam im dritten Quartal eine ausgeprägte Schwäche in der Energiebranche. Wegen temporärer Produktionsunterbrüche in mehreren Atomkraftwerken ging die Stromproduktion in der Schweiz und damit die Wertschöpfung im Energiesektor deutlich zurück. Solche Schwankungen kommen in dieser Branche immer wieder vor und sagen daher wenig über die konjunkturelle Entwicklung aus. Im dritten Quartal trugen sie aber zum BIP-Rückgang bei. Auch die Bauwirtschaft verzeichnete einen Rückgang der Wertschöpfung. Hintergrund war ein tieferer Umsatz im Hoch- und Tiefbau.

Dienstleistungssektor wuchs unterdurchschnittlich

Schliesslich wuchs der Dienstleistungssektor im dritten Quartal im historischen Vergleich nur unterdurchschnittlich. Handel, Finanzdienste, Kommunikation sowie das Gesundheits- und Sozialwesen steigerten ihre Wertschöpfung. Der Tourismussektor profitierte von mehr Hotelübernachtungen in- und ausländischer Gäste. In weiteren Bereichen des Dienstleistungssektors wie beispielsweise den unternehmensnahen Dienstleistungen oder der öffentlichen Verwaltung stagnierte oder schrumpfte die Wertschöpfung hingegen.

Nachfrageseitig spiegelt sich der BIP-Rückgang aufgrund des Exportrückgangs vor allem im Aussenhandel wider. Die Binnennachfrage wuchs insgesamt nur unterdurchschnittlich. Die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen verzeichneten mit −0,2 Prozent bzw. −0,1 Prozent einen leichten Rückgang. Der private Konsum, der um 0,4 Prozent zulegte, stützte dagegen weiter. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die weiterhin tiefe Inflation und durch stabile Realeinkommen. Die Konsumentenstimmung hatte sich zwar im August aufgrund von negativeren Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung eingetrübt – nicht zuletzt aufgrund der Handelskonflikte. Die Erwartungen der Befragten für die eigene finanzielle Lage und für die Neigung zu grösseren Anschaffungen haben sich in den vergangenen Monaten hingegen stabiler entwickelt.

Auch andere Frühindikatoren wie Einkaufsmanagerindizes und Beschäftigungsumfragen deuten derzeit nicht auf eine krisenhafte Dynamik hin. Für das vierte Quartal lassen die bis Ende November verfügbaren Indikatoren sogar einen Anstieg des BIP erwarten. Zudem dürfte die ausgehandelte Lösung mit den USA die betroffenen Unternehmen spürbar entlasten. Sie erhöht die Planungssicherheit und erleichtert damit Investitionsentscheide von Schweizer Unternehmen.

Der BIP-Rückgang im dritten Quartal deutet insgesamt nicht auf den Beginn eines breiten wirtschaftlichen Einbruchs hin. Das wirtschaftliche Umfeld bleibt jedoch anspruchsvoll: Aktuell ist vor allem im europäischen Umland von einer lediglich moderaten konjunkturellen Dynamik in den nächsten Quartalen auszugehen. Zudem bleibt im Absatzmarkt USA ein gewisser Wettbewerbsnachteil gegenüber lokalen Unternehmen bestehen, auch aufgrund der Aufwertung des Frankens seit Anfang 2025. Positive Impulse kommen von der Aussicht auf tiefere US-Zölle sowie der stabilen Binnenwirtschaft. Dies sind Faktoren, die dazu beitragen können, dass die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Quartalen zumindest moderat wachsen dürfte.

  1. Dieser Artikel basiert auf dem Abschnitt «Wirtschaftslage Schweiz» in den «Konjunkturtendenzen» Winter 2025/2026 (siehe Kasten). []

Zitiervorschlag: Wegmüller, Philipp; Schmidt, Caroline (2025). Warum das BIP im dritten Quartal 2025 schrumpfte. Die Volkswirtschaft, 18. Dezember.

«Konjunkturtendenzen» Winter 2025/2026

Wirtschaftslage Schweiz – Im dritten Quartal 2025 ist das Sportevent-bereinigte BIP der Schweiz um 0,5 Prozent zurückgegangen. Das negative dritte Quartal ist im Kontext der erhöhten Datenvolatilität im bisherigen Jahresverlauf zu interpretieren. Auf starke Anstiege der Exporte von chemisch-pharmazeutischen Produkten folgte eine entsprechende Kompensation.

Konjunkturprognose – Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes erhöht ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2026 leicht (1,1 Prozent). Mit der Senkung der US-Zölle haben sich die Aussichten für die betroffenen Branchen aufgehellt. Trotz einer gewissen Beruhigung bleibt die Unsicherheit im Zusammenhang mit der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik und ihren makroökonomischen Auswirkungen gross.

Weltwirtschaft – Im dritten Quartal 2025 wuchs die Weltwirtschaft etwas stärker als erwartet. Die gängigen Indikatoren zeichnen für die Weltwirtschaft insgesamt ein etwas freundlicheres Bild. Die Inflation scheint sich vielerorts auf überdurchschnittlich hohen Werten zu verfestigen.